Veröffentlicht: 06.10.2023. Rubrik: Unsortiert
DER KI DETEKTOR
Die grosse Ohrensause wo findet diese statt? Zu erfahren in der neuesten Wochengeschichte aus meiner KIfreien Wochengeschichte:
DER KI-DETEKTOR
Mein Grossvater erzählte mir, seiner Enkelin, einst mit leuchtenden Augen von seinen Jugenderlebnissen. Von den technischen Errungenschaften, die damals entdeckt wurden. Von seinen Erfahrungen im Bau von Radio-Detektoren. Einfachste Geräte. Mittels derer über starke Radiosender der Mittelwelle mithilfe von Kopfhörern nachts unter der Schlafdecke verbotene Abenteuer verfolgt werden konnten. Kriminalgeschichten. Räuberpistolen-Epen. Und auch tatsächliche angsterregende Tatsachenberichte der Kriminalistik. Kalte Schauer hätten ihm damals über den Rücken bis zum Hirn gesprüht. Er könne sich gut daran erinnern. Ach, wäre das herrlich, dies erneut am eigenen Leib erfahren zu können. Doch jetzt benötige er eine Heizdecke über dem Leintuch, um noch etwas Ungewöhnliches zu erleben. Er sei gespannt, was ihm einst das Leichentuch an Gefühlen zutragen werde. Als ich ihm dann antwortete, letzteres sei kaum möglich, denn Tod sei Tod, entgegnete er mir mit nach Hilfe schreiendem Blick, niemand könne wissen, was da noch komme. Er sei zu 13,75 % überzeugt, dass er dies erleben werde. Auch ohne mehr am Leben zu sein.
Nun, an all das dachte ich, als ich heute von einem mir fremden Adressaten einen so ans Herz gehenden Liebesbrief in der Post vorfand. Einfach rührend. Vor Hilflosigkeit strotzend und trotzdem so tief in meine Seele eindringend. Noch nie hatte ich solches erleben dürfen. Ich brach in Freudentränen aus, obwohl ich die Absenderadresse nicht kannte oder einfach nicht einordnen konnte. Entzifferte als Absender auf der Rückseite des mit roten Herzen geschmückten Umschlags den Namen H. Müller mit dem gleichen Stadtnamen, in dem ich wohne. H. Müller! Eile mit Überschallfingergeschwindigkeit gleich ins Online-Telefonbuch. 67 Einträge mit H. Müller. Welcher kann es sein? Wer verehrt mich unbekannterweise mit so unter die Haut gehenden Sätzen, die mein Herz nicht nur in Wallung, nein in eine wahre Revolution bringen? Muss unbedingt herausfinden, wer der Absender sein kann. Wie vorgehen? Alle 67 anrufen? Und wenn es derjenige sein kann, der keinen Telefonanschluss besitzt? Nur ein Smartphone nutzt, was in unserer so auf Materielles ausgerichtete Zeit ökonomischer ist. Aber hätte das Zukunft? Einen Sparfuchs zu seinem Liebsten auszuwählen. Der auf Trompetengold beim Trauring setzt.
Nehme mir als erstes vor, alle Kontakte anzurufen. Einen nach dem anderen. Doch wie gehe ich vor, wenn sich nach dreimaligem Klingeln ein Anrufbeantworter meldet? Name hinterlassen? Danken für die ‚netten Zeilen‘? Um Rückruf bitten? Was, wenn es sich um Helga Müller handelt? Sehe bald die Aussichtslosigkeit meines Plans ein. Ergibt keinen Sinn. Und doch das Glück vor Augen, darf ich dieses nicht im Strudel der Zeit ertrinken lassen. Eine Detektei beauftragen? Woher die Mittel nehmen, wenn nicht stehlen. Erinnere mich an die Worte des Vaters meines Vaters, der mir immer wieder wie ein quakender Frosch ins Gedächtnis springt: „Suche stets nach dem einfachsten Weg im Leben. Auch wenn deine Gedanken Rock and Roll Tänze aufführen, sich dabei die Gelenke verschleissen“.
Also, welches ist die einfachste Aufklärungsart? Wie den Absender finden? Zermartere mir mein Hirn. So wenig ich den Radiodetektor meines Grossvaters nachvollziehen, diesen begreifen, mir vorstellen kann, so wenig auch die neuesten technischen Errungenschaften des digitalen Zeitalters. So komme ich zum Schluss, einen Experten zu befragen. Einen IT-Spezialisten. Meinen Enkelsohn, der in dieser Materie unschlagbar sein soll. Wie sein Urgrossvater in Radio-Detektoren. Gedacht, getan! Rufe ihn über WhatsApp an, denn er wohnt in Christchurch. Im Down-Under in Neuseeland. 11 Stunden Zeitunterschied. Passt bestens, als ich aus meinem Albtraum über diesen Liebesbrief mitten in der Nacht erwache.
Als erstes erklärt er mir, dass er sich sehr über meinen Anruf freue, obwohl sein Beruf ihm kaum Zeit gewährt, Fragen zu beantworten. Doch er wolle mir und meinen Nöten eine Ausnahme einräumen. Ob ich sicher sei, das Ganze nicht geträumt zu haben? Denn neuestens gebe es eine sogenannte Traum-Detektoren-Software, die geheimste Wünsche ohne Wissen der Betroffenen in Wahrheit umzusetzen wisse, ein Virus, der ins Gehirn eingepflanzt werde. Ob mich der Wunsch nach einem Liebesbrief insgeheim bereits lange beschäftigen würde. Ich soll einmal darüber schlafen und mir die Antwort nicht zu leicht gestalten. Auf meine Nachfrage, ob es ein Mittel gebe, allfällige solche Programme zu löschen, antwortet er vor dem Auflegen kurz und bündig: „Wie bei allen solchen Problemen ist ein NEUSTART am besten geeignet. Ich solle aber bedenken, dass dabei einiges gelöscht werden könne, was nicht erwünscht sei. So zum Beispiel alle romantischen Verknüpfungen!“
Und da ertönt das Besetztzeichen in meinem Gehörgang. Will, als sei es ein Ohrwurm, nicht mehr enden. Nun weiss ich endlich, woher mein mich quälender Tinitus stammt ...!
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
P L E O N A S M U S
Was hätten sich
Die Dadaisten über
Künstliche Intelligenz
Schenkelklopfend gefreut.
Diese einen gelungen
Pleonasmus ohne
Jedes Plasma
Benannt.
Gut dass sie jene
Nicht gekannt damit
Wir diese drohnensicher
Ohne Schenkelwenkelnlachen
Einsatzweinend langsam achtsam
Knirschenwirkend auf uns lasten lassen.
Herzlichst
François Loeb
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