Veröffentlicht: 02.01.2019. Rubrik: Unsortiert
die mutprobe
heute nacht traeumte ich, dass ich eine rede ueber eine befreundete schriftstellerin halten sollte, deren geschichten ich sehr mochte. ich galt als sehr scheu und schuechern und so gab man mir ein kinder rednerpult, das noch dazu tiefer lag, sodass der ganze hoersaal auf mich hinabschaute. ausserdem verdeckte eine dicke saeule fast das gesamte pult. ich war also beinahe unsichtbar. das war aber nun wirklich des guten zuviel. ich nahm all meinen mut zusammen und verlangte vehement nach einem normalen hoeher gelegenem rednerpult in der mitte von dem ueberfuellten hoersaal. als ich dann meine angst endlich ueberwunden hatte, legte ich mit elan los, stellte aber schnell fest, dass 9 seiten von meinem 10 seiten manuskribt fehlten. ich war schokiert und wusste mir nicht anders zu helfen, als ein paar provokante behauptungen aufzustellen und eine diskussion anzufachen. meine rede musste ich dann nicht mehr zu ende halten. aus.
dass erinnert mich an eine reale situation als ich in philosophie studierte. ich war bekannt als leidenschaftlicher debattierer und als ein groesseres seminar stattfand zum thema angst im existenzialismus, meldete ich mich fuer das referat: kierkegard und die angst. der professor war begeistert, denn ich war einer seiner lieblings schueler. ich besorgte mit die erforderlichen buecher und legte den stabel auf meinen schreibtisch. als ich da so sass und den stapel anschaute, kam mir ploetzlich die idee mich nicht vorzubereiten und am pult zu sagen, "ich habe nix gelesen, aber ich habe angst". ich wusste fast nichts ueber kierkegard, er galt als trocken und schwierig. es wuerde fuer mich eine riesige mutprobe werden, es war eine wahnsinnsidee, die mir nicht mehr aus dem kopf ging. und statt die buecher durchzuarbeiten, sass ich nur da und starrte sie an. ich hatte keine ahnung, was passieren wird, wird man mich auspfeifen, beschimpfen, auslachen oder ueber mein verhalten diskutieren? ich war wie gelaehmt vor angst vor dem, was kommen wuerde. die zeit verstrich und ich tat nix, starrte immer nur auf den stapel. irgendwann war klar, dass ich nicht mehr zurueck konnte, die zeit war zu knapp. je naeher der termin kam, desto unruhiger wurde ich und ich schlief schlecht. meine idee ging mir nicht aus dem kopf, tag und nacht. als dann der tag kam, sass ich an meinem schreibtisch und habe meinen wecker angestarrt, stundenlang und habe die minuten gezaehlt. dann war es soweit und ich bin mit weichen knien losgetorkelt. ich sehe heute noch die lange garderobe vor mir mit den vielen maenteln. wie im koma zog ich meinen mantel aus und als ich ihn gerade aufhaengen wollte, klopfte mir jemand sachte auf die schulter. es war der prof, der sich verlegen wand als er mich fragte, ob es mir was ausmachen wuerde, wenn wir mein referat bis auf weiteres verschieben wuerden, da noch so viele fragen aus den vorangegangenen diskussionen offen waren. ok, wennes sein muss, verschieben wir es, sagte ich mit voellig ausgetrocknetem hals. was haette ich auch sonst sagen sollen! ich mustte dann meine referat nicht mehr halten in diesem seminar und der prof hat sich dafuer entschuldigt. so ein wahnsinn.