Veröffentlicht: 29.10.2018. Rubrik: Unsortiert
Dämonen
Sie haben sie überfallen, von einem Moment auf den anderen waren sie wieder da und nahmen Luna in Besitz, die Dämonen. Von da an neigte sich ihr Traum Irland langsam aber sicher dem Ende zu.
In einem Land wie Deutschland ist es schon schlimm und schwierig genug an Depressionen zu erkranken, aber man ist dank des guten Sozialsystems abgesichert. Es gibt die gesetzliche Krankenversicherung, 6 Wochen Lohnfortzahlung mit anschließendem Krankengeld und im Falle einer Kündigung folgt die Absicherung durch die Arbeitslosenversicherung.
In Irland gibt es das alles nicht. Keine gesetzliche KV, auf Wohlwollen des Arbeitgebers gibt eine Krankenversicherung die der deutschen Privatkrankenversicherung ähnelt. Arbeitslosengeld gibt es wenn überhaupt nachdem man 2 Jahre eingezahlt hat und so etwas wie Hartz Vier gibt es nicht. Krankengeld - Fehlanzeige. Lohnfortzahlung - auf Wohlwollen des Arbeitgebers. Therapiekosten müssen selbst getragen werden, Medikamentenkosten in der Regel auch - das hängt natürlich vom Typ der KV ab, falls man das Glück hat eine zu haben.
Zu dem Zeitpunkt als die Dämonen Luna wieder erwischten war sie gerade bei Eventbrite als Customer Experience Specialist angestellt. Bei Eventbrite gibt es eine Krankenversicherung, anders als bei Lunas vorherigem Arbeitgeber in Irland. Auch 20 Tage Krankheit werden bezahlt. Leider hatte Luna zu diesem Zeitpunkt die bezahlten 20 Tage schon so gut wie aufgebraucht. Zudem war sie noch in der Probezeit, weshalb sie natürlich einen schweren Stand hatte.
Dass Luna dauernd krank wurde war ein Vorbote den sie leider nicht erkannt hatte.
All das, dauernd krank sein, das schlechte Gewissen den Kollegen gegenüber, der Druck von Lunas Managerin wegen der andauernden Fehltage haben die Dämonen wachsen lassen bis sie Luna an ihr Bett fesselten. Da lag sie nun in ihrem 2-Bedroom-Cottage in Waterloo ohne DSL, ohne anständiges Netz und konnte nicht mehr arbeiten, bald würde sie kein Geld mehr verdienen und würde die Miete nicht mehr bezahlen können. Zurück zu Eventbrite, wieder ans Telefon war definitiv keine Möglichkeit. Was sollte sie tun? Ihren Traum aufgeben und wieder zurück? Die Vorstellung war schrecklich, fühlte sich aber gleichzeitig so beruhigend an. Luna konnte ihr Scheitern aber noch nicht akzeptieren. Sie war noch kein Jahr weg von zu Hause, sie konnte noch nicht aufgeben. Den geplanten Kurs am College of Commerce Cork konnte sie nicht besuchen, da sie durch den Autounfall, welcher sich einige Wochen vorher ereignete kein Geld dafür hatte. Dieser Kurs wäre ihr Schritt aus der Callcenter-Branche gewesen. Zumindest hätte er die Chancen auf einen “richtigen” Job erhöht.
Also dachte sie nach. Was würde ihr gefallen, was wäre eine Alternative zum kaufmännischen Bereich? Die Gastro. Irgendwie zieht es Luna immer wieder in die Gastro, es ist eine Hassliebe zwischen Luna und der Gastronomie - sie können nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander. Also fing Luna an nach Jobs in der Gastro zu suchen. Fehlanzeige. Die Jobs die angeboten wurden waren in der Hotellerie mit entsprechenden Anforderungen denen sie nicht gerecht wurde.
Zufällig stieß Luna dann auf die Anzeige, dass für ein kleines, schnuckeliges Café in Blarney jemand gesucht wurde. Erst wenige Tage zuvor ging Luna an eben diesem Café vorbei und dachte: “Wie toll wäre es denn, wenn die jemanden suchen.” Luna meldete sich natürlich sofort und zwei Tage später traf Luna sich mit den Damen vom Café. Zwei weitere Tage später bekam sie die Nachricht, dass die Damen sehr gerne mit Luna arbeiten möchten. Luna hatte sich überlegt, den Sommer über zu bleiben und gegen Herbst 2018 wieder zurück nach Deutschland zu gehen, den irischen Sommer wollte sie noch miterleben und genießen. Als Luna jedoch die Zusage bekam, spürte sie bereits diese Schwere und unendliche Müdigkeit in ihr so stark, dass sie in diesem Moment beschloss das oneway-Ticket nach Deutschland zu buchen. Sie konnte nicht mehr. Sie war einfach nur müde. So unglaublich müde und erschöpft und sie sehnte sich nach der Sicherheit und Geborgenheit die sie in Deutschland erwarten würde.
Schweren Herzens sagte sie am nächsten Tag ab und begann die Rückreise zu planen. Es war klar, dass sie viel Geld verlieren würde, unter anderem würde Luna die 700 Euro Kaution für das Cottage nicht zurück erhalten und das Auto, welches sie vor wenigen Wochen für 800 Euro kaufen musste würde sie für einen minimalen Bruchteil des Betrages verkaufen können, aber all das war ihr egal. Luna wollte nur noch weg.
Gleichzeitig tat es unglaublich weh Irland und ihren Traum aufzugeben. Der einzige Gedanke, der sie tröstete war, dass sie noch einen Versuch starten kann, nur diesmal mit einem anderen und besseren Plan. Hinterher ist man immer schlauer heißt es ja so schön und Luna hätte einiges anders machen können oder sollen. Vieles lehrte sie die Erfahrung, einiges hätte sie besser recherchieren müssen.
Lunas Herz schlägt auch jetzt noch irisch und das Heimweh ist riesig. Cork fehlt ihr, Irland und seine Menschen fehlen ihr. Deutschland ist nicht mehr Lunas Zuhause, vielleicht war es das noch nie.
Dieses Gefühl das sich in Luna ausbreitet sobald sie irischen Boden berührt ist unbeschreiblich und es fehlt ihr jeden Tag und sie hofft, dass sie bald zurück sein wird; ob es nun für ein paar Tage oder für immer ist.