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3xhab ich gern gelesen
geschrieben 2022 von StefanZivny.
Veröffentlicht: 15.09.2022. Rubrik: Fantastisches


Der Glaube der Seefahrer

Zehn Tagen sind der Kapitän Jarl von Falkenburg, sein Bootsmann Weigel und die restliche Mannschaft nun schon auf See unterwegs. Jene See ist das Meer des Mihin Thele, ein für Unruhe und schlechte Sicht bekannter Teil des Ewigen Ozeans. Der Jarl, ein Seebär wie er im Buche steht, wurde mit einer wichtigen Lieferung für das Königreich Parismina beauftragt.

Der Bootsmann tritt an den Jarl heran.
„Herr Kapitän?“
„Weigel, sieh nur hin, das Wasser und der Wind sind uns wohl gesonnen. Wir kommen prima voran, nicht?“, spricht der Kapitän mit selbstgefälliger Mimik.
„Ja, Jarl Herr Kapitän, wir machen wahrlich gute Fahrt. Die Mannschaft ist gut gelaunt und singt schon Lieder in Vorfreude auf die Flaniermeile Parisminas.“
„Lass sie singen, Weigel. Mir sei es recht, dass diese Taugenichtse auch mal ihren Spaß haben solange sie nur tüchtig bei der Arbeit sind. Wenn ich diese faulen Säcke da manchmal unter Deck rumlungern sehe, bekomme ich gleich wieder ein Jucken in der Rückhand“
„Sie singen ehrlich gesagt auch zur Ablenkung von ihrer Angst, Jarl Herr Kapitän. Wir sind im Meer des Mihin Thele. Diese See ist bekannt für die Geschichten über die Sela.“ sagt der Bootsmann während er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen da steht und auf Regungen im Gesicht des Kapitäns achtet.
„Weigel, mach dich nicht lächerlich.“, sagt der Kapitän laut seufzend.
„Ich wollte mich nicht aufdrängen, Herr Kapitän. Bitte entschuldigen sie diese Anmerkung.“, spricht der Bootsmann Weigel leise und nervös. Nach kurzer unangenehmer Stille und sichtlicher Unruhe des Bootsmannes ergreift der Kapitän schließlich seufzend die Initiative.
„Ahh, na gut, nehmen wir uns kurz die Zeit. Sprich bitte, Weigel.“
„Ich habe zahlreiche Berichte gehört, Herr Kapitän. Zunächst ist das Meer unruhig und dann urplötzlich vollkommen still. Die Leute sprechen von einer fürchterlichen Kälte und Schweißausbrüchen kurz bevor dann so ein Sela, ein Wesen aus den Tiefen des Ozeans, an Deck auftaucht. Anschließend soll es sogar zu Halluzinationen gekommen sein. Diese Wesen können anscheinend auf den Geist eines Menschen, eines Elfen oder anderer kognitiver Wesen gewisse Zauber wirken. Nur bei Zwergen scheitern wohl ihre Manipulationsversuche, weil die wohl.. ähh...“
„… die Leute bilden sich immer einen Quatsch ein. Wo hast du das denn aufgeschnappt, Weigel? In dieser Kneipe am Hagener Platz hinter dem kleinen Bruch etwa? Ich möchte mir eigentlich nicht vorstellen, dass du als durchaus gebildete Person wahrhaftig dort verkehrst. Die Besucherschaft dieses Etablissement scheint auf den ersten Blick zwar gebildet und aufgeschlossen zu wirken, aber auf mich wirken die eher wie aufgeblasene Fasane, die man zu lange im Ofen gelassen hat.“, sprudelt es lachend aus dem Jarl heraus.
„Jarl, Herr Kapitän, es liegt mir fern, sie mit Unwahrheiten zu konfrontieren, aber in der Mannschaft wird wie gesagt viel getuschelt.“, stammelt der Bootsmann aufgeregt.
Der Kapitän, der gerade noch lachte, macht daraufhin eine finstere Mine.
„Weiß du denn, Weigel, wieviele der Burschen in der Mannschaft diese Panikmache verbreiten? Dies würde mich wirklich einmal interessieren. Dass in unserer Mannschaft, die ja nun bisher nicht wirklich mit Intellekt geglänzt hat, solch herbei gesponnenes Gefasel aufkommt, kann ich ja noch nachvollziehen und damit lässt sich im Endeffekt auch auch irgendwie umgehen. Dass du, Weigel, mein gebildeter Freund und Bootsmann, offensichtlich an diesen Quatsch glaubst, ist mir aber ehrlich gesagt ein Rätsel.“
„Ich wollte wirklich nicht ihre Zeit verschwenden, Herr Kapitän.“, sagt der Bootsmann mit durchgedrücktem Rücken während ihm Schweißperlen von der Stirn laufen. Nach den üblichen Förmlichkeiten entfernt er sich schnellen Schrittes während der Kapitän ihm noch kurz mit grimmigem Gesicht hinterher schaut.

Nachdem sich der Jarl bei einem Rundgang an Deck versichert hatte, wer da nun genau zu seiner Mannschaft gehört, hat er sich in die Offiziersmesse zurückgezogen. Obwohl der Seegang gerade noch ordentlich stark war, ist das Wasser nun fast spiegelglatt. Daher kann er nun bestens ohne großartiges Gewackel sein Abendessen zu sich nehmen. Die Krone hat sich bei der Verpflegung der Flotte für Expresslieferungen wirklich nicht lumpen lassen, denkt er sich und stürzt sich ohne Besteck auf eine Hühnerkeule. Verdammt, schmeckt das gut, sagt er sich innerlich und schmatzt wie ein Wildschwein. Es schmeckt wirklich gut, aber irgendwie ist es hier arschkalt auf diesem Kahn, sinniert er während er so vor sich hin schmatzt. Als er nach einigen Minuten frieren losgegangen ist, um seinen Mantel zu holen, muss er nach wenigen Schritten stehen bleiben, da er starken Schwindel verspürt. Ein Griff an seine Stirn signalisiert ihm außerdem, dass ihm bereits Bäche aus Schweiß herunterlaufen. Zu allem Verdruss kommt noch Übelkeit hinzu und Angst steigt ihn ihm auf, dass da etwas ganz und gar nicht mit ihm stimmt. Er denkt darüber nach, was er gerade gegessen hat und schielt auf seinen leeren Teller.
„Vielleicht war da irgendetwas verdorben?“
Er denkt außerdem darüber nach, was er gestern gegessen hat. Er denkt an die See und den starken Seegang zuvor und er denkt an seine Mannschaft, die sowieso fast ausschließlich aus kranken Halbinvaliden besteht. Vielleicht hat er sich ja bei jemand mit irgend so einer Seuche angesteckt. Dann denkt er an den Bootsmann.
„Der Bootsmann!“, sagt er mit aufgerissenen Augen und stockendem Atem zu sich selbst. Der Kapitän geht daraufhin schnurstracks zur Tür, um an Deck zu gelangen, wo der Bootsmann Weigel bereits an der Reling steht und auf das Wasser schaut. Der Kapitän nähert sich ihm langsam, aber mit selbstbewussten Schritten.
„Weigel, auf ein Wort!“
Dieser regt sich kein Stück
„Weigel, ich muss mit dir reden. Irgendetwas stimmt da nicht mit mir. Du hast von diesen Symptomen berichtet und von den Halluzinationen und von den Sela und…“
Da bemerkt der Kapitän plötzlich eine Regung des Bootsmannes und verstummt. Dieser dreht sich langsam zu ihm herum. Als er dem Kapitän dann zugewandt steht, hält er seinen Kopf gesenkt, das Kinn auf der Brust abgelegt. Der Kapitän mustert ihn von unten nach oben während ihm der Schweiß an den Augen herunter läuft. Als der Kapitän des Bootsmannes Kopf erblickt, will dieser ihn dann gerade aufrichten, als er ihm mit einem schmatzenden Geräusch vom Halse fällt und auf das Deck kracht. Der Kapitän schreit kurz und unvermittelt auf und anschließend steht er mit offenem Mund und aufgerissenen Augen da und fängt langsam an zu ächzen und leise etwas zu stottern. Er starrt abwechselnd in den Hals des Bootsmannes und auf dessen am Boden liegenden Kopf. Dann gerät sein Schiff plötzlich ins Schaukeln. Es scheint eine riesige Welle oder ein Wal oder wer weiß schon was gewesen zu sein, was ein so starkes Wanken bewirkt, dass der Kapitän kurz nach Halt suchen musste und den Bootsmann aus den Augen verloren hat. Nachdem der Kapitän sich wieder aufgerichtet hat, ist der Bootsmann verschwunden. Er steht nicht mehr an der Reling. Der Kapitän dreht sich im Kreis und sucht mit tränennassen Augen seine Umgebung ab, in der er aber keine Menschenseele erblicken kann. Dann rennt er wie ein angeschossenes Reh los. Er muss seine Mannschaft sprechen, denkt er sich. Er muss sich erklären, schildern, was er gerade gesehen hat. Während er läuft ist auf dem Schiff ausschließlich das dumpfe Geräusch seiner Schritte zu hören.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Katla am 27.10.2022:
Kommentar gern gelesen.
Sehr schöner Schreibstil mit offenen Ende, genau mein Geschmack!

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