Veröffentlicht: 26.08.2022. Rubrik: Fantastisches
Ein Festmahl
Das Wiegenfest Keiros des Großen steht heute an. Wie immer an diesem Tage gebührt es sich, dass ihm ein großes Festmahl bereitet wird. Er ordnet an, ein vorzügliches Abendessen für ihn zu bereiten. Dieses soll ausschließlich ihm und niemand anderem bereitet werden. Freunde lädt er daher wie immer keine ein, denn schleimiges Geschwafel über seine Herrlichkeit, Gnade und partizipative Führung kann er nicht gebrauchen. Er weiß, dass sie aus schierer Angst vor ihm lügen bis die Balken biegen. Und er weiß, dass sie ihn hinterrücks einen Tyrann nennen und dies im Tal überall verbreitet wird. Ständig fragt er sich, was dieses undankbare Pack von Volk für ein Problem mit ihm hat. Hinrichtungen und Prügelstrafen gibt es unter seiner Führung schon lange nicht mehr, da er diese ekelhafte Gewalt einfach verabscheut. Steuern hat er bereits mehrfach senken lassen und als sich vor vielen Wochen dutzende Bürger über ihre Mahlzeiten aus Brot und Wasser beschwerten, ersetzte er diese durch Kartoffelpuffer und Wein.
„Wir möchten auch mal etwas Fettiges speisen, was schmackhaft ist und nicht nur trocken Brot“, ruft er sich eine Beschwerde in Erinnerung. Dies konnte er gut nachvollziehen. Auch er könnte nicht nur von Brot und Wasser leben, sondern ihm verlangt es auch nach etwas Reichhaltigem und Herzhaftem. Ihm war es schon immer eine Freude, wenn nicht nur er sondern auch seine Untertanen gut genährt durch das Tal schreiten. Dafür gibt er sogar die Butter und das Salz seiner privaten Vorratskammer her. Dahingehend ist er einfach ein Altruist.
Heute soll es ein ganz und gar abwechslungsreiches Mahl geben. Zur Vorspeise gibt es eine varintianische Spezialität. Für den Hauptgang wurde irgendetwas Östliches angekündigt und zur Nachspeise gibt es dieses Mal eine Überraschung, so wurde es ihm versprochen. Er kann sich noch gut an seinen letzten Geburtstag erinnern, als es zur Nachspeise diese leckeren mediterranen Törtchen gab. Er hofft, dass da der heutige Tag mithalten kann. Die Hauptspeise bestand dafür letztes Jahr nur aus diesen zähen alten Stücken Rollbraten, was ihm sehr missfiel. In den östlichen Bergen soll diese Speise eine Spezialität sein, was er so nun gar nicht nachvollziehen kann.
„Hmm“. Sein Hungergefühl übersteigt mittlerweile schon das einer dreiköpfigen Hydra, als er am Abend in seinen Gemächern auf den Beginn seines Festmahls wartet.
„Hrrrm“, räuspert er sich unzufrieden. Wo bleibt denn nun endlich das Essen, denkt er sich während er weiter über das bevorstehende Mahl nachdenkt. Sein Speichelfluss ist kaum noch zu bremsen. Wie durch ein Wunder hört er von sonst wo her Schritte hereinkommen. Als er endlich einen Blick auf seine Vorspeise macht, die vor ihm präsentiert wird, kann er kaum noch an sich halten. Er greift gar nicht mehr zum Besteck sondern beginnt sofort sich voll zu stopfen wie ein ausgehungerter Wolf.
Am Ende der Vorspeise nimmt sich Keiros der Große doch noch sein Silberbesteck. Irgendetwas hat sich da zwischen seine Zähne festgesetzt, was er damit schleunigst entfernen möchte. Er greift fix zum silbernen Langschwert des ersten varintianischen Ritters, den Keiros der Große, der Lindwurm, gerade verspeist hatte.
Gar nicht schlecht für den Anfang, aber immer ein bisschen zäh diese Ritter, denkt er sich. Nichtsdestotrotz ist er bereits in Vorfreude, was da wohl zum Hauptgang in seine Höhle hereinspazieren wird.