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2xhab ich gern gelesen
geschrieben von anonym.
Veröffentlicht: 29.08.2022. Rubrik: Unsortiert


Lieber Wir als Ich

Ist das zu fassen? Es ist schon 2 Jahre her und es kommt mir vor als wäre es gestern gewesen. Ich sitze auf meinem Sofa, in meiner eigenen kleinen Wohnung und mache dasselbe wie gestern. Trinke ein Glas Weisswein und schaue meine Lieblingsserie auf meinem übergrossem 65 Zoll Fernseher. Eigentlich schaue ich die Serie gar nicht an, sondern schaue einfach Gedankenverloren auf den Bildschirm. Ich komm mir schäbisch vor, dass ich wirklich das Gefühl habe ich hätte ernsthafte Probleme, nach allem was man in den Nachrichten hört. Das Hungern auf der Welt, die Kriege. Ich meinem Kopf dreht sich nichts um alle Dem. Sondern um die Liebe. Geht es nicht immer um die Liebe? Komisch, dass man aber in solchen Momenten immer an die Guten Seiten denkt, anstatt an die, die uns dazu gebracht haben alleine auf einem riesengrossen weissen Sofa zu liegen und zu denken, dass die Zeit stillsteht. Gegenüber von mir steht mein Regal, überfüllt mit grünen Zimmerpflanzen, die ich leider viel zu wenig giesse, und acht Büchern, bei denen es um Selbstfindung und Seelenverwandtschaft geht. Allesamt angefangen, nie zu Ende gelesen. Zugegeben, ich fand sie echt interessant. Trotzdem bin ich gut darin Dinge anzufangen und nicht zu Ende zu bringen. Der Wein fängt an zu wirken, trotzdem füllt sich die Leere die sich in mir ausbreitet nicht genug, und ich laufe fast automatisch zum Kühlschrank und schenke mir erneut eins ein. «Nur noch eines, danach sollte es gut sein», spreche ich zu mir selbst. Während ich den Wein einschenke, verschütte ich ein wenig auf meinen dunklen Laminatboden. Ohne es zu beachten laufe ich durch die Wohnung. Sehe mir meine leeren weisse Wände an. Dadurch, dass nichts an den Wänden hängt, hallt es leicht in der Wohnung, wenn man redet. Das mag ich irgendwie, das gibt mir das Gefühl frisch in ein Apartment eingezogen zu sein. Das rede ich mir zumindest ein. Die Wohnung ist nicht neu, trotzdem reicht sie für mich irgendwie. Ich mag es trotz des dunklen Bodens hell. Viele Möbel sind weiss und grau. Ich mag grau. Auch wenn viele sagen dies sei keine Farbe, ist sie es für mich schon. Sie ist zeitlos, passt zu allem. Sie ist weder traurig, noch glücklich. Durch den Blick auf all diese Erinnerungen, merke ich, dass ich es satt habe mich selbst zu bemitleiden und entscheide frische Luft zu schnappen. Es ist der 22. Oktober, Herbst. Ein rosa Pulli und eine Jeans sollten reichen. Meine naturblonden, schulterlangen Haare sind zu einem lockeren Dutt hochgesteckt. Ich schnappe mir irgendeine Fake-Designertasche, pack mein Portmonnaie und Telefon ein und gehe los. Normalerweise bin ich leider jemand, der für jeden kleinen Schritt, selbst der zum Dorfladen gegenüber, das Auto benutzt. Aber heute ist mir nach Laufen. Es sind ca. drei Kilometer bis zum Cafe, aber ich denke nicht gross darüber nach. Der Wind ist kalt und ich verstecke meine Hände in meinem Pulli. «Ich hätte vielleicht doch einen Schal anziehen sollen», murmle ich vor mich hin. Ich laufe durch die Strassen, sie sind leer. Der Feierabendverkehr ist schon vorbei und es fängt an abzudunkeln. Ich kenne jede Ecke und jeden Winkel dieser Stadt. Seit 23 Jahren lebe ich schon hier, habe meine hormongesteuerten Jahre hier erlebt, all meine Freunde hier kennengelernt (von denen ich übrigens nicht mehr viele habe), und verlor hier auf diesen Strassen meinen Selbstwert und den Glauben an die grosse Liebe. Ich meine nicht irgendeine Liebe. Nicht die typische Teenagerschwärmerei, oder die Vorstadtliebe, mit der man 2 Kinder und einen Hund hat und man sich aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit oder «Auseinanderleben» trennt oder sich scheiden lässt. Ich meine die eine Liebe, die einen praktisch die Seele raubt. Die eine voller Leidenschaft. Die eine, in der man sich stundenlang in die Augen sehen kann und ohne Worte mehr vom anderen erfährt. Klingt bescheuert ich weiss, und darüber nachzudenken stösst mir einen weiteren Pfahl ins Herz. Ich versuche mich mit der kalten Luft abzulenken und den wenigen Autos die an mir vorbeifahren. Als ich am Cafe ankomme ist die Sonne am Horizont kaum mehr sichtbar. Nur noch leichte dunkelroten Strahlen zeichnen sich am Himmel und ich lächle. Ich mag Sonnenuntergänge. Sie haben etwas Poetisches an sich. Als würde sich ein Kapitel schliessen, damit sich ein neues öffnen kann. Schluss jetzt mit der Gefühlsduselei, ich kam hierher um mich abzulenken, und ein Glas Gin Tonic erscheint mir in diesem Moment genau das Richtige. In einem Cafe Alkohol zu bestellen ist nicht gerade elegant, das ist mir bewusst, da hätte ich auch in eine Bar gehen können, welche übrigens direkt gegenüber ist. Aber dieses Cafe ist etwas Besonderes für mich. Es ist simpel eingerichtet. Die Steinwände in verschiedenen Grautönen, die braunen simplen Holzstühle und die runden Tische in demselben Holz. Es ist wie in einem Kreis aufgebaut, in der Mitte arbeiten die Servierkräfte an den zwei grossen italienischen Kaffeemaschinen. Bessergesagt, DIE Servierkraft. Sie ist alleine. Kein Wunder, es sitzt niemand hier drin ausser ich und zwei Männer mittleren Alters die offensichtlich auch eine Auszeit vom Alltag brauchten. Kaum hingesetzt konnte ich mein Getränk schon bestellen, als hätte die Serviertochter nur darauf gewartet sich endlich bewegen zu können, da die Männer am anderen Ende wohl oder übel schon eine Weile an ihrer Cola nippen während sie sich unterhalten. Ich hatte wohl recht damit, dass die junge Dame Freude an meiner Bestellung hatte, sie lässt sich Zeit damit den Gin vorzubereiten. Mit Erfolg. Ich stelle fest, dass er echt gut schmeckt. Ich habe mich zum Fenster gesetzt, so dass ich genau hinausschauen kann. Ich mag es Menschen zu beobachten und aber irgendwo drinnen zu sitzen, sodass einen niemand erkennen kann. In einer Stadt in den man fast jeden kennt, ist das eindeutig von Vorteil. Für mich zumindest. Ich mag es nicht aufzufallen. Ich war schon immer eher gerne alleine mit meinen Gedanken anstatt sie mit Jemanden zu teilen. Als ich mein Telefon aus der Tasche nahm um einen Blick darauf zu werfen, lief es mir kalt den Rücken runter. Ich kannte das Gefühl und mein Herz fing sofort an wie wild zu pochen, so stark, dass ich es an der Schlagader am Hals spüren konnte. Mein Blick fiel auf die grosse Eingangstüre aus Glas und ich erstarrte wie Eis. Wie ein Eisblock der gleichzeitig in Flammen aufgeht.

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