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geschrieben 2018 von Christine Todsen.
Veröffentlicht: 06.09.2018. Rubrik: Lustiges


BUSSE

Kurz nach Einführung des Euro war Kleinkleckersdorf noch ein eigenständiger, wenn auch winziger Ort. Inzwischen ist es längst mit Großkleckersdorf, Kuhdorf und Krähwinkel zur Großgemeinde Hinterwald zusammengeschlossen worden.

SatirepatzerSatirepatzerDie Dorfbewohner waren im Allgemeinen zufrieden mit ihrem Leben. Sie leisteten sich sogar einen Fußballverein, den FC Kleinkleckersdorf, und eine monatlich erscheinende vierseitige Zeitung, das „Dorf-Panorama“ (Preis: 1 Euro).

Nur eins störte sie ungemein. Keine einzige Buslinie fuhr Kleinkleckersdorf an. Sofern man keinen eigenen fahrbaren Untersatz hatte, musste man zu Fuß nach Großkleckersdorf zur nächsten Bushaltestelle marschieren, um in die weite Welt zu gelangen. Schon mehrmals hatte Kleinkleckersdorfs Bürgermeister vom Landrat eine Änderung dieses unhaltbaren Zustands verlangt, aber ohne Erfolg.

Im besonders heißen Sommer 2003 war die Stimmung im Dorf auf einem Tiefpunkt angelangt. Vor allem wegen der fehlenden Busverbindung, aber auch, weil das „Dorf-Panorama“ sich in Existenznöten befand und der Fußballverein in einen Skandal verwickelt war.

Eines Donnerstagmorgens dann, als der einzige Laden des Ortes die Titelseite der neuesten „Panorama“-Ausgabe an die Schaufensterscheibe geklebt hatte, wich die Niedergeschlagenheit in kürzester Zeit einer dorfweiten Euphorie. In riesigen Lettern war auf der Seite zu lesen: „BUSSE FÜR KLEINKLECKERSDORF! Ausführlicher Artikel auf Seite drei.“

„Hast du‘s schon gehört? Wir kriegen Busse! Also sogar mehrere!“ – „Unglaublich! Wo mögen die denn hinfahren? Nach Krähwinkel? Vielleicht sogar in die Kreisstadt?“ – „Schade, dass auf der Titelseite im Schaufenster nichts Näheres steht. Da muss man die Zeitung tatsächlich kaufen.“

In weniger als einer Stunde war das „Dorf-Panorama“ vergriffen. Der Besitzer rieb sich die Hände. Aber er hatte sich zu früh gefreut, denn bald wurde er von wütenden Anrufen nur so überschüttet. „Da steht ja überhaupt nichts von Bussen! Nur von einem Bußgeld, das der Fußballverein zahlen soll! Das ist Betrug!“

„Nein, ist es nicht“, sagte der Zeitungmacher ein ums andere Mal. „Da die deutsche Sprache kein großes Eszett hat, werden die Wörter Busse und Buße in Großbuchstaben beide mit Doppel-S geschrieben.“

„Aber du hättest dir doch denken können, dass wir es missverstehen.“

„Ja, darum hab ich’s ja auch gemacht. Sonst kauft ihr die Zeitung ja nicht.“

Schließlich heizte sich die Stimmung so auf, dass das Regionalfernsehen aufmerksam wurde und einen Drei-Minuten-Beitrag über Kleinkleckersdorf brachte. Der Bürgermeister nutzte die Gelegenheit und stellte im TV zwei Forderungen. Erstens müsse noch vor Jahresende eine Busverbindung zwischen Kleinkleckersdorf und der Kreisstadt eingerichtet werden, und zweitens müsse es das Eszett auch als Großbuchstaben geben. „Darüber wird schon seit Ende des 19. Jahrhunderts diskutiert. Jetzt muss endlich etwas geschehen! Die Ereignisse in unserem Ort zeigen, dass es so nicht weitergehen kann!“

Beide Wünsche gingen in Erfüllung, der zweite allerdings erst vierzehn Jahre später. Das große ß, also das ẞ, ist seit dem 29. Juni 2017 Bestandteil der amtlichen deutschen Rechtschreibung. Kleinkleckersdorf, jetzt Ortsteil der Großgemeinde Hinterwald, feierte seinen inzwischen längst pensionierten Bürgermeister drei Tage lang, denn alle waren davon überzeugt, dass er den Stein ins Rollen gebracht hatte. Lediglich das „Dorf-Panorama“ – es hieß noch immer so – war weniger begeistert. Es bedauerte, dass jetzt keine Wortspiele à la BUSSE mehr möglich waren, und forderte die Feiernden griesgrämig auf, das Fest nicht in Völlerei ausarten zu lassen: „Esst mit MAẞEN, nicht in MASSEN!“

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