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5xhab ich gern gelesen
geschrieben 2022 von Christine Todsen.
Veröffentlicht: 21.07.2022. Rubrik: Grusel und Horror


Das Teufelskind

Mariella war fassungslos. „Ich im dritten Monat, Herr Doktor? Das kann doch überhaupt nicht sein!“

Im Gegensatz zu ihrer Fast-Namensschwester, die vor rund zweitausend Jahren eine ähnlich unfassbare Nachricht bekommen hatte, war Mariella zwar keine Jungfrau mehr. Aber seit der Trennung von ihrem Partner vor fünf Monaten hatte sie keinen Sex gehabt.

Dies sagte sie auch dem Gynäkologen. Dieser sah sie skeptisch an: „Hat Ihnen vielleicht jemand K.-o.-Tropfen ins Glas geschüttet?“ Mariella war sicher, dass dies nicht der Fall gewesen sein konnte.

„Kennen Sie den Film Rosemary’s Baby?“, fragte der Arzt plötzlich. Mariella entsann sich, irgendwann davon gehört zu haben. Die Erinnerung jagte ihr einen Schauder über den Rücken: „Kriegte diese Rosemary nicht ein Kind vom Teufel? Glauben Sie etwa, auch ich…?“

Seufzend erwiderte der Mediziner: „Wenn Sie absolut sicher sind, dass Ihre Schwangerschaft nicht auf natürliche Weise zustande gekommen sein kann… Wir können bei Ihnen einen Bluttest machen. Wenn sich dabei herausstellt, dass die DNA des Ungeborenen teilweise nicht-menschlichen Ursprungs ist, ist es ein Teufelskind.“

Mariella willigte ein, und tatsächlich wies das Resultat des Tests auf einen nicht-menschlichen Erzeuger hin. Der Arzt empfahl ihr dringend einen Abbruch der Schwangerschaft. In ihrer Gewissensnot fragte sie ihren Pfarrer um Rat: „Ist es denn wirklich vom Teufel? Könnte es nicht auch ein göttliches Kind sein?“ Der Geistliche verneinte: „Mit Sicherheit nicht! Das geschah nur einmal, und da hat der Engel Maria die Geburt ja angekündigt.“

Daraufhin entschied Mariella sich für eine Abtreibung. Es zeigte sich jedoch, dass das Ungeborene sich nicht abtreiben ließ. Alle Methoden schlugen fehl. „So etwas hat es in der Geschichte der Gynäkologie noch nie gegeben!“, staunten die Ärzte.

Zusammen mit ihnen beschloss Mariella, das Kind auszutragen und direkt nach der Geburt auf schmerzlose Weise töten zu lassen. Man war sicher, dass dies straffrei bleiben würde, da es sich ja nicht um einen Menschen, sondern um einen Teufelshybriden handelte.

*

Das Kind, ein Junge, kam zur Welt. Er sah wie ein normales Baby aus. Auch jetzt widersetzte er sich sämtlichen Methoden der Tötung. Gleichzeitig reagierte er äußerst aggressiv auf seine Umgebung.

Mariella wollte ihn taufen lassen und ihm einen christlichen Namen geben, doch sobald sie nur daran dachte, spürte er dies und schrie so laut, dass alle zusammenliefen. Nur einen einzigen Namen akzeptierte er: Satan. Diesen Namen hätte das Standesamt zwar nicht genehmigt, aber als Teufelshybride war er gar nicht erst angemeldet worden.

Als Satan anderthalb Jahre alt war, erhielt seine verzweifelte Mutter den Brief eines Gelehrten, der von ihrem Schicksal erfahren hatte:

Ihr Kind ist einer von zwei Teufeln auf dieser Erde. Der andere ist ein Diktator, der zurzeit die ganze Welt bedroht. Meine Frau und ich kennen Menschen in seinem Land, die am Sturz dieses Diktators arbeiten und im Land eine Demokratie errichten wollen. Wenn Sie es erlauben, würden wir mit Ihrem Kind zu unseren Freunden fahren. Diese würden das Kind dem Diktator vorstellen und die beiden dann allein lassen. Dann würden die beiden Teufel sich gegenseitig vernichten, wodurch die Welt Frieden bekäme. In diesem Fall würde wie in der Mathematik gelten: Minus mal Minus ergibt Plus – Böses mal Böses ergibt Gutes!

Mariella las den Brief wieder und wieder. Satan würde dann sterben, aber der Diktator auch, und die Welt bekäme Frieden… War dies Satans Berufung? Nach einer schlaflosen Nacht hatte sie sich entschieden und rief den Gelehrten an.

*

Nur vierzehn Tage später verbreitete sich über die ganze Erde die Eilmeldung: „Wir sind gerettet!“

Der Diktator, der die Welt bedroht hatte, war ums Leben gekommen. Auf welche Weise, das erfuhren die Menschen wenig später durch den Bericht zweier seiner Landsleute:

Wir hatten von einem Kind erfahren, das ebenso wie der Diktator ein fleischgewordener Teufel ist. Die Mutter des Jungen erlaubte uns um des Weltfriedens willen, ihn zu dem Diktator zu bringen, der sich bekanntlich als kinderlieb präsentiert. Vorher hatten wir in dem Raum eine geheime Überwachungskamera anbringen lassen. Durch sie konnten wir in einem anderen Zimmer sehen, was sich ereignete. Kaum waren die beiden allein, als der Junge zu wachsen begann. Er sprang aus seinem Buggy und attackierte den Diktator. Dieser schlug zurück, und binnen weniger Minuten fielen beide tot zu Boden, wobei der Junge wieder seine ursprüngliche Körpergröße annahm. Während das Gesicht des toten Diktators eine wahre Teufelsfratze war, sah das verstorbene Kind erlöst aus.

Die Leiche des Diktators wurde eingeäschert und die Asche in einen Fluss geworfen. Dagegen bekam der Junge, der posthum den Namen Felix („der Glückliche“) erhalten hatte, eine Trauerfeier mit internationaler und interreligiöser Beteiligung. Man war ihm dankbar und gleichzeitig traurig darüber, dass er nicht als Felix hatte weiterleben dürfen. Als seine Mutter Mariella den Gelehrten weinend nach dem Grund fragte, sagte dieser:

„Das war leider nicht möglich. Die beiden mussten sich gegenseitig umbringen. Als der Teufel zusätzlich zu dem Diktator einen weiteren Artgenossen in die Welt schickte, glaubte er, dadurch noch mehr Macht zu gewinnen. Das Gegenteil war der Fall. Offenbar kennt der Teufel nicht die Regel ‚Minus mal Minus ergibt Plus‘!“

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Weißehex am 22.07.2022:
Kommentar gern gelesen.
Eine echte Horrorgeschichte, sehr spannend!




geschrieben von Gari Helwer am 22.07.2022:
Kommentar gern gelesen.
Tolle Geschichte, Christine! Einerseits gruselig, aber andererseits könnten wir so ein Kind gerade durchaus gebrauchen (leider etwas traurig, dass es sterben muss...), ich wüsste auch schon, wo wir es hin schicken könnten! ;-) Liebe Grüße!




geschrieben von Christelle am 22.07.2022:
Kommentar gern gelesen.
Wirklich gruselig, aber sehr spannend!

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