Veröffentlicht: 17.07.2022. Rubrik: Lustiges
Die Entschuldigung
Heinrich kam wutentbrannt zum Dorfvorsteher. „Mein Nachbar Franz hat ‚Esel‘ zu mir gesagt! Ich zeige ihn an!“
Beschwichtigend meinte der weise Älteste: „Das war nicht schön von Franz, aber willst du ihn deswegen gleich anzeigen? So ein Verfahren kostet Zeit und Geld. Würde es dir vielleicht genügen, wenn ich Franz aufforderte, sich bei dir zu entschuldigen?“
„Das tut der nie! Aber meinetwegen, versuchen kannst du es ja.“
Daraufhin ließ der Dorfvorsteher den Delinquenten kommen. „Franz, dein Nachbar Heinrich hat mir gesagt, dass du ihn einen Esel genannt hast –“
„Ja“, unterbrach Franz, „das habe ich, und dazu stehe ich!“
Der Alte seufzte. „Sei bitte vernünftig, Franz. Heinrich will dich anzeigen, und im Grunde kann ich ihn verstehen, denn so etwas gehört sich einfach nicht. Er würde sich aber mit einer Entschuldigung begnügen. Ich habe hier einen Satz aufgeschrieben. Wenn du in meinem Beisein zu Heinrich sagst: ‚Dass ich dich als Esel bezeichnet habe, tut mir leid, und ich entschuldige mich!‘, soll die Sache vergessen sein.“
„Niemals sage ich das!“, brauste Franz auf. „Es tut mir nämlich keinesfalls leid! Also wäre es eine Lüge! Und lügen darf man doch nicht!“
„Andere beleidigen darf man noch weniger. Willst du tatsächlich eine Anzeige riskieren? Denk an deine Frau und deine Kinder!“
Franz sah brütend vor sich hin. „Also gut“, sagte er schließlich, „lass Heinrich kommen.“
Bald standen die beiden Kampfhähne vor dem Dorfältesten, und Franz sprach feierlich, an seinen Nachbarn gewandt: „Dass ich dich als Esel bezeichnet habe, tut mir leid, und ich entschuldige mich hiermit bei sämtlichen Haus- und Wildeseln.“