Veröffentlicht: 21.05.2022. Rubrik: Menschliches
Das Schloss Teil 4 - Der Schlossherr
Während Ben ihm von der Mutprobe seines Sohnes und dessen Einbruch ins Schloss erzählte, sah der Wirt erst besorgt aus, dann so, als wäre ihm gerade etwas Erleuchtendes eingefallen und schließlich nachdenklich.
Ben endete indem er nochmal versicherte, dass die Tür nicht abgeschlossen war und sein Sohn auch nichts gestohlen hatte.
Der Gastwirt schwieg einen Moment.
Dann meinte er: „Ich glaube, er weiß, dass jemand im Schloss war.“
Ben sah ihr irritiert an. „Warum?“
„Ich weiß nicht, woher er das weiß, aber ich bin mir relativ sicher, das er weiß, dass jemand im Schloss war.“
„Weiß er auch wer? Hat er Überwachungskameras?“
„Das glaube ich nicht.“
„Und was sollen wir nun tun? Soll mein Sohn sich bei ihm entschuldigen?“
„Das wäre eine gute Idee.“ Der Gastwirt nickte. Er hatte immer noch einen leicht besorgten Ausdruck auf dem Gesicht, als er ergänzte: „Es ist schwer zu sagen, was er denkt und wie er reagiert. Aber ich glaube eine ernstgemeinte Entschuldigung wird er zu schätzen wissen.“
Ben musste wieder zur Baustelle und so machte sich Simone alleine mit Jonte auf zum Schloss. Jonte war sichtlich angespannt und die Fahrt mit dem Auto verlief schweigsam. Im Radio spielten die größten Hits und Simone wippte mit den Fingern mit.
„Das wird schon“, versuchte sie ihn auf zu muntern.
Nur zögernd stieg er vor dem Schloss aus. Simone ging zur großen Eingangstür und wartet bis er ihr folgte. Eine klingel gab es hier nicht und so klopfte sie kräftig an die Tür. Es blieb eine ganze Weile ruhig, bis sie von der anderen Seite jemanden die Tür aufschließen hörten. Die Tür öffnete sich und sie standen einem Mann gegenüber. Er hatte schwarze Haare, die einen scharfen Kontrast zu seiner bleichen Haut bildeten. Seine Augen waren dunkel und nahezu ausdruckslos. Simone hatte den Eindruck, ihn schon einmal gesehen zu haben. Aber das blaue Holzfällerhemd und die Jeans passten nicht ins Bild.
„Entschuldigen Sie die Störung“, fing sie an. „Ich bin Simone Friedmann und das ist mein Sohn Jonte.“ Sie deutete zu ihrem Sohn und als der Mann ihn direkt ansah, veränderte sich irgendetwas in seinem Ausdruck.
Jonte schnappte nach Luft, bekam aber kein Wort heraus und so fuhr Simone fort und erzählte dem schweigsamen Mann von der Mutprobe ihres Sohnes. Schließlich hatte Jonte doch seine Stimme wieder gefunden und brachte die Geschichte zu Ende, indem er erzählte wie er oben von der Galerie zurück gelaufen war und die Kellertür geschlossen hatte. „Es tut mir leid. Ich dachte hier wohnt niemand und ich habe auch nichts kaputt gemacht“, schloss er seinen schnellen Bericht. „Entschuldigen Sie, dass ich bei ihnen eingebrochen bin.“
Der Mann sah ihn einen Moment lang an und sagte dann: „In Ordnung. Ich sollte mir wohl doch angewöhnen, die Tür abzuschließen.“
Jonte atmete erleichtert auf. Simone sah von ihrem Sohn zu dem Mann. Irgendwo hatte sie ihn schon mal gesehen. Sie verabschiedeten sich höflich und gingen zum Auto zurück. Er hatte die Tür sofort wieder geschlossen. Simone startete das Auto und das Radio begann automatisch zu spielen. Da fiel es ihr ein, wer er war. Er war ein Musikproduzent und Komponist. War er nicht sogar für diesen Hit verantwortlich, der gerade im Radio spielte. Sie gab Gas und fuhr den Berg hinunter. Deswegen diese Heimlichtuerei. Er wollte hier seine Ruhe haben und nicht von Leuten belästigt werden. Genug Geld um sich diese Ruhe von einer ganzen Kleinstadt kaufen zu können, schien er auch zu haben. Vielleicht lieferte er auch nur genug mysteriöse Momente.
ENDE