Veröffentlicht: 22.04.2022. Rubrik: Historisches
Ringtausch
Sogar ich, die ich erstens schon im Seniorenalter bin und zweitens beruflich mit Sprachen zu tun hatte, stolpere manchmal noch über unbekannte Wörter. Und nicht etwa nur über Ausdrücke der Jugendsprache, sondern auch über Begriffe, die ich eigentlich kennen müsste.
Als ich gestern im Videotext eine Überschrift las, der zufolge die deutsche Bundesregierung einen „Ringtausch“ plant, war ich erst einmal völlig verwirrt und auch empört. Viele Fragen schossen mir durch den Kopf: Was fällt der Regierung ein, eine Hochzeit zu planen? Wer soll da wen heiraten? Wo sollen die Ringe getauscht werden?
Erst als ich den dazugehörigen Text gelesen hatte, dämmerte mir, wie das Wort gemeint war. Sicherheitshalber sah ich noch bei duden.de nach: „Ringtausch“ hat in der Tat zwei Bedeutungen. Nicht nur „Ringwechsel“, sondern eben auch „Tausch zwischen mehreren Partnern“.
Mir war meine Unwissenheit zuerst peinlich, aber dann entschuldigte ich mein Missverständnis mit dem Gedanken, dass eine Verbindung von Hochzeiten und Politik in früheren Jahrhunderten durchaus nicht ungewöhnlich war. Als ein Beispiel von vielen diene dieses, aus www.habsburger.net/de/themen/tu-felix-austria-nube:
1430–1570
„Bella gerant alii, tu felix Austria nube.“ – „Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate.“ Dieser berühmte Spruch wird zitiert, wenn der Aufstieg der Habsburger durch erfolgreiche Heiratspolitik charakterisiert werden soll. Die jungen Erzherzoge und Erzherzoginnen wurden häufig schon im Kindesalter mit Mitgliedern anderer Dynastien oder auch mit Angehörigen der eigenen Familie vermählt.
Später wird in diesem Artikel allerdings auch zugegeben:
Der Spruch verschleiert aber die vielen Zufälle, die diesen habsburgischen Aufstieg ermöglichten – und auch die Tatsache, dass der Machtgewinn keineswegs immer unblutig ablief. Neben Hochzeiten waren Kriege ein ebenso wichtiger Teil der habsburgischen Politik.
Der Ringwechsel war also kein Allheilmittel gegen Kriege, ganz abgesehen davon, dass solche arrangierten Ehen unserem Verständnis von persönlicher Freiheit zuwiderlaufen (und die Heiraten innerhalb der Verwandtschaft zu der berühmten „Habsburger Unterlippe“ führten).
Ringtausch – ich freue mich, dass ich nicht nur die Doppelbedeutung des Wortes gelernt, sondern die Aufklärung des Missverständnisses auch noch in einem Text verarbeitet habe. Wollen wir hoffen, dass ein Ehe-Ringtausch nie mehr ein Mittel der Politik sein wird. Ich wüsste auch gar nicht, wer da wen heiraten könnte!