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1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2021 von Philipp W. (Philipp W.).
Veröffentlicht: 02.02.2022. Rubrik: Lustiges


Wocheneinkauf

Letztens war ich mit meiner Freundin einkaufen. Klingt im ersten Moment nicht spannend, sondern nach Samstag. Aber: Falls es noch nicht aufgefallen ist bin ich vom Geschlecht Mann. Und Mann, so habe ich recherchiert, bedeutet im alt-hebräischen „Bei Eurospar überfordert“. Zumindest wäre das treffend. Jede in einem Labyrinth erstmals eingesperrte Laborratte bewegt sich effizienter und zielstrebiger als ich in einem Supermarkt. Die Bewegungsprofile von Frauen und Männern in Supermärkten verhalten sich zueinander, wie der synchrone Marsch einer Elite-Militäreinheit zu einem stark an Unterzucker leidendem Großrudel räudiger Hyänen dem man Monate nach der letzten Fütterung irgendwo ein frisch geschlachtetes Gnu zwischen den hunderten von unklar sortierten Gängen versteckt. Meine Freundin und wahrscheinlich alle Menschen vom Typ „Frau“ sind das krasse Gegenteil davon. Sie finden alles. Sofort. Sie müssen nicht suchen, sie wissen wo was ist. Meine Freundin weiß von jedem Produkt jedes Supermarktes wo in welchem Gang es zu finden ist. Kein Scherz: Sie schreibt die Einkaufsliste in der Reihenfolge, in der man an den Produkten vorbeikommt, wenn man durch den Supermarkt geht. Sensationell! Männer hingegen schreiben Einkaufslisten in der Reihenfolge... pffft. Männer schreiben keine Einkaufslisten. Wir würden auch nichts finden was darauf stehen würde. Wozu ein Manifest des vorprogrammierten Scheiterns verfassen. Das wäre wie, wenn sich ein vollständig Querschnittgelähmter die Hochalpinen Klettersteige, die er bezwingen will aus dem Touristenführer sucht. Oder wie, wenn die Grünen versuchen würden ihre Ideen in der Regierung durchzusetzen.

SatirepatzerSatirepatzerFolgende Theorie: Supermarkttüren sind Neuronen programmierende Portale, die keine Auswirkungen auf das Menschliche Gehirn haben, außer die Orientierungsfähigkeit jedes Meschen beim Betreten zu invertieren. Meine Wenigkeit kann „zua wie da Spar am Sonntag“, also von gezielten jedoch nicht gemäßigten Alkoholkonsum gezeichnet, mitten in der Nacht kilometer- und stundenlang durch den Wald der Mühlviertler Wildnis vom Zeltfest nach Hause wanken, ohne sich zu verirren. Wenn ich mit meiner Freundin 100m weit von unserer Wohnung in den Park gehe, ihr die Augen zuhalte und sie eineinhalbmal um die eigene Achse drehe mach ich mir Sorgen, dass sie wieder nach Hause findet. Betreten wir beide aber einen Supermarkt, bewege ich mich orientierungslos wie ein Neandertaler, der im New York der Neuzeit ausgesetzt worden ist, während sie mit chirurgischer Präzision durch die Gänge seziert und in durchschnittlich 42 Sekunden den gesamten Wocheneinkauf erledigt, ohne dabei etwas zu vergessen.

Meine Freundin kennt mich, weiß das alles und war deswegen so schlau mir eine einfache Aufgabe zu geben. 15 dag. Schinken kaufen. Machbar, auch weil die Feinkosttheke mit ihren ca. 250m Breite selbst als Mann eher schwer zu verfehlen ist. Also gehe ich siegessicher Richtung Theke, und … es passiert erstmal nichts. Dem Aufmerksamen Beobachter war der Grund dafür schnell klar. Das Verhältnis von etwa zweihundert kaufwütigen, aktionsjagenden Bedienungsbedürftigen zu je einer Brigitte, Beate und einer mehr nach Bernard aussehenden Bianca war für eine rasche Anbringung seiner individuellen Kaufbedürfnisse unzureichend. Dementsprechend lange hatte ich Zeit mich auf meine Bestellung vorzubereiten und dass war wie sich herausstellte auch gut so. Man sollte meinen, dass es eine intellektuell und kommunikativ eher rudimentär fordernde Aufgabe ist Schinken auszusuchen, doch scheinbar war es der diabolische Plan eines Schinken-Produktions-Kartells, dessen Name ich nicht nennen will, eben dies bedeuten komplexer zu gestalten indem er es sich zur Aufgabe gemacht hat die Produktvielfalt irrational zu erhöhen. Und so befinde ich mich vor der Auswahl von 60, … 60ig!!! verschiedenen Schinkensorten deren angeblicher Unterschied sich mir ebenso wenig erschließt wie der Benefit der Markteinführung von Schinkensorte 61.

Gedankenreise in ein Besprechungszimmer der Firma Berger: Ein hochrangiger Mafioso der Abteilung Pressfleischveredelung stellt seinen Marketingkollegen eine PowerPoint Folie mit der Überschrift „Unique Selling Point der Sorte Inquer-Kalbsrücken Schinken“ vor. „Unsere Marktanalyse hat eindeutig ergeben, dass es eine hohe Nachfrage nach Geschmacksnoten aus Indischen Gewürzwurzeln und im kindlichen Alter geschlachteten, Methan produzierenden Großvieheinheiten gibt. Diese Angebotslücke werden wir mit unserem Produkt optimal ausfüllen können“. Ich werde durch die Sorge aus meinen Gedanken gerissen, dass die Qualität des Kokains in den Marketingabteilungen dieser Welt scheinbar noch schlechter ist als es diverse Möbelhauswerbungen befürchten lassen. Ich bin an der Reihe und bestelle die 15 dag. Schinken, wobei ich die Auswahl der Sorte selbstlos der Fleischwarenfachverkäuferin überlasse. Danach navigiere ich mit leichten Schwierigkeiten zum vereinbarten Treffpunkt vor den Kassen wo meine Freundin mit sämtlichen 4652 anderen Produkten des Wocheneinkaufs scheinbar bereits gelangweilt auf mich wartet. Wir bezahlen und verlassen den Supermarkt durch das Orientierung-Reinvertions-Portal. Sofort beschleicht mich das Gefühl, plötzlich wieder zu wissen wo ich mich befinde und wo ich hinmuss.

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