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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2021 von Philipp W. (Philipp W.).
Veröffentlicht: 01.02.2022. Rubrik: Satirisches


Spaziergang durch die österreichische Politik

Wien. Ich sitze in der Straßenbahn Linie 1 und sehe durchs Fenster nach draußen. Eigentlich sehe ich nicht nach draußen, weil die gesamten Glasflächen der der Straßenbahn mit Werbung für das Klimaticket voll sind. Die soll wohl die Leute in der Straßenbahn motivieren doch mal die Öffis zu nutzen. Am Uralten, aber dafür auch sehr ineffizienten Info-Bildschirm läuft in Dauerschleife ein Interview von Klimaministerin Leonore Gewässler über die (Achtung Wortspiel) Vorzüge des Klimatickets. Ich zeige dem Schaffner mein Klimaticket, steige an der Praterhauptale aus und erhalte dabei einen Werbefolder für das Klimaticket. Es ist im Format A3, farbig, auf folierten Einwegkarton gedruckt und riecht nach Chlorbleiche.

SatirepatzerSatirepatzerIch überquere die Straße und schlendere anschließend durch den Prater. Eine alte Bekannte kommt mir mit einem Kinderwagen entgegen. „Hallo Frau Blümel, lange nicht gesehen“, begrüße ich sie und werfe einen Blick in den Kinderwagen. „Wie geht es dem kleinen Asus? Keine Probleme mit Viren oder dem Bundestrojaner?“
„Nein alles bestens. Vorletztes Jahr ging es ihm schlecht, da hatte er Windows 8. Aber seitdem diese Festplatte geschreddert wurde ist er wieder wie neu.“
„Schön, das zu hören! Ich muss jetzt auch weiter. Will Sie gar nicht zu lange aufhalten, immerhin haben sie noch 960 000m nach Hause.“
„Eigentlich ist es nur ein knapper Kilometer von hier“
„Ach ja, stimmt. Da habe ich mich wohl um den Faktor tausend vertan. Naja, das kann ja jeden mal passieren, oder? Schönen Tag noch!“

Wenige Minuten später stoße ich auf den nächsten Bekannten. Aus der Tierarztpraxis kommt der haustierlose Herbert Kickl und hustet sich in seine rechte Grußhand. Sein Blick trifft auf mich. Offenbar erfreut mich zu sehen, knurrt er mich bedrohlich an.
„Ich freue mich auch dich zu sehen, Herbert!“, erwidere ich die Begrüßung und bücke mich hinunter, um ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter zu geben.
„Wie geht’s dir mit Corona? Hast du dich schon impfen lassen?“
Wie von der Tarantel, oder viel schlimmer von einer Impfnadel, gestochen fährt sein Kopf in die Höhe, sodass er meine Hüfte anschreit.
„Bist du wahnsinnig? Du würdest dir wohl auch von HC Strache die Zähne machen lassen?“
„Nein, ganz sicher nicht“, lache ich. „Wo musst du hin? Wir könnten ein Stück gemeinsam gehen“, schlage ich vor. Der KLEGRÖWACLUOBAZ, der Kleinste Größenwahnsinnige Clubobmann aller Zeiten, lehnt ab. Er müsse noch in den Schreibwarenhandel um die Ecke, die bestellten zwei Kilo Kreide für Norbert Hofer abholen. Die weißen die er so gerne mag.

Also ziehe ich allein weiter und als ich am Ring ankommen bin sehe ich von weitem sogar die Spitze der österreichischen Politik. Bundeskanzler Kurz macht gerade im letzten Moment einen Schritt zur Seite um nicht von der Wien-Klosterneuburg Schnelltram, kurz WKStA überfahren zu werden. Als diese vorbei gefahren ist überquert Bundeskanzler Schallenberg die Straße. Ich muss Blinzeln. Kurz darauf verliere ich Bundeskanzler Nehammer aus den Augen, weil er in dem Getümmel von Polizisten und Polizisten verschwindet, die gerade versuchen die kaukasischen Flügelnussbäume aus dem Stadtpark abzuschieben. Vor einem besonders großen Baum hat sich eine Menschenkette von knapp drei Metern Länge aus 80% Werner Kogler und 20% Sigi Maurer gebildet. Die Grünen-Chefin skandiert „Bisch ka Bam, bisch a oaschloch!“ Werner Kogler versucht einer vermummten Einsatzkraft zu erklären, dass die Bäume österreichische Wurzeln hätten. Plötzlich löst sich der Polizeieinsatz auf, denn mit Blaulicht und Sirenen rasen Feuerwehrautos heran. Feuerwehrleute stürmen in den Park. Am Funk eines Kommandanten höre ich jemanden von starker Rauchentwicklung sprechen. Kurze Zeit später gibt es gottseidank Entwarnung. Man hat Alexander Van der Bellen auf einer Parkbank sitzend gefunden. Er soll leicht verwirrt wirken und irgendwas von Angelobung gemurmelt haben. Nach den kurzen Aufräumarbeiten von 47 Zigarettenstummeln kann wieder eingerückt werden.

Beim Einsteigen in die nächste Bim nehme ich mir die aufliegende gratis Tageszeitung mit. Den Namen möchte ich nicht nennen. Er betrifft den Zeitraum zwischen Gestern und Morgen. Ich überfliege die Schlagzeilen, was dem Lesen der gesamten Zeitung entspricht. Wobei ich Zeitung nicht für das richtige Wort halte, um das zu beschreiben was ich in den Händen halte, waren doch Printmedien in längst vergangener Zeit der Information der breiten Masse dienlich. Ich werde hingegen von fragwürdigen Sensationen in Schrittgröße siebzehntausend optisch derart angeschrieben das es richtig in den Augen klingelt. Nach dem Umblättern kann ich die zweite Silbe der ersten Überschrift erfassen. Das hierfür Presseförderung aus öffentlicher Hand bezahlt wird ist so gerechtfertigt wie die Auszeichnung von Sebastian Kurz mit dem Freiheitspreis der Medien. Auf den Seiten sieben bis achtunddreißig lese ich: „Bald mehr als 5€pro Liter? Neos wollen Wasser privatisieren“. Das nervige Läuten der Straßenbahn stört beim Lesen. (Stören ist übrigens das einzige Verb, das auf das Existieren eines Speisefisches hinweist)

Ich wache auf und schalte den Wecker ab. Was diese Träume an den Wahlsonntagen immer zu bedeuten haben?

counter2xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Christine Todsen am 02.02.2022:
Kommentar gern gelesen.
Interessanter Text. Habe versucht herauszufinden, ob zwischen STÖREN und STÖR tatsächlich ein Zusammenhang besteht. Laut duden.de ist die Herkunft beider Wörter ungeklärt. Laut Wikipedia dagegen könnte STÖR mit „Stöbern“ (in Bezug auf die Nahrungssuche am Gewässergrund) zusammenhängen, was laut duden.de von niederdeutsch stöben = aufscheuchen kommt. Wenn der STÖR am Gewässergrund stöbert, STÖRT er diesen doch gewissermaßen (armer Gewässergrund!).




geschrieben von Philipp W. am 02.02.2022:

Danke fürs lesen und recherchieren Christine! Mein Einschub mit dem Stör ist tasächlich nur unrecherchierter Blödsinn den ich nicht rausnehmen wollte weil mich solche billigen fonetischen Ähnlichkeiten amüsieren.

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