Veröffentlicht: 10.12.2021. Rubrik: Unsortiert
DIE LOSUNG
Jagd nach Zeit mit oder ohne Zeit? Zu ergründen in der neuen Wochengeschichte aus meiner Feder:
Mein Freund Michael ist ein acharnierter Jäger. Ich schätze es, mit ihm wandern zu gehen, denn neben dem Jagen, das ich verabscheue, weiss er unendlich viel über die Natur unserer Wälder. So wird jeder Waldgang mit ihm zu einem einmaligen Abenteuer. Und wenn wir hitzig über seine Leidenschaft, das Jagen, uns die Zungen fusselig reden, behauptet er stets, das Jagen sei Hegen und Pflegen, sich um die Tiere kümmern. Während ich erwidere, mit dem Leiden, das seine Leidenschaft über die armen Geschöpfe bringt. Ein Schuss sei eben nicht einfach Schluss, sondern verursache Schmerzen, unaushaltbare Qualen. Michael entgegnet dann, ob es nicht besser sei, schnell zu einem raschen Ende des Lebens durch einen gezielten Abschuss zu gelangen, als ein elendes Zugrundegehen ohne Hegen und Pflegen.
Und das kam so:
Heute versprach mir Michael beim Aufbruch im Morgengrauen, mich über die Losung der Tiere zu unterrichten. Diesen Ausdruck habe ich noch nie vernommen und so fantasiert mein Hirn beim mühsamen Aufstieg in Michaels Berg-Jagdgebiet darüber, was wohl hinter diesem Wort versteckt sein könne. Kommt der Begriff von einer Verlosung? Geht es hier um Millionen, deren glückliche Gewinner sich dann bis zum Lebensende im Wohlstand suhlen können, als seien sie auf der ausgewilderten Wildbahn der Menschheit, fernab jedes Lebenslaufs eines Normalverdieners geboren. Oder oder tausenderlei absolut abwegige Gedanken huschen durch meinen Kopf, befeuert vom Schweisse meines Angesichts. Meine Erwartung steigt mit jedem Höhenmeter, den wir über Stock und Stein erklimmen und als dann Michael auf einem Felsenvorsprung seinem Klettertrieb Einhalt gebietet, sich vornüberbeugt, und ich glaube meinen Augen nicht, um mit höchster Konzentration ein Stückchen braunes, nicht definierbares Etwas zu untersuchen.
Es sieht nach Kot eines Tieres aus. Er betrachtet es intensiv, nimmt ein MÜ davon zwischen Daumen und Zeigefinger zerbröselt es führt den Finger zur Nase, sodass ich den Ursprung des Ausdrucks Stinkefinger erstmals in seiner vollen Bedeutung zu verstehen glaube. Michaels Hand kommt mir dann näher. Hält seinen Finger unter meine Nase, bemerkt mit leiser Stimme: "Das ist die Losung eines einsamen vom Rudel ausgestossenen Steinbocks. Riech daran und du wirst künftig in der Zukunft die Vergangenheit klar erkennen können“. Dieser sein Satz bringt mein Denken vollkommen durcheinander, denn dass in Zukunft die Vergangenheit zu erkennen sein wird, klingt nicht nach besonderer Fähigkeit. Als Michael dann hinzufügt: „Zum Beispiel wirst du in Zukunft mit Blick in die Vergangenheit die Nummer des grossen Loses, die Zahlenkombination des Zahlenlottos, den richtige Tipp des Fussballtotos erkennen können“, beginne ich an seinem Geisteszustand zu zweifeln. Hat er am Abend zuvor zu tief ins Glas geguckt oder bahnt sich bei ihm der Jägerwahn an, den ich zwar noch nicht kenne, diesen aber vom Fischerlatein ableite. Doch der Rest des Ausflugstages verläuft harmonisch und ohne weitere Geistesanomalien Michaels.
Als aber am nächsten Samstagabend mich Michael, mit vor Glück singender Stimme, anruft um mir mitzuteilen, dass er nicht das grosse Los im Zahlenlotto gewonnen habe und er sich deshalb nicht in Zukunft im Wohlstand zu suhlen haben werde, er habe mir ja erklärt was alles in einer Losung verborgen sein könne. Und tatsächlich habe er die richtigen Zahlen jetzt vor der Tagesschau im Fernsehen erblickt, eben wie er es mir vorausgesagt habe, die Vergangenheit aus der Zukunft klar erkennen zu können ...
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus
meiner Feder:
D A S G R O S S E L O S
Los los nimm an das Los
Gewinne in Minne
Das Leben hat das Los beschert
Ob bezogen, verzogen
aus dem Nichts entsogen.
Weine eine Träne
Tanze auf der Muräne
Eis zu Eis auf Himbeertorte.
Gleis zu Gleis
Nicht zu entrinnen
Weder Aussen noch auch Innen
Und der Prellbock der ist da
Wabah, wahbah
Des Loses Ende .
Herzlichst
François Loeb