Veröffentlicht: 02.05.2018. Rubrik: Unsortiert
Der Wasserrohrbruch
Ungefähr sechs Wochen vor Weihnachten fiel plötzlich unser Heizungsboiler aus. Ich rief den Reparaturdienst an. Ein paar Stunden später kam ein Mitarbeiter der Firma und sah sich den Boiler an, meinte schließlich, es könnte sich vielleicht um einen Wasserrohrbruch handeln. Er hätte aber noch einen anderen Termin und würde deshalb in zwei, drei Tagen noch einmal vorbei kommen um sich den Boiler genauer an zu sehen. Am nächsten Morgen stellten wir mit Schrecken fest, das die Wand unten hinter dem Küchentisch naß war. Und auch im Zimmer meines Sohnes und im Bad waren die Wände feucht. Also rief ich wieder die Reparaturfirma an. Der Heizungsmann sah sich den Schaden an und sagte, das es "auf jeden Fall ein Wasserrohrbruch" sei. Da könne er so nichts tun, in ein paar Tagen würde jemand von der "Leckortung" vorbei kommen um mit einem Meßgerät nach der Bruchstelle zu suchen. Die Leckortung kam, suchte und fand den Schaden.
Und dann ging es los. In den nächsten Tagen kamen ständig Leute, um sich unsere Wohnung und den Schaden an zu gucken. Es kamen Maler, Elektriker, Heizungstechniker, jemand von der Versicherung, unsere Vermieterin, irgendwelche Leute von der Stadt, vom Amt. Da war richtig Betrieb. Langsam dämmerte es mir,das es sich wohl um eine größere Sache handeln mußte. Ich kam mir jedenfalls in meiner eigenen Wohnung vor, wie in einem Bahnhof. Meine Wohnung wurde eine riesen Baustelle. Wir bekamen von der Vermieterin den Schlüssel für eine Wohnung im selben Haus, zwei Stockwerke höher, die leer stand. Dort konnten wir für die nächsten vier bis sechs Wochen einziehen. Ein guter Freund der Familie und mein Bruder halfen uns bei diesem " Atock-Umzug, (das klang ungefähr so: " Du mußt nach hinten!", "Au, meine Finger!", " Du Blödmann!", " Nu ist die Kommode hin!") unser Hab und Gut in die andere Wohnung zu bringen (Danke, Jungs, ihr seit super!), nur das Wohnzimmer blieb mitsamt dem Fernseher unten, denn dort mußten die Handwerker nicht hinein, oben konnten wir sowieso nicht Fernsehen, da wir Internetfernsehanschluß haben und oben gab es kein Internet. Ich war besorgt, wegen unserer Katzen, ob die denn wohl den Wohnungswechsel gut verkraften würden. Naja, und ich selbst fand den Gedanken, in einer fremden Wohnung zu schlafen, irgendwie auch beunruhigend bis beängstigend. Ich bin ein Gewohnheitstier. Also war ich zunächst fest entschlossen, heldenhaft mit den Katzen unten aus zu harren. Ich redete mir und allen anderen ein, ich würde es natürlich nur den Katzen zuliebe ablehnen, zum schlafen, essen und leben nach oben zu gehen. Ich würde im Wohnzimmer schlafen, die Baustelle, der Lärm, das alles würde schon nicht so schlimm werden. Schließlich ist man ja nicht aus Zucker und einiges gewohnt, mit so gut wie erwachsenen Kindern und einem eigenen Kleintierzoo in den eigenen vier Wänden! So hatte ich mir das gedacht. Mein Sohn mußte natürlich sowieso oben schlafen, denn sein Zimmer war ja auch feucht. Und meine Tochter war noch unentschlossen, sie wollte lieber nach oben. Andererseits wollte sie mich solidarisch auch nicht allein unten auf der Baustelle lassen. Mir war es egal. Ich erklärte immer wieder heroisch: "Komme, was da wolle, ich bleibe in meiner Wohnung! Basta!" Soweit, so gut. Das hatten wir geklärt.
Dann kamen die Maschinen. Große Bautrockner wurden im Bad, im Zimmer meines Sohnes und in der Küche aufgestellt. Dicke Kabel und Schläuche lagen überall in den Räumen und komplett durch den Flur, große Löcher im Boden und die Wände...die Wände! Die Maschinen machten einen Höllenlärm, Staub überall. Baustelle. Ich packte wie der Blitz meine sieben mir unten verbliebenen Sachen und schleppte sie nach oben. Dann die Katzen. Jeder nahm sich ein Tier auf den Arm, so brachten wir die Stubentiger sicher durch das Treppenhaus nach oben. Bis auf unsere Tami. Leider wurde Tami sehr wahrscheinlich bevor sie uns zu lief, mißhandelt. Das jedenfalls vermutete die Tierärztin, die Tami kurz nachdem wir sie aufgenommen hatten, untersuchte. Vermutlich ist sie auch deshalb sehr scheu, ängstlich und ein bißchen "gestört". Wir versuchten alles mögliche. Aber als der ganze Trubel los ging, verkroch sie sich unter meinem Bett, in der hintersten Ecke und ließ sich durch nichts dazu bewegen, wieder hervor zu kommen. Wir kamen nicht an sie heran. Mein Bettgestell sollte eigentlich unten stehen bleiben, denn die andere Wohnung war teilweise möbliert und in einem Zimmer stand ein Bett mit Lattenrost, ich brauchte also nur meine Matraze und das Bettzeug mit nach oben nehmen. Wir versuchten es mit Leckerchen, krochen unter dem Bett herum, was nur dazu führte, das Tami wütend fauchte. Wir holten uns Bisse und blutige Finger durch Pfotenschläge mit scharfen Krallen. Herrje! Es blieb uns schließlich nichts anderes übrig, als am Ende doch das ganze Bett komplett auseinander zu bauen. Ich kann Ihnen sagen, da macht man was mit! Aber was tut man nicht alles...! Uff. Stunden später,als der Umzug beendet war, saß ich oben auf der Couch und war fix und fertig. Entspannung... Die Katzen kamen überraschenderweise sehr gut in der fremden Umgebung zurecht. Nachdem sie alles genau unter die Lupe genommen und beschnüffelt hatten, lagen sie auf ihren Decken und schliefen. Auch ich habe in dieser Nacht, entgegen meiner eigenen Erwartung, erstaunlich gut geschlafen...