Veröffentlicht: 29.10.2021. Rubrik: Spannung
Perfekte Welt
In den ersten Sonnenstrahlen eines Sommermorgens blinzelte Lu bis sie ihr Bewusstsein aktiviert hatte und sich streckte. Ihr Blick durch die von großen Fenstern durchbrochene Wand fiel auf die Bucht im Tal, in der schon einige Surfer den Platz im Wasser nutzten. Sie wühlte sich aus dem weichen Bett und fühlte den kühlen Polyvinylchlorid Boden an ihren Füßen, der sich gleich darauf der Temperatur ihrer Füße anpasste. Sie huschte ins Bad, lies ihren Pyjama gefaltet auf dem Rand des Waschbeckens zurück und stieg vorsichtig in die Dusche. Als das heiße Wasser ihre Beine benetzte, zog sie schnell Luft zwischen den Zähnen ein um den Schmerz zu verarbeiten. Das heiße Wasser spülte die Wunden an ihren Oberschenkeln und lies sie aufgequollen zurück. Das am restlichen Körper so angenehme Handtuch, raute die Wunden auf und ließ sie neu bluten. Mit leerem Blick stand Lu ihrem Spiegelbild gegenüber und ließ den Schmerz wo er war. Zurück in ihrem Zimmer, entschied sie sich für weite, den Körper verhüllende Kleidung, die die Wunden zu einem Geheimnis machten. In unruhiger Stimmung nahm sie die teppichbedeckte Treppe nach unten in die Küche, mit Blick auf den Garten. Das Haus schien heller als sonst, die Sonne hatte jeden Wanddurchbruch genutzt um das Haus in eine Illusion der Freude und Sicherheit zu verwandeln. Dem Licht entgegen machte sich Lu auf in den Garten, wo sie sich eine Zigaretten ansteckte und auf einen der harten Gartenstühle fallen lies. Ruhig beobachtete sie wie der verbrennende Tabak einer fragilen Rosenblüte glich. Rauch stach scharf in ihr Auge. Ein warmes Gefühl, wie eine Illusion der Sonnenstrahlen, füllte ihr Inneres. Mit zitternden Finger zog sie ihr Hosenbein zu sich, bis ihre Wunden freilagen. Mit der Faszination eines Kindes führte sie das glimmende Ende der Zigarette nah an die Wunde heran. Hinter ihr vernahm sie ein Knacken des Türrahmen, an den sich Jemand lehnte. "Kannst du nicht wenigstens warten, bis die Wunden verheilt sind?“