Veröffentlicht: 26.09.2021. Rubrik: Total Verrücktes
Der faule Schriftsteller
Axel war ein begabter, aber sehr fauler Schriftsteller. Er schrieb nur Kurz- oder am liebsten Kürzestgeschichten. Seine Fans liebten seine knappe Schreibweise, rühmten sie als große Kunst und ahnten nicht, dass er lediglich zu bequem für wortreiche Ausschmückungen war.
Eines Tages stieß er auf einen Wettbewerb zum Thema „Tragische Liebesgeschichte“, bei dem ein Text von mindestens 3000 Zeichen (mit Leerzeichen) verlangt wurde. Das war ihm eigentlich zu viel, aber da ein Geldpreis winkte, griff er zu einem Trick und schaffte mit viel Googeln tatsächlich die gewünschte Anzahl Zeichen. Leider verschmähte die Jury seinen unter einem Pseudonym eingereichten Beitrag. Ob er bei Kurzgeschichten-Stories gefällt? Hier ist er:
DIE BASKIN UND DER WALISER
Bei einem Treffen von Einwohnerinnen und Einwohnern von Orten mit besonders langen Namen verliebte sich die Baskin Aranzazu
aus Azpilicuetagaraycosaroyarenberecolarrea in der Region Navarra Hals über Kopf in den Waliser Gruffudd aus Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch auf der Insel Môn, die auf Englisch Anglesey heißt.
Er erwiderte ihre Liebe, und schon bald heirateten sie und verbrachten ihre Flitterwochen auf der Nordinsel Neuseelands, in unmittelbarer Nähe des Berges, der den längsten Ortsnamen der Welt trägt: Taumatawhakatangihangakoauauotamateaturipukakapikimaungahoronukupokaiwhenuakitanatahu.
Da sie sich nicht einigen konnten, ob sie im Baskenland oder in Wales leben wollten, zogen sie schließlich nach Kanada, ans Ufer eines Sees mit dem Namen Pekwachnamaykoskwaskwaypinwanik.
Doch schon bald siegte ihr Heimweh nach Europa, und sie ließen sich im finnischen Lappland nieder, in einer Moorregion namens Äteritsiputeritsipuolilautatsijänkä.
Nun wollten sie auch endlich Kinder haben. Da die finnischen Vornamen ihnen zu kurz waren, erkundigten sie sich, in welchen Sprachen es besonders lange Namen gab. Sie bekamen einen Sohn, den sie Bartholomäus nannten, und eine Tochter, der sie den Namen Scheherazade gaben.
Leider, leider hielt die Verbindung zwischen der Baskin Aranzazu und dem Waliser Gruffudd nur bis kurz nach der Silberhochzeit. Als Bartholomäus und Scheherazade beide volljährig waren, verließ Aranzazu ihre Familie. „Ich hab’s satt! Mir ist es hier in Lappland zu kalt! Nur wegen der Kinder bin ich bis jetzt geblieben!“
„Wo willst du denn hin?“, fragte ihr Mann voller Entsetzen.
„Nach Frankreich! Dort fange ich ein ganz neues Leben an! Die langen Namen bin ich nämlich auch leid. Ich habe mich in einen Franzosen namens Léo verliebt und ziehe zu ihm in sein Heimatdorf, das in der Region Hauts-de-France liegt und den kürzesten Ortsnamen Europas trägt. Er besteht nur aus einem einzigen Buchstaben: Y!“