geschrieben 2021 von Bjarne Pfennig (BjarneP).
Veröffentlicht: 03.06.2021. Rubrik: Grusel und Horror
Eine Welt der Finsternis
Leicht wogen die Blätter im Wind, als eine Schar Pferde den Wald durchquerte. Es war dunkel und die Reiter hielten Fackeln in den Händen, die letzten, die sie noch hatten. Eine angespannte Stille herrschte zwischen ihnen. Sobald es vollkommen finster war, so würden die Schatten herauskommen, und wenn die Schatten kamen, dann wussten sie, dass es für sie alle bereits zu spät war. Einer der ältesten Männer warf einen nervösen Blick auf seine Armbanduhr – es war bereits nach fünfzehn Uhr –, ein dummer Reflex, aus alter Zeit, den er nicht loswerden konnte. Was machte es denn ohnehin für einen Unterschied, wie spät es war? Hell würde es ohnehin nicht mehr. Auch die Pferde wurden allmählich unruhig, blinzelten und wieherten, neigten die Köpfe, wohl wissend, dass es für sie das Ende war. Sie alle wussten es, doch es zu Akzeptieren war schwer. Die Gruppe war hinausgeritten, hinein in die Finsternis, in der die Ratten lebten, hatten nach Licht gesucht, einem Licht, fern von den tausend glühenden Augen in der Schwärze der Nacht. Es war eine vergebliche Suche, doch die Hoffnung würde als Letztes sterben. Zusammen mit ihnen. Einer der Männer schrie auf, als seine Fackel erlosch. Sein Pferd bäumte sich auf. Er hörte ein leises Rascheln und fiepen, das Geräusch, welches ihn seit Jahren in jeden seiner Albträume verfolgte. Er schrie, röchelte, hustete Blut, bis er nicht mehr konnte, und er eins mit den Schatten wurde. Die anderen Reiter versuchten, nicht zurückzusehen. Am Ende des Waldes würden sie sich zurück in Sicherheit finden, vorerst. Sie konnten die Pferde essen, ihr Fett verbrennen, Licht machen, aber für wie lange? Würden Sie überhaupt zurückgelangen, ehe es zu spät war? Eine nach dem anderen erloschen die Fackeln. Blutige Schreie stießen aus der Finsternis, leises quieken, bis selbst die letzte Fackel nur ein Stück brennende Kohle war. Der letzte Reiter hatte Angst. Er war jung, hatte nie die Sonne gesehen, nichts als Licht und Schatten, und die glühenden Augen. Bald war es so weit …
Bald …
Er sprang von seinem Pferd. Nein, dachte er, wenn er sterben müsste, dann würde es nicht so geschehen, nicht jetzt, nicht ohne, dass er alles versucht hätte. Seine Fackel glomm nur noch. Er hörte sie aus der Dunkelheit, die Ratten, mit ihren säuselnden Stimmchen. Er pachte den Stamm einer der Bäume, hörte ein markerschütterndes wiehern, dann verstummte es vollkommen. Der Reiter rammte seine Finger ins Holz, hörte es brechen, der süße Schmerz zog durch seine Glieder. Er stieg auf, hoch in die Krone hinauf, und die glimmende Fackel …
verwandelte alles in ein Meer aus hellen, goldenen Flammen. Der letzte Reiter lächelte, zumindest jetzt, für diesen einen Moment, in einer brennenden Welt der Finsternis.