Veröffentlicht: 02.06.2021. Rubrik: Fantastisches
Der König des Schlafes
Müde. So müde. Er hatte die Augen geschlossen und schnarchte leise, starr, wie ein Pilz im Wald.
Er saß auf seinem Thron und hatte den Kopf auf die Hand gestützt. Müde, er war so unfassbar müde, seit Anbeginn aller Zeit, doch selbst der tiefste Schlaf brachte ihm keine Erholung. Er saß in einer großen Halle, das wusste er noch, und der Boden war bedeckt mit Körpern, hunderte, wenn nicht mehr, und auch sie schliefen, oder gerade sie? Er erinnerte sich nicht. Er musste sich nicht erinnern. Sie waren seine Kinder, sie alle. Er hatte viele davon, müde Kinder, doch nicht so, wie er.
Niemand war so müde, wie er.
Und wenn er schlief, so träumte er auch, und wenn er träumte, dann war er überall, in den Köpfen der Menschen und Tiere, und er sah durch ihre Augen die Welt. Er lauschte durch ihre Ohren, hörte Musik und Geschichten, all ihre dunkelsten Sorgen und Begierden. Denn wenn er träumte, war er nicht mehr irgendwer, und irgendwo, in einem Land der Schatten, nein, nur dann fühlte er sich wahrlich, wie ein König.