Veröffentlicht: 05.04.2021. Rubrik: Unsortiert
Am Fenster
Ich stehe am Fenster.
Ich stehe immer am Fenster, jeden Abend, suche
mit den Augen die Straße ab, lasse
den Blick schweifen über die hohen Bäume,
durch die sich die Strahlen der untergehenden Sonne
einen Weg in mein Zimmer bahnen, auf das weite Feld vor dem kleinen Bach, der
silbern glänzt, nach links, wo die Menschen aus
dem Wald kommen.
Ich stehe immer am Fenster, jeden Abend, lehne
meine Wange an den Fensterrahmen und winkle ein Bein an, lasse
mich gegen die Wand sinken und beginne
zu lächeln, nur ganz leicht, denn meistens
werde ich enttäuscht.
Ich stehe immer am Fenster, jeden Abend, erlaube
mir zu träumen und zu fliehen, versinke
in meinem Kopf und genieße es – so sehr, bin so
glücklich und überwältigt und
unbeschwert, so
voller Erwartung.
Ich stehe immer am Fenster, jeden Abend, erwarte
zu sehen, wonach ich mich so sehne, worauf
ich den ganzen Tag hoffe – und manchmal
wandert mein Blick zum Ende der Straße, entdeckt
ihn und mich durchfährt ein Energiestrom, ich
spanne mich an und
sauge es auf, alles in mich ein, und ganz kurz
treten die Träume aus meinem Kopf, werden
Realität, hüllen mich ein und
beflügeln mich
und deshalb
stehe ich am Fenster
immer, jeden Abend.