Veröffentlicht: 04.02.2021. Rubrik: Kürzestgeschichten
Jetzt reichts!
Ich höre sie schon wieder debattieren. Mein Gott, es ist gerade mal 8.30 Uhr und die alte Wachtel redet lauthals mit jemand im Treppenhaus. Das macht sie absichtlich, ich weiß es genau!
Gestern erst hat sie mich mal wieder zurecht gepfiffen. »Früher gab es Zeiten, wo ein Treppenhaus noch richtig geputzt wurde!«, blaffte meine Schwiegermutter mich da im Hausflur an. Ich war gerade beladen wie ein Packesel vom Wocheneinkauf zurück, schaute nur über die Schulter und murmelte etwas.
»Ich werd mal mit Jochen sprechen, Katja! So geht das hier nicht!«
Ich schluckte. Am liebsten hätte ich ihr den ganzen Scheiß vor die Füße geworfen und wäre abgehauen. Dann könnte sie mit ihrem lieben Jochen sehen, wo sie bliebe.
Was für ein Fehler war es doch gewesen, mit ihm in ihr Haus zu ziehen. »Damit Mutter nicht so alleine ist. Sie mag dich doch so gerne, Katja!«, höre ich ihn noch säuseln.
Pah, von wegen! Sie hasst mich von Herzen, diese verdorrte, griesgrämige Kuh.
Seit einem Jahr macht sie mir das Leben zur Hölle, und mein lieber Jochen macht – nichts!
Aber jetzt werde ich doch aufmerksam. Schritte kommen die Treppe hoch. Jemand klopft. Die Alte ist es nicht, die schleicht leiser. Nochmals Klopfen, ich öffne. Vor mir steht ein hochgewachsener Mann mit Rauschebart, selbstgestricktem Wollpulli und Birkenstocks.
»’n Morgen. Ihre Schwiegermutter schickt mich hoch. Sie meint, Sie würden bestimmt was für ›Pinguine in Seenot‹ spenden.«
Was? Ich glaub, ich hab mich verhört. Da keift’s von unten: »Lassen Se sich von ihr ruhig was für den Quatsch geben. DIE hat genug!«
Mir brennt die Sicherung durch. In Millisekunden rasen alle Schimpftiraden, »faul, dreckig, geizig, schlampig, kann nicht kochen, kein Interesse am Garten, zwei linke Hände …«, durch mein Hirn. Ich gehe an meine Jacke, hole meine Geldbörse heraus.
»So, guter Mann«, sage ich bewusst laut, »natürlich, wenn meine Schwiegermutter sagt, ich soll Ihnen die Miete für diesen Monat spenden, ist das ja ihre Entscheidung!«
Ich lächle breit und drücke ihm 350 Euro in die Hand.
Er schaut ganz verdattert auf die Geldscheine. »Ist okay. Viel Spaß damit«, flüstere ich und füge laut hinzu: »Dann tragen Sie mal Hildegard Bimmstengel als edle Spenderin ein!« Und schließe energisch die Tür.
Von unten höre ich einen Orkan toben, als sie versucht, dem Mann das Geld wieder abzuknöpfen. Der bleibt aber standhaft.
Ich lache laut, lange und erleichtert. Dann greife ich mein Telefon und schreibe Jochen eine WhatsApp: »Brauche mal eine Luftveränderung, fahre zu Tine an die Nordsee. Ps.: Die Miete hab ich schon bezahlt. Kuss, Katja«