Veröffentlicht: 17.10.2020. Rubrik: Unsortiert
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Ich wurde verschleppt und niemand kann mich retten. In einem kleinen Raum, die Wände sind nass und dreckig, halten sie mich fest. Keiner von ihnen spricht mit mir. Ich weiss nicht warum ich hier bin. Es gibt immer genug zu essen und ich werde auch nicht geschlagen. Ab und zu kommt ein Mann zu mir und schaut mich über Stunden an, spricht aber nicht mit mir. Ich bin verunsichert. Wie lange ich wohl schon hier bin? Auf einmal höre ich eine Stimme, ich zucke zusammen. Es kommt mir so vor, als hätte ich schon eine Ewigkeit keine andere Stimme mehr gehört. Meine höre ich oft, ich spreche den ganzen Tag mit mir selbst. Ich fühle mich einsam.
Ein alter Mann öffnet die Tür zu meinem Raum und tritt ein. Auch er schaut mich nur an. Aber es ist nicht so wie bei dem anderen. Dieser Mann, er grinst mich an und bewegt sich dabei von links nach rechts. Sein linkes Auge, es fehlt. Ein unheimlicher Mann. Nach geraumer Zeit verlässt auch er den Raum und schliesst die Tür hinter sich. Es wird wieder still. Ich mag diese Stille nicht. Ich höre nichts, gar nichts. An der rechten Wand, wenn man in der Tür steht, hat es einen Stein, der nicht in das Bild passt. Er ist anders. Leider kann ich nicht zu ihm, meine Hände sind zusammengebunden. Langsam bekomme ich Hunger und hoffe auf ein baldiges Essen.
Ich höre etwas. Leise Schritte kommen auf mich zu. Schritte wie von einem Kind, die vor meiner Tür enden. Wieder wird sie geöffnet und ein Junge, ich schätze ihn auf etwa elf Jahre, steht im Türrahmen. Er schaut mich an und macht einen Schritt auf mich zu. Er scheint nervös zu sein. Sein Blick wendet sich nicht von mir ab. Er schaut mich nicht an, nein, er gafft. In seinen Augen ist etwas Düsteres, Krankes zu sehen. Seine Hände sind nicht zu sehen, er hält sie hinter seinem Rücken versteckt. Er wippt mit seinen Füssen auf und ab, bleibt dabei aber stehen. Auch ich werde nervös und versuche, zum ersten Mal, mich von den Fesseln zu befreien. Erfolglos. Der Junge dreht sich um und geht wieder weg. Die Tür, sie wird nicht geschlossen. „Ja“, höre ich ihn sagen. Er kommt zurück. Die Tür, sie wird noch immer nicht geschlossen. Mit seiner rechten Hand greift er in seine Hosentasche und holt einen Schlüssel hervor. Einen Schlüssel, wie man ihn von Handschellen kennt. Ich werde befreit. Ich fühle Erleichterung in mir aufkommen. Der Junge macht einen Schritt auf mich zu und ich freue mich immer mehr. Bei jedem Schritt wächst die Hoffnung auf Freiheit. Wie lange war ich hier? Ich weiss es nicht.
Mit seinen kleinen, kalten Händen schliesst er meine Fesseln auf und lächelt mich an. „Du kannst gehen. Aber sag kein Wort, bis du draussen bist.“ Ohne zu zögern stehe ich auf und laufe zur Tür.
Meine Freude wächst, ich werde schneller. Auf eine komische Art fühle ich mich verfolgt. Mein Bauchgefühl sagt mir: „Schau zurück.“ Während ich auf dem Weg in die geglaubte Freiheit laufe, drehe ich mich um und sehe, wie der kleine Junge eine Waffe auf mich richtet. Meine Beine, sie bewegen sich schneller. Es breitet sich Panik aus in meinem Körper. Ich falle. Der Junge, er lacht und drückt ab.