Überall, wo ich nicht bin

"Geile Party gestern", oder auch: "Du wirst nicht glauben, was wir gestern Geiles erlebt haben." Solche Sprüche kamen immer dann, wenn ich mal Samstagabends nicht mit der alten Clique um die Häuser gezogen war. Ich dagegen fand unsere gemeinsamen Unternehmungen meist ziemlich dröge, selten mal richtig spaßig.
Dasselbe mit den Urlauben. Was die anderen in diesen Tagen immer erlebt hatten, dagegen waren die Reisen, bei denen ich dabei war, zwar meist recht erholsam und interessant, aber niemals aufregend.
Überall, wo ich nicht dabei war, schien es immer cooler, abenteuerlicher oder amüsanter zugegangen zu sein. Und auch heute noch führe ich ein insgesamt spiessiges Leben. Wo ich auch bin herrscht gähnende Langweile.
Deshalb wollte ich neulich einmal aus meinem gewohnten Leben ausbrechen und neue Pfade beschreiten. Also fuhr ich in die nächste Großstadt und strebte dort zielsicher das berüchtigte Rotlichtviertel an, wo ich mich bis zum nächsten Morgengrauen aufhielt.
Dreimal dürft ihr raten! Ja, der ganze Tag und die Nacht waren total öde. In den Bars, die ich besuchte, war kaum was los. Die Damen, die mich ansprachen, waren alt und behäbig. Und in der ganzen Zeit hörte ich nicht einmal mal ein Martinshorn.
Und was soll ich sagen ... Als ich am späten Vormittag zu Hause ankam, berichtete mir meine Nachbarin ganz aufgeregt von einem Überfall, auf die mir gegenüberliegende Sparkassenfiliale. Das volle Programm mit Geiselnahme und Schusswechsel mit der Polizei. Ganze Scharen von Reportern waren danach über meine Nachbarn hergefallen, um sie bis spät in die Nacht zu interviewen.
Ich schüttelte sie schnell ab, schloss meine Wohnungstür auf und ergab mich bis zum Ende meiner Tage in mein schnödes Leben.

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