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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2017 von Christine Todsen.
Veröffentlicht: 06.11.2017. Rubrik: Historisches


Klein-Grete und der Italiener

Das Folgende ist eine wahre Geschichte. Nur den Namen der kleinen Hauptperson habe ich geändert.

Die Begebenheit trug sich um 1890 herum in einer westdeutschen Kleinstadt zu, deren Namen ich verschweige. Grete (in Wirklichkeit hieß sie anders) war damals vielleicht sechs Jahre alt. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder lebte sie in einer Wohnung im ersten Stock eines Hauses. Ihr Vater war Lateinlehrer. Die Familie gehörte also, wenn man es so nennen will, zum Bildungsbürgertum.

Das 19. Jahrhundert hatte auch in jener Gegend zur Industrialisierung geführt, und so kam es, dass in dem Städtchen ein (1!) Italiener wohnte, der in einem Betrieb im Nachbarort arbeitete. Natürlich war er für alle Einheimischen ein Exot, auch für Grete.

Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass das Mädchen im Elternhaus irgendwelche rassistischen Äußerungen aufgeschnappt haben sollte. Eher auf dem Schulhof oder in der Nachbarschaft. Auf jeden Fall geschah eines Tages das Unfassbare: Klein-Grete begegnete auf der Straße dem Italiener, pflanzte sich vor ihm auf und rief aus vollem Hals: „Italia kaputt!“

Später konnte Grete nie sagen, was sie dazu getrieben hatte. Aber bis an ihr Lebensende – sie wurde fast neunzig – erinnerte sie sich an die folgenden Sekunden und Minuten. Als sich der in seinem Stolz tief getroffene Südländer zornentbrannt auf sie stürzen wollte, rannte sie, so schnell ihre Beinchen sie trugen, laut schreiend zu ihrem Haus und die Treppe hinauf zur Wohnung, wo glücklicherweise ihre Mutter sofort die Tür öffnete. Hinter ihr auf der Treppe folgte der Italiener!

Heulend warf sich die kleine Übeltäterin ihrer Mutter in die Arme. Der Mann berichtete dieser sodann voller Empörung, was geschehen war. Gretes Mutter bat ihn, er möge sich doch bitte beruhigen, er sähe doch, es sei ein KIND!

Wundersamerweise gelang es ihr schließlich, den Erzürnten zu besänftigen. Ob sie dem Töchterlein anschließend gehörig die Leviten gelesen hat, weiß ich leider nicht.

Aber eins vergaß Grete nie zu erwähnen, wenn sie als alte Frau diese Begebenheit aus ihrer Kindheit schilderte: „Als er später Urlaub in seiner Heimat machte, hat er uns von dort Weintrauben mitgebracht.“

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Ana_Lorenzoni am 24.01.2018:

Hallo! Mir hat Deine Geschichte gefallen. Mir ist selbst eine Situation aus meinem Leben bekannt, in der ich als Kind eine abfällige Bemerkung gemacht habe, die mir noch immer unangenehm ist....




geschrieben von Christine Todsen am 25.01.2018:

Hallo! Es freut mich, dass Dir meine Geschichte gefallen hat. Deine Bemerkung von damals braucht Dir aber nicht mehr unangenehm zu sein. So sind Kinder nun mal! Deshalb müssen sie ja auch erzogen werden!

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