Veröffentlicht: 15.01.2020. Rubrik: Fantastisches
VERLOREN
Es war ein Sommertag, wie er schöner nicht hätte seien können. Schweißgebadet erreichten wir in den frühen Abendstunden den idyllisch gelegenen See in dem kleinen Park am Rande der Stadt. Die Bäume warfen erste Schatten und ein leiser, angenehmer Wind strich über das Gras. Von guter Laune und Bratwurstgeruch empfangen lockerte sich der Druck. Aaah! Ich atmete tief ein. Augenblicklich ging es mir besser. Und während Sie zusammen mit ihren Freunden zum Baden Richtung See lief, ruhte ich mich ein wenig aus. Schließlich war auch ich mit den Jahren nicht jünger geworden. Es folgte ein ausgelassener Abend mit viel Alkohol und allem was dazu gehört. Irgendwann schlief ich ein. Ich weiß nicht ob es die absolute Stille oder die einkehrende Kälte war, die mich weit nach Mitternacht aufschrecken ließ. Verdattert sah ich mich um. Aber wo waren denn alle? Sie, die Anderen mit ihrem fröhlichen Gelächter, die romantische Gitarrenmusik und die wärmenden Lagerfeuer. Nichts und niemand war zu sehen.
Ich war allein!
Hatte Sie mich etwa vergessen oder schlief ich vielleicht noch und träumte? Das ekelhafte Lecken eines riesigen Hundes belehrte mich eines Besseren. Hoffentlich beißt er dich nicht, dachte ich gerade, als er auch schon weiterlief, immer mit der Nase am Boden. Die Dunkelheit war ich gewohnt, dass Alleinsein weniger. In der Ferne erblickte ich die Lichter der Stadt. Dort musste ich hin. Da ich den Weg kannte, lief ich sofort los. Nun ja, es war eher ein langsames Gehen. Genauer gesagt, ein Schleichen. Wenn ich ehrlich bin, ich kam überhaupt nicht von der Stelle. Krampfhaft versuchte ich die mir wohlbekannten Bewegungen nachzuvollziehen.
Anspannen - Abrollen - Entspannen. Anspannen - Abrollen - Entspannen.
Aber so sehr ich mich auch mühte, still ruhte der See und alles um ihn herum. Ein weiteres Mal schlief ich völlig entkräftet ein.
„Hey! Was machen Sie denn da? Der gehört mir!“, weckte mich eine aufgeregte Stimme.
Und obwohl ich in irgendetwas drin zustecken schien, hatte ich Sie sofort erkannt.
„Dann sollten sie das nächste Mal vielleicht doch etwas besser auf ihn achtgeben“, entgegnete eine mir unbekannte Person und zog mich wieder aus diesem stinkenden Etwas heraus. Überglücklich lief Sie auf uns zu und nahm mich in Empfang.
„Danke!“, sagte sie lächelnd, putzte mich ein wenig ab und wir gingen nach Hause.
„Und? Wo war er?“, fragte neugierig ihre Mutter als wir angekommen waren.
„Er war am See“, antwortete Sie.
„Das ist jetzt schon das zweite Mal, oder?“
„Ja, das stimmt! Aber damals war es der Linke!“
ENDE