Veröffentlicht: 17.12.2019. Rubrik: Total Verrücktes
Der Schreibwettbewerb
Der Chefredakteur der Zeitschrift war bekannt für die fantasievolle Themenauswahl seiner Schreibwettbewerbe. Zu gewinnen gab es dabei nichts; die Veröffentlichung der Siegergeschichte war Lohn genug.
Diesmal jedoch schien er sich selbst übertroffen zu haben. Die Aufgabe lautete:
Stellen Sie sich vor, Sie dürften einen ganzen Tag lang machen, was Sie wollen, so unmoralisch oder ungesetzlich es auch sei. Niemand würde Sie dafür bestrafen, und Sie hätten auch keinerlei andere Konsequenzen Ihres Tuns zu befürchten. Was täten Sie an diesem Tag? Schreiben Sie es uns! Ihre Anonymität wird strengstens gewahrt, auch wir selbst erfahren Ihre Identität nicht. Lediglich bitten wir darum, auf detaillierte pornografische oder blutrünstige Schilderungen zu verzichten und ggf. solche Dinge nur diskret anzudeuten. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften!
Bei Einsendeschluss lagen doppelt so viele Texte wie sonst vor. Meistens schmunzelnd, manchmal aber auch erschüttert lasen die Juroren, was ihre Mitmenschen so alles täten, wenn man sie nur ließe.
Das meiste davon hatten die Jurymitglieder erwartet, wohl weil sie selbst nicht frei von solchen Fantasien waren. Eine einzige Antwort jedoch machte sie sprachlos. Sie lautete:
Ich würde an jenem Tag morgens ins Büro gehen (zu Fuß, der Umwelt und meiner Gesundheit zuliebe), fleißig arbeiten, in der Mittagspause gesundheitsbewusst essen, zu allen freundlich sein, nach Büroschluss sofort nach Hause zurückkehren, den Rest des Tages harmonisch mit Ehefrau und Kindern verbringen, der Schwiegermutter behilflich sein und mit dem Hund aus dem Tierheim Gassi gehen.
Wer hatte das geschrieben? Obwohl die Jury versichert hatte, nicht einmal sie selbst würde die Identität der Teilnehmer erfahren, konnte sie ihre Neugier schließlich nicht mehr zügeln. Mittels ihrer detektivischen Fähigkeiten fand sie den Namen des Schreibers heraus, der alle diese Ungeheuerlichkeiten täte, wenn er nur dürfte. Er hieß… Satan!