Veröffentlicht: 25.11.2019. Rubrik: Fantastisches
Giesbert der Entbehrliche 2.Teil – Kleine Probleme
1.
Verdrossen stand Giesbert im Stall und striegelte das Pferd, das man Rosi nannte. Er hatte ja nun wirklich nicht gerade erwartet, dass Onkel Hilmar ihm zu Ehren ein Willkommensbankett veranstalten würde, aber das seine Dankbarkeit so dermaßen sparsam ausfiel, war nun doch ziemlich enttäuschend gewesen.
„Nicht übel, Giesbert, wer hätte das gedacht? Hier ist dein nächster Auftrag, viel Glück.“ Das war alles gewesen, was der Graf zu sagen hatte. Mit diesen Worten hatte Hilmar ihm ein zerknittertes Pergament in die Hand gedrückt, auf dem ein weiteres Himmelfahrtskommando für Giesbert geschrieben stand.
Das Pferd legte den Kopf sanft auf seine Schulter und schnaubte tröstend. Giesbert streichelte ihren Hals, als sich die Tür öffnete und Johann, einer der Stallburschen zwei große Wassereimer herein schleppte. Ächzend setzte er die Eimer ab und winkte Giesbert zu.
„ Hallo Johann, warum siehst du denn so traurig aus?“, erkundigte sich der Ritter.
„Ach, ich würde gern bei dem großen Burgfest in der nächsten Woche mit meiner Kapelle auftreten“, seufzte er verzagt.
„Das klingt doch toll, wo liegt denn das Problem?“, fragte Giesbert verwundert.
„Ich fürchte, wir sind nicht gut genug, weißt du? Mein Gesang ist wohl eher ein Krächzen und die anderen können gerade mal drei Akkorde auf ihren Lauten spielen. Wir haben einfach viel zu wenig Zeit zum üben, weil wir ständig nur arbeiten müssen. Und schicke Kleider können wir uns auch nicht leisten, weil wir so wenig verdienen. Das ist ganz schön ungerecht und frustrierend, kann ich dir sagen, Giesbert.“
„Dann sing doch einfach genau darüber und mach deinem Ärger Luft. Ich glaube, viele Leute haben solche Probleme und es wird ihnen sicher gefallen, wenn eine Kapelle diese Themen aufgreift. Vielleicht solltet ihr sogar in extra zerlumpten Kleidern und ausgelatschten Armeestiefeln auftreten“, meinte Giesbert überzeugt.
„Stimmt wahrscheinlich, aber wir sind ja zu allem Überfluss auch noch ganz lausige Tänzer. Ehrlich gesagt hüpfen wir immer nur wild herum. Gelegentlich fällt dabei auch mal jemand betrunken von der Bühne“, räumte der Stallbursche etwas beschämt ein.
„Also, das stelle ich mir eigentlich ganz lustig vor, vielleicht würde das Publikum es euch sogar gerne nachmachen“, versuchte Giesbert ihm Mut zuzusprechen.
„Vielleicht hast du recht, ich schlage es gleich den anderen vor. Danke, Giesbert!“ Johann nickte ihm lächelnd zu und lief schnell nach draußen.
Der Ritter wünschte Johann und seiner Kapelle von Herzen alles Gute, aber ob sie damit wirklich Erfolg haben könnten?
Er legte die Bürste beiseite und wuchtete den Sattel auf sein Pferd. Als er sein Gepäck verstaut und festgezurrt hatte, holte er den Feenspiegel hervor und fuhr so mit dem Finger darüber, wie Elli es ihm gezeigt hatte. Das Gesicht der Fee erschien und Giesbert überlegte kurz, ob sie nicht etwas blasser aussah, als sonst.
„Bist du bereit, Elli? Die Arbeit ruft und von mir aus können wir aufbrechen.“
„Mann Giesbert, nun zieh doch nicht so ein saures Gesicht, bist du etwa immer noch beleidigt, weil du keinen Triumphzug durch die Stadt bekommen hast?“, fragte Elli augenverdrehend.
„Ich wollte doch gar keinen Triumphzug, aber ein freundliches Schulterklopfen wäre schon ganz nett gewesen.“
„Lass es gut sein, wir haben das prima hinbekommen und uns wacker geschlagen. Das sollte uns doch wohl erst mal reichen, oder was meinst du?“, winkte die Spiegelfee ab.
„Na, ich weiß ja nicht. Soll ich dir mal erzählen, was unser nächster Auftrag ist?“
„Klar, lass mal hören“, schniefte Elli und zog die Nase hoch.
„Wir sollen ausgerechnet zu einem Dorf, dass ein Problem mit einer Hexe hat. Mir gefällt das ehrlich gesagt gar nicht. Bei meinem Glück, werde ich in einen Frosch verwandelt, oder in einen Backofen gesteckt. Bestimmt sogar beides auf einmal“, maulte Giesbert.
„Hmm, eine Hexe? Na ja, wir sind doch auch mit diesem verrückten Zauberer fertig geworden, dann werden wir es doch wohl mit einer schrumpligen Hexe aufnehmen.“ Die Spiegelfee hustete und wischte sich über die Stirn.
„Geht es dir nicht gut?“, fragte Giesbert besorgt.
„Ich fühle mich irgendwie krank und das beunruhigt mich ein Bisschen.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass ihr Spiegelfeen krank werden könnt.“
„Können wir eigentlich auch nicht, genau deshalb bin ich ja beunruhigt.“ Elli nieste erneut.
„Möchtest du lieber hier bleiben und dich ausruhen?“, fragte er fürsorglich, war aber sehr erleichtert als die Spiegelfee ein trotziges Gesicht machte und antwortete:
„Und mir den ganzen Spaß entgehen lassen, was? Auf ins Abenteuer!“
2.
Das Dorf war so dermaßen winzig, dass es nicht einmal für einen eigenen Namen gereicht hatte. Einfach zusammengezimmerte Hütten standen um einen staubigen Platz aus festgetretenem Lehm herum und es herrschte eine unheilvolle Stille, als Giesbert sein Pferd neben einer Tränke festband und sich misstrauisch umsah. Ellis Zustand hatte sich nicht gerade gebessert, aber die Fee hatte tapfer darauf bestanden beim Erreichen der kleinen Ortschaft geweckt zu werden. Mit geröteten Augen blickte sie aus ihrem Spiegel und wischte sich immer wieder den Schweiß von der Stirn, nachdem er mit einem Finger über das Glas gefahren war.
„Elli, ich mache mir Sorgen um dich, du siehst wirklich furchtbar aus.“
„Schönen Dank auch, Giesbert, aber ich halte schon durch. Wo sind denn die ganzen Leute, müsste hier nicht etwas mehr Betrieb sein?“ Ihre Stimme klang brüchig und ungewohnt kraftlos.
Wie zur Antwort öffnete sich polternd die Tür der größten Hütte und eine streng aussehende Matrone in einem übermäßig sittsamen Wollkleid steuerte gebieterischen Schrittes auf Giesbert und Elli zu. An der Hand hielt sie einen unglücklich drein blickenden Mann, der sich auf einen knorrigen Hirtenstab stützte. Der Stab wies ihn als den Dorfältesten aus. Nun kamen auch die übrigen Bewohner des Dorfes aus ihren Behausungen. Neugierig und aufgeregt versammelten sich die Bauern hinter dem Ältesten und seiner Frau.
„Schickt dich der Graf, wegen dieser verfluchten Hexe?“, ergriff die Frau grußlos das Wort und die Leute stimmten einen murrenden Chor an:
„Hexe, Hexe, Hexe!“
„Ja, darum bin ich hier. Was ist denn genau passiert?“, kam auch Giesbert ohne Umschweife direkt zu Sache, denn die feiste Bäuerin war ihm auf Anhieb unsympathisch.
„Dieses schreckliche Weib hat uns bestohlen. Zehn Säcke Mehl und mehr als Zwanzig Hühner sind in den letzten Tagen verschwunden. Wenn es so weitergeht werden wir im Winter hungern müssen.“
„Aber wozu sollte eine einzelne Frau so viel Mehl brauchen?“, wollte Giesbert skeptisch wissen.
„Was ist denn das für eine dumme Frage? Daraus backt sie sich natürlich ein Lebkuchenhaus um unschuldige Kinder anzulocken, ist doch klar.“
„Und die Hühner?“
„Na, was schon? Die opfert sie bei ihren unaussprechlich unanständigen Ritualen! Du kennst dich mit Hexen scheinbar nicht sonderlich gut aus, was?“
„Das kann schon sein, aber würdest du mir mal erklären, warum ihr diese Frau überhaupt für eine Hexe haltet?“
„Das ist doch wohl offensichtlich, oder? Sie wohnt in einer Hütte im Wald. Ganz allein!“, krakelte die Matrone und setzte ein selbstgefälliges Lächeln auf.
„Und nur weil sie allein in einer Hütte im Wald lebt, haltet ihr sie für eine Hexe?“, vergewisserte sich Giesbert, dem die Sache alles andere, als offensichtlich vorkam.
„Nein, nicht nur deshalb. Wir halten sie für eine Hexe, weil... sie eine Hexe ist!“, lautete die wenig überzeugende, aber voller Inbrunst vorgebrachte Antwort.
„Hexe, Hexe, Hexe!“, skandierten die Leute wieder aufgebracht.
„Kann dein Mann eigentlich nicht selber sprechen?“ Vielleicht war der Älteste ja vernünftiger, als seine Frau.
„Doch, eigentlich schon, aber diese gemeine Hexe hat ihn mit dem Fluch-Fluch belegt, darum schweigt er zur Zeit lieber.“
„Mit was für einem Fluch, bitte?“, runzelte Giesbert die Stirn.
„Giesbert, der Fluch-Fluch bewirkt, dass...“, flüsterte Elli mit dünner Stimme, aber nun ergriff der Älteste doch noch selbst das Wort.
„Es tut mir wirklich sehr leid, du verlauste Nachgeburt einer syphilitisch stinkenden Hündin, aber ich bin leider nicht mehr der verdammte Herr meiner verrotteten Zunge, verstehst du nun was mein scheiß Problem ist...,du dreckig verkommener Hurensohn?“
„Der Fluch lässt...“,setzte die geschwächte Spiegelfee nochmal zu einer Erklärung an.
„Schon gut, Elli, hab´s begriffen, glaube ich“, flüsterte Giesbert tonlos, während der traurige Mann ihn entschuldigend anblickte und hilflos die Schultern hob.
„Und das hat wirklich diese..., diese Hexe getan?“ Der Ritter fühlte eine seltsame Mischung aus heiterer Belustigung und kalter Furcht in sich aufsteigen.
„Hexe, Hexe, Hexe!“, ertönte es schon wieder aus der Menge.
„Ja, völlig grundlos hat sie meinem armen Mann das angetan, als wir mit ihr über die gestohlenen Lebensmittel reden wollten.“
„Ihr habt also versucht mit ihr zu reden?“ Das überraschte Giesbert nun doch.
„Natürlich, wir sind alle gemeinsam zu ihrer Hütte gegangen und haben ganz vernünftig versucht mit ihr über die verschwundenen Vorräte zu sprechen“, beteuerte die Frau des Dorfältesten, aber beim Blick in die hasserfüllten Gesichter der Dorfgemeinschaft schwante Giesbert etwas anderes.
„Sag mal, spielten bei diesem ganz vernünftigen Versuch, ein Gespräch mit ihr zu führen zufällig eine Menge Mistgabeln und brennende Fackeln eine tragende Rolle?“, erkundigte er sich gespielt beiläufig.
„Selbstverständlich, denn schließlich ist sie ja eine Hexe“, antwortete die Gemahlin des Dorfältesten leichthin und Giesbert nickte grimmig. Von solchen Vorfällen durch „verantwortungsbewusste Bürger“ hatte er schon mehr als nur einmal gehört.
„Hexe, Hexe, Hexe!“, schallte es wieder über den Dorfplatz.
„Und da hat sie deinem Gatten diesen Fluch verpasst um euch zu vertreiben?“
„Ja, das hat sie. Diese verdammte Hexe!“
„Hexe, Hex...“ Giesbert blickte die Dorfbewohner so dermaßen genervt an, dass sie tatsächlich verstummten und er sogar ein kleines bisschen stolz auf sich war.
Einen Moment lang schwieg der Ritter und überlegte, was er nun tun sollte, denn hier käme er nicht weiter. Schließlich sog er scharf die Luft ein und straffte sich.
„Ich werde jetzt zu dieser angeblichen Hexe...“
„He...“, setzten die Leute an, überlegten es sich aber ganz schnell anders, als sie Giesberts Gesichtsausdruck sahen.
„... gehen und mir anhören, was sie zu euren Vorwürfen zu sagen hat.“, beendete er den Satz und versuchte dabei möglichst selbstbewusst zu klingen. Tatsächlich war ihm aber äußerst mulmig zumute, als er sich schließlich wieder in den Sattel schwang und den Dorfplatz hinter sich ließ.
3.
Das Pferd, das man Rosi nannte trabte rasch über den Waldweg zum Haus der Hexe. Während des gesamten Weges hatte Giesbert das Gefühl beobachtet zu werden, konnte aber keine Verfolger zwischen den Bäumen ausmachen. Bald erreichte er den Rand einer kleinen Lichtung auf der eine efeuumrankte Hütte stand. Er stieg ab und zog den Feenspiegel aus seiner Hosentasche. Giesbert zeichnete mit dem Finger Ellis Zeichen auf das Glas und erschrak. Die Fee war nur noch durchscheinend zu erkennen und atmete schwer. Mit halb geöffneten Augen sah sie ihn an und wollte etwas sagen, aber brach den Versuch mit einem leisen Ächzen ab und ihr Bild verschwand wieder.
Giesbert starrte entsetzt auf den Spiegel, als plötzlich hinter ihm eine Stimme erklang.
„Du möchtest zu mir?“ Er schluckte trocken und drehte sich langsam herum. Einige Schritte von ihm entfernt stand eine junge Frau. Sie trug ein bunt gemustertes Kleid und ein grünes Stirnband bändigte ihr langes rotes Haar. Ihr Blick war nicht feindselig, aber ihr schlanker Körper wirkte deutlich angespannt.
„Ich denke schon. Bist du die...?“, Giesbert stockte, denn es fiel ihm schwer das Wort auszusprechen. Ihr scheinbar nicht:
„Die Hexe? Ja, das bin dann wohl ich.“ Sie lächelte bitter.
„Ja, dann möchte ich wohl wirklich zu dir.“
„Ich weiß. Du suchst dieses schreckliche Weib, dass Lebkuchenhäuser backt um Kinder anzulocken und unaussprechlich unanständige Rituale abhält, nicht wahr?“
„Woher weißt du...?“, fragte Giesbert überrascht.
„Ich bin eine Hexe, schon vergessen? Ich habe meine Augen überall.“ Sie deutete auf eine Eiche am Rand der Lichtung. Giebert erkannte auf einem der unteren Äste einen Raben. Das Tier ließ ihn nicht aus den Augen.
„Du hast mich die ganze Zeit beobachtet?“
„Seit du in das Dorf gekommen bist, ja. Ich heiße übrigens Klara.“
„Giesbert. Und das hier ist Elli, aber...“, er hob ratlos den Spiegel in die Höhe.
„Ist das ein Feenspiegel?“, fragte sie verwundert.
„Ja, kennst du dich damit aus? Meine Spiegelfee ist sehr krank“, hilflos sah er Klara an. Die Hexe schien kurz unschlüssig zu sein, trat dann aber neben ihn und griff nach dem Spiegel. Sie legte ihre Hand darauf und kurz erschien das transparente Bild der nahezu bewusstlosen Elli. Klara atmete scharf ein, fasste Giesbert dann am Handgelenk und zog ihn sanft, aber zügig zu ihrer Hütte.
„Warte hier“, bat sie Giesbert und deutete auf eine Bank neben der Tür. Sie ging hinein und er hörte sie Schränke öffnen und Schubladen durchwühlen. Er setzte sich hin und einen kurzen Moment später trat die Hexe wieder ins Freie. Sie setzte sich ans andere Ende der Bank und stellte eine flache Schüssel zwischen sich und den Ritter.
Erst legte sie den Spiegel in die Schüssel, dann goss sie Wasser darüber und streute ein Pulver aus einem kleinen Beutel hinein. Die Oberfläche kräuselte sich kurz und einige Bläschen stieg auf, aber dann beruhigte sich das Wasser wieder und nahm eine bläuliche Färbung an. Klara berührte es sachte mit ihren Fingerspitzen und plötzlich war Elli darin zu sehen. Verkrampft und mit schmerzverzerrtem Gesicht lag sie da und ein ungesund grünes Leuchten ging von ihr aus. Die Hexe murmelte in einer fremden Sprache vor sich hin und schien mit ihren sanften Berührungen kleine Symbole in das Wasser zu zeichnen. Giesbert wagte es nicht, sie zu stören und sah ihr fasziniert zu.
Er konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, aber das grüne Leuchten ließ nach und die Spiegelfee schien sich langsam zu entspannen. Schließlich war das unheimliche Licht völlig verschwunden. Elli schlief tief ein und ihr Atem ging regelmäßig. Klara seufzte erleichtert auf und wischte noch einmal über die Oberfläche. Ellis Abbild verschwand und das Wasser in der Schüssel wurde wieder kristallklar. Vorsichtig hob sie den Spiegel heraus, legte noch einige getrocknete Blüten darauf und wickelte ihn fest in einen blauen Schal.
Sie gab Giesbert das Päckchen und fragte:
„Wo hat sich diese kleine Fee denn herumgetrieben?“
„Ich weiß nicht, was du meinst. Ich kenne Elli noch nicht so lange und verstehe nichts von Magie“, antwortete Giesbert und kam sich dumm dabei vor.
„Auf den wirren Wegen der Welt gibt es viele finstere und gefährliche Orte, die eine Spiegelfee besser meiden sollte, denn ansonsten passiert genau so etwas.“ Klara wies auf den Spiegel, den Giesbert fürsorglich in den Händen hielt, während er angestrengt nachdachte.
„Sie ist vor einigen Tagen in den Kessel eines verrückten Zauberers eingedrungen. Ist das einer dieser Orte, die du meinst?“
„Das kann es gewesen sein, ja. Was hatte sie überhaupt dort zu suchen? Diese Spiegelfeen wissen doch wohl am besten, wie schrecklich gefährlich so etwas ist.“ Die Hexe schüttelte verständnislos den Kopf und Giesbert blickte dankbar auf den Spiegel.
„Sie hat mir damit das Leben gerettet, denn sonst wäre ich wohl gefressen worden von diesen... lassen wir das.“ Es war ihm peinlich zu berichten, dass eine Fee ihn erst vor einer Horde Kaninchen retten musste und dafür jetzt vielleicht auch noch mit dem Leben bezahlte.
„Keine Sorge, Giesbert, ich denke sie wird wieder gesund, aber sie braucht nun viel Ruhe.“
„Ich danke dir, ohne deine Hilfe wäre Elli bestimmt...“ Er brach ab und Klara klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Du bist anders, als die Ritter, die ich bis jetzt kennengelernt habe, oder irre ich mich da?“, fragte sie nachdenklich.
„Also, um ehrlich zu sein... eigentlich bin ich gar kein richtiger Ritter. Ich bin da lediglich so reingeschlittert, könnte man wohl sagen. Allerdings habe ich mir eine Hexe auch immer anders vorgestellt, als dich.“ Er grinste verlegen und Klara lachte.
„Die meisten Menschen haben eine völlig falsche Vorstellung von uns Hexen.“
„Das ist bestimmt nicht leicht für dich, oder?“
„Ich bin die erste, die man um Hilfe bittet, wenn eine Kuh krank wird, aber ich bin auch die erste, die man verbrennen will, wenn eine Kuh stirbt. So ist das bei uns Hexen nun mal“, zuckte sie gleichmütig mit den Schultern.
„Aber trotzdem hilfst du diesen Leuten, wenn du es kannst?“
„Natürlich. Nur die wenigsten Menschen sind wirklich dumm, oder bösartig, weißt du?“
„Da hatte ich vorhin im Dorf aber einen etwas anderen Eindruck, muss ich zugeben“, brummte Giesbert und Klara deutete lächelnd in Richtung einiger Bienen, die auf der Lichtung herumsummten.
„Siehst du die Bienen dort? Eine einzelne Biene ist vielleicht nicht gerade beeindruckend, oder sonderlich schlau, aber ein ganzer Schwarm von ihnen verhält sich sehr klug und vollbringt bewundernswerte Dinge.“
„Und was hat das mit den Menschen zu tun?“, wollte Giesbert verwundert wissen.
„Eigentlich gar nichts, denn bei denen ist es meistens genau umgekehrt“, lächelte Klara ironisch.
Der Ritter dachte einen Moment darüber nach und musste ihr zustimmen. Er glaubte nicht, dass an den Vorwürfen der Dorfbewohner etwas dran war und hätte Klara gern geholfen sie zu entkräften.
„Diese Anschuldigungen gegen dich, die stimmen doch nicht, oder?“, fragte er vorsichtig.
„Na ja, der Fluch-Fluch geht schon auf meine Kappe. Ich musste die wilde Meute ja schließlich irgendwie vertreiben, sonst hätten sie wahrscheinlich mein Haus angezündet.“
„Aber die Vorräte...“
„Nein, ich habe diese Vorräte natürlich nicht aus dem Dorf gestohlen.“ Klara schüttelte wütend ihren roten Schopf, aber da war noch etwas anderes, das sah Giesbert ihr an.
„Aber du weißt, wer es war, oder?“, schoss er ins blaue und Klara blickte unsicher auf ihre Knie.
„Ich habe ihnen gesagt, dass es Ärger geben wird, aber sie hatten doch keine andere Wahl“, flüsterte sie traurig zu sich selbst.
„Von wem redest du?“, fragte er verwirrt.
Die Hexe antwortete nicht, sondern hob den Blick und sah ihn durchdringend an. Plötzlich fröstelte Giesbert, aber gleichzeitig war da auch etwas warmes, etwas tastendes. Er erschrak, aber als sich ihre Blicke trafen, verstand er zu seiner eigenen Verwunderung, was hier gerade passierte. Die Hexe sah ihn nicht einfach nur an, sie... sah ihn. Machte sich ein Bild von ihm, um einen Entschluss fassen zu können. Genauso unvermittelt, wie es begonnen hatte, war es auch wieder vorbei. Noch während Giesbert überlegte, was sie wohl gesehen hatte, stand Klara auf. Sie hatte offenbar eine Entscheidung getroffen und nickte ihm entschlossen zu.
„Komm mit.“
4.
Giesbert schritt neben Klara durch den dichten Wald. Die Hexe war auf ihrem Weg schweigsam gewesen, aber nun zeigte sie auf einige Büsche, die wild vor einer Felswand wucherten und sagte:
„Hier ist es, wir sind da.“
„Meinst du nicht auch, es wäre besser, wenn du den Dorfältesten von diesem Fluch-Fluch befreien würdest, bevor du mir... was auch immer zeigst? Ich kann mir zwar vorstellen, dass so etwas enorm aufwändig ist und furchtbar viel Kraft erfordert, aber es wäre sicherlich ein gutes Signal und stimmt die Dorfbewohner wieder etwas friedlicher.“ Klara hob einen kleinen Zweig vom Boden auf, flüsterte ein einzelnes Wort und zerbrach ihn. Sie warf die beiden Hälften über ihre Schultern.
„Ist erledigt“, nickte sie.
„Irgendwie habe ich mir das mit der Magie immer etwas komplizierter vorgestellt“, kommentierte Giesbert mit hochgezogenen Brauen.
„Es tut mir wirklich schrecklich leid, dich da enttäuschen zu müssen, Giesbert“, grinste Klara, wurde dann aber sofort wieder ernst.
„Wir müssen hier rein.“ Sie schob das dichte Gestrüpp beiseite und der schmale Eingang einer Höhle wurde sichtbar. Klara schlüpfte hinein und Giesbert folgte ihr. Nach einigen Metern verbreiterte sich der Gang etwas und die Hexe zog eine kleine gläserne Kugel hervor, die ein sanftes Licht verströmte. Nach einigen Schritten blieb sie stehen. Giesbert trat neben sie und lauschte in die Dunkelheit. Ein eigenartiges Trippeln und Trappeln war zu hören und er ahnte Bewegung in der Finsternis. Eine ganze Menge Bewegung, sogar. Im nächsten Augenblick erlangte der Ritter zwei neue Erkenntnisse:
Erstens: Es war ein absolut unschönes Gefühl, wenn sich ungefähr fünfundzwanzig Speere auf einen richteten.
Zweitens: Die Tatsache, dass diese Speere sehr klein waren, machte das Ganze auch nur geringfügig besser.
Giesbert blickte überrascht auf die kleinen Gestalten, die aus den Schatten auftauchten und sich kampflustig vor ihnen aufbauten. Keiner von ihnen war größer als eine eine Handspanne. Eine... kleine Handspanne. Ihre drahtigen Körper steckten in Rüstungen aus braunem Leder und unter sehr hohen, kegelförmigen Helmen quoll struppiges schwarzes Haar hervor, das wild in alle Richtungen stand.
Klara hob beschwichtigend ihre Hände und einer der kleinen Krieger trat vor.
„Also, du bist uns natürlich jederzeit herzlich willkommen, Hexe, aber wer ist dieser Kerl da?“, verlangte der Wicht zu wissen. Er hatte einen langen Bart und schien der Anführer der kleinen Truppe zu sein.
„Das ist Giesbert. Er ist ein Freund und vielleicht kann er dir und deinen Leuten helfen, gnadenloser Gunther.“
Misstrauisch beäugte der Angesprochene den Ritter, nickte dann aber und umringt von den finster dreinblickenden Wichten wurden sie in eine geräumige Höhle geführt, in der sich noch mehr von den kleinen Gestalten aufhielten. Wesentlich mehr, sogar. Um ihn herum herrschte eine hektische Betriebsamkeit, als sich sich der Ritter mit großen Augen umsah. Jetzt erkannte er auch, dass etliche der Wichte verletzt waren. Viele Männer, Frauen und auch Kinder trugen Verbände. An den Rändern der Höhle lagen die, die es scheinbar noch schwerer erwischt hatte, auf improvisierten Lagern. Sie wurden von hektisch zwischen ihnen umher hetzenden Wichten versorgt und gepflegt.
„Klara, was ist das hier?“ Giesbert blickte sich ungläubig um und schluckte angesichts dieses Elends.
„Sie sind vor einigen Tagen plötzlich hier aufgetaucht. Ich suche in diesen Höhlen oft nach Pilzen, oder Flechten und bin dabei fast auf den gnadenlosen Gunther getreten. Er hat mir erzählt, dass ihre Stadt überfallen wurde und sie fliehen mussten. Ich habe getan, was ich konnte um ihnen zu helfen, aber du siehst ja selber, wie viele es sind. Deshalb musste sich auch eine Gruppe von ihnen ins Dorf schleichen und die Vorräte stehlen.“ Einige Wichte rollten Hühnereier zu einer dampfenden Kochstelle und eine große Gruppe wuchtete mit lautem „Hau ruck!“ einen der gestohlenen Mehlsäcke herum.
Der Anführer gab seinen Männern ein Zeichen und die Gruppe blieb stehen.
„Setzt euch, bitte“, sagte er müde und deutete mit einer weit ausholenden Geste auf den Boden. Klara ließ sich vorsichtig nieder, um nicht versehentlich einen der Wichte zu zerquetschen und Giesbert tat es ihr nach. Die kleinen Krieger setzten sich ebenfalls und beobachteten ihn weiterhin misstrauisch. Er hatte plötzlich das Gefühl etwas sagen zu müssen.
„Mein Name ist Giesbert und ich bin... so eine Art Ritter des Grafen. Eigentlich wurde ich ausgeschickt, um mich um eine diebische Hexe zu kümmern.“ Er blickte entschuldigend zu Klara.
„Können wir diesem Menschen wirklich trauen?“, wandte sich der Häuptling an sie.
„Er ist in Ordnung, Gunther, glaub mir“, beteuerte Klara und der Wichtel nickte mürrisch.
„Dein Wort reicht mir, denn wenn du nicht gewesen wärst hätten wir noch viel mehr unserer Brüder und Schwestern verloren.“
„Was ist euch denn passiert?“, ergriff nun Giesbert das Wort.
„Es begann schon vor einigen Wochen. Da tauchte plötzlich ein seltsamer Mensch in unserer Stadt auf und machte uns ein lächerliches und beleidigendes Angebot.“
„Was wollte er?“, runzelte Giesbert die Stirn.
„Er fragte uns, ob wir einige der Relikte unseres Stammesgründers, des harten Horsts, an ihn verkaufen würden.“
„Des harten...?“
„Der harte Horst war mein Ur-Ur-Ur-Urgroßvater und der Gründer unseres Stammes. Ein schändlicher Verrat zwang ihn damals aus seiner Heimat zu fliehen und sich in diesem Landstrich niederzulassen.“
„Was sind das denn für Relikte, von denen du da sprichst?“
„Er war der größte Krieger unseres Volkes, weißt du? Horst und seine wenigen Getreuen erforschten unweit von hier einige Höhlen und stießen dabei auf einen boshaften Drachen. Die Bestie griff sie an, aber mein Vorfahr besiegte das Monster in einem heldenhaften Kampf und gründete daraufhin unsere Stadt. Der Schädel der verdammten Echse liegt bis heute in unserer Schatzkammer und ist das größte Heiligtum meines Stammes.“
„Also habt ihr diesem Mann nichts verkauft?“, fragte Giesbert und versuchte sich vorzustellen, wie ein solcher Wicht einen Drachen besiegt haben könnte.
„Natürlich nicht! Dieser Drachenschädel ist unser Symbol dafür, dass auch ein kleiner Wicht die größten Taten vollbringen kann und es nichts auf der Welt gibt, wovor er sich fürchten müsste!“ Der gnadenlose Gunther warf sich in die Brust und die anderen Wichte nickten beifällig.
„Und was passierte dann?“
„Er zog laut fluchend und zeternd ab, aber vor wenigen Tagen tauchte er dann erneut auf. Diesmal hatte er... eine Armee dabei. Sie waren in der Überzahl und fielen gnadenlos über uns her. Wir haben zahllose von ihnen erschlagen, aber der Strom dieser teuflischen Streitmacht riss einfach nicht ab. Wir wurden überrannt und mussten hierher fliehen.“ Gunther und seine Leute blickten beschämt zu Boden. Die Erwähnung des Drachenschädels hatte Giesbert nachdenklich gemacht.
„Dieser Armee... das waren verzauberte Kaninchen, oder?“
„Ja, woher weißt du das?“ Der gnadenlose Gunther schaute argwöhnisch zu ihm hoch.
„Kaninchen?“ Klara blickte fragend in die Runde und auch Giesbert schämte sich jetzt ein wenig vor der Hexe, fuhr dann aber fort:
„Ja, ich hatte kürzlich auch mit ihnen zu tun. Ohne die Hilfe meiner Spiegelfee hätte ich keine Chance gegen sie gehabt. Der verrückte Kerl ist ein Zauberer namens Baalstett. Elli hat herausgefunden, dass er einen mächtigen Dämonen herbeirufen will und dafür fehlen ihm nur noch einige Drachenzähne. Ich muss diesen Wahnsinnigen unbedingt aufhalten.“
„Der Schädel liegt sicher verwahrt in unserer Schatzkammer, da kommt er nicht so schnell dran, aber wir sollten uns wohl besser beeilen.“
„Heißt das etwa, ihr werdet gemeinsam mit mir kämpfen?“
„Das fragst du noch? Wir sind die Nachfahren vom harten Horst! Natürlich werden wir kämpfen, das sind wir unserem Ahnen schuldig!“ Der gnadenlose Gunther stieß eine winzige Faust in die Luft und wildes Gebrüll erklang aus den Reihen seiner Leute. Er schritt daran entlang und wählte einige für eine Streitmacht aus.
„Kriegerischer Klaus, erbarmungsloser Erwin, unbesiegbarer Uwe, martialischer Matthias, niedermetzelnder Norbert, maskuliner Markus, berserkerhafter Bertram...“, so ging es noch eine ganze Weile weiter und Giesbert flüsterte Klara zu:
„Sag mal, diese seltsamen Namen und diese übertrieben großen Helme, das ist doch irgendwie...?“
„Das Wort, nach dem du suchst, lautet Kompensation, denke ich“, feixte die Hexe.
„Wirst du uns helfen?“, fragte Giesbert. Das Gebrüll verebbte langsam und Klara bemerkte, dass auch viele der kleinen Krieger sie erwartungsvoll ansahen. Die Hexe lächelte grimmig.
„Kämpfen wir!“
Erneut jubelten die Wichte. Unvermittelt ertönte plötzlich aus Giesberts Hosentasche ein helles Bimmeln.
„Was ist das für ein seltsames Geräusch?“, fragte der gnadenlose Gunther alarmiert. Giesbert atmete erleichtert auf und zog den Feenspiegel hervor.
„Ich glaube, unsere kleine Armee ist gerade noch weiter gewachsen.“
5.
Klara und Giesbert stiegen den Hügel hinauf, den der gnadenlose Gunther ihnen beschrieben hatte. Sie würden zuerst in die Höhlen der Wichte vordringen, während die kleingewachsenen Krieger durch ein weitverzweigtes Tunnelsystem kamen und ihren Angriff aus der entgegengesetzten Richtung starteten. Elli schien tatsächlich wieder wohlauf zu sein und Giesbert erzählte ihr auf dem Weg von den jüngsten Ereignissen.
„Du hast eine schrumpelige Hexe an mir herumzaubern lassen? Giesbert, das kann doch wohl nicht dein Ernst sein! Und wer bist du überhaupt?“, die aufgeregte Spiegelfee blickte fragend zu Klara.
„Das ist...“, wollte Giesbert sie einander vorstellen, aber Klara übernahm das lieber selbst.
„Ich bin die schrumpelige Hexe.“ Sie verbeugte sich lächelnd.
„....Klara. Sie hat übrigens dein Leben gerettet, Elli.“
„Oh, entschuldige, bitte. Und... vielen Dank, Klara.“ Elli lief rot an und blickte verschämt zu der Hexe auf.
„Giesbert hat mir erzählt, was du für ihn getan hast. Ganz schön mutig, muss ich sagen“, lobte die Hexe anerkennend.
„Ach, das war doch...“, winkte die Spiegelfee bescheiden ab.
„Gefählich. Das war es. Sehr gefährlich, sogar. Darf ich mal?“ Klara nahm Giesbert den Spiegel aus der Hand und fuhr mit dem Zeigefinger darüber.
„He, was machst du da?“, fragte Elli besorgt, aber plötzlich machte es leise „Pling“ und sie trug eine Halskette mit einem Anhänger in der Form eines Schildes. Noch während die Fee erfreut auf das Schmuckstück herunter sah, machte es erneut „Pling“ und in ihrer Hand erschien ein kurzes, blau schimmerndes Schwert.
„Schutzrunen, damit so etwas nicht nochmal passiert“, erklärte Klara und gab Giesbert den Spiegel zurück. Elli sprang wild umher und schwang begeistert ihre Waffe.
„Danke, Klara. Hu! Ha! Hi! Nimm das, du fieser Zauberer!“
„Wir sind gleich da. Hast du zufällig auch ein paar Schutzrunen für uns? Diese Kaninchen sind wirklich schreckliche Gegner.“
„Nicht direkt, aber ich habe...“ Im Dickicht vor ihnen knackte es. Starr vor Schreck sah er fünf ausgewachsene Wölfe auf den Pfad treten. Klara legte ihm beruhigend ihre Hand auf die Schulter.
„Ich dachte, wir könnten vielleicht Unterstützung brauchen.“ Sie ging in die Hocke und der größte Wolf lief schwanzwedelnd zu ihr. Sanft streichelte sie den Kopf des Tieres und Giesbert glaubte kurz einen blauen Schimmer zu sehen. Der Wolf leckte Klaras Hand und gesellte sich dann wieder zu seinen Artgenossen.
„Beeindruckend“, flüsterte Giesbert.
Der Ritter spähte angestrengt zum dunklen Eingang der Höhle, aber alles wirkte ruhig und friedlich.
„Nichts zu sehen“, sagte er nachdenklich. Elli betrat die wirren Wege der Welt und erschien Sekunden später wieder im Feenspiegel.
„Nichts zu sehen? Von wegen, Giesbert! Alles hier vibriert förmlich vor Magie. Da drinnen geht etwas gewaltiges vor sich.“
„Ja, ich spüre es auch.“ Klara schob die Ärmel ihres Kleides zurück und Giesbert sah deutlich die Gänsehaut auf ihren Unterarmen. Er schloss die Augen und atmete tief durch.
Die Wölfe bildeten die Vorhut. Giesbert sah sie mit gefletschten Zähnen in die Höhle springen und folgte ihnen eilig. Elli hob ihr kleines Schwert und tauchte mit einem grimmigen Gesichtsausdruck wieder in die wirren Wege ab. Klara zeichnete ein kompliziertes Muster in die Luft und stürmte ebenfalls los.
Die ersten dreißig Meter des dunklen Ganges hörte Giesbert nur das Schnüffeln und Knurren der Wölfe, aber als er eine von Fackeln beleuchtete Halle erreichte, sah er die Kaninchen. Die bösartigen Monster strömten aus mehren Löchern im Boden und gingen sofort zum Angriff über.
Die Wölfe stürzten sich furchtlos auf ihre Gegner. Einer von ihnen verbiss sich gerade in den pelzigen Nacken eines Feindes, als zwei weitere von hinten auf ihn sprangen und ihre Zähne tief in seinen Rücken schlugen. Giesbert versetzte einem heranstürmenden Kaninchen einen Tritt und es schlug hart gegen die Felswand, was dem Ritter Gelegenheit gab, dem verzweifelt kämpfenden Wolf beizustehen. Er packte beide Monster bei den Löffeln und warf sie in Richtung ihres Kameraden. Klara tauchte neben ihnen auf und hob beide Hände zur Decke. Kleine Felsbrocken fielen zu Boden, gefolgt von einer ganzer Ladung Geröll, das die kleinen Bestien unter sich begrub. Der Wolf kläffte dankbar und warf sich sofort den nächsten Feinden entgegen. Immer mehr von ihnen sprangen aus den Löchern. Giesbert und die Wölfe gerieten zunehmend in Bedrängnis. Er stach und schlug verzweifelt nach den kleinen Bestien, als ein wildes Johlen erklang und der gnadenlose Gunther mit seinen Männern aus einem Gang stürmte.
Elli starrte auf das Chaos von magischen Strömungen, die durch die Höhle waberten. Auf den wirren Wegen der Welt war alles völlig außer Kontrolle geraten. Sie versuchte die vielen bunten Pfade und Verbindungen zu durchschauen. Besonders bedrohlich erschienen ihr einige Zugänge im Boden, die über giftgrüne Blitze mit sehr starker Magie versorgt wurden.
Einer schnellen Handbewegung von Klara folgte ein kräftiger Windstoß und mehrere dämonische Kaninchen segelten durch die Luft. Sie landeten unsanft bei den anrückenden Wichten und sprangen sofort auf, um erneut anzugreifen. Zwei kleine Krieger, der hammerschwingende Harald und der mörderische Moritz, hechteten vor und machten ihren Namen alle Ehre. Auch die anderen Wichte stürzten sich nun mit lautem Gebrüll auf die Gegner. Klara verschaffte sich mit einem blauen Blitz etwas Luft und stimmte einen leisen Gesang an.
Gunther und seine Leute hieben mit ihren Waffen um sich und erledigten einen flauschigen Feind nach dem anderen. Er duckte sich unter dem Hieb eines Kaninchens weg und versenkte seine Axt im Schädel eines anderen, während der todesmutige Thorsten seine Keule schwang und ihm den Rücken frei hielt. Dennoch wurde die Lage immer bedrohlicher und es schienen für jedes erschlagene Kaninchenmonster zwei weitere aus dem Boden zu springen.
Besonders in einem hinteren Teil der Höhle schien eine furchtbar starke Magie zu wüten. Mit ihrem Schwert durchtrennte Elli die magischen Verbindungen zu den Bodenlöchern und unterbrach damit den Nachschub der Kaninchenmonster, aber es war bereits zu spät. Die Anzahl der Feinde war erdrückend.
Giesbert wurde von der langohrigen Übermacht in eine Ecke gedrängt und gerade als die Monster zum tödlichen Angriff ansetzten, hielten sie inne und hoppelten aufgeregt fiepend davon. Auch die Wichte waren plötzlich unterbeschäftigt und sahen irritiert zu, wie die teuflischen Kaninchen sich in der Mitte der Höhle sammelten.
Von Klaras Händen führten feine Lichtstrahlen zu einer riesigen Karotte, die geisterhaft in der Luft schwebte und die Kaninchenmonster, im wahrsten Sinne des Wortes, magisch anzuziehen schien. Die Hexe bewegte sich langsam auf Giesbert und die Wichte zu und auch die Wölfe zogen sich misstrauisch knurrend von dem unheimlichen Wurzelgemüse zurück.
Als sich alle Kaninchen gierig und schmatzend um die Karotte versammelt hatten, fing sie an bedrohlich zu pulsieren und glühte rot auf. Klara fuhr herum und sprintete los.
„Geht in Deckung!“, schrie sie und ihre Kampfgefährten ließen sich das nicht zwei mal sagen. Alle warfen sich flach auf den Boden und die Karotte explodierte in einem alles auslöschenden Feuerball, der die versammelten Kaninchenmonster wie Seifenblasen zerplatzen ließ.
Noch ganz außer Atem, erschien Elli wieder in ihrem Spiegel und rief aufgeregt:
„Da hinten geht etwas wirklich schlimmes vor sich!“
„Der verfluchte Zauberer ist schon in der Schatzkammer. Los, schnell!“, grollte der gnadenlose Gunther und jeder, egal ob Mensch, Fee, Wicht, oder Wolf, setzte sich entschlossen in Bewegung.
6.
Mit Schrecken mussten die Kämpfer feststellen, dass die Kaninchen sich mit bemerkenswerter Geschwindigkeit durch den massiven Fels gegraben hatten und eine großer Durchgang zur Schatzkammer entstanden war. Ein eiskalter und nach Schwefel stinkender Luftzug schlug ihnen daraus entgegen. Sie machten sich gerade bereit zum Angriff, als hinter ihnen kratzende Geräusche ertönten und sich eine neue Flut von blutgierigen Kaninchen aus der Höhlendecke ergoss.
„Männer, haltet diese verdammten Viecher auf, wir kümmern uns um den Verrückten in der Schatzkammer“, bellte der gnadenlose Gunther und die Wichte stürzten sich mit wildem Geschrei in die Schlacht. Einige von ihnen kletterten sogar schnell und behände auf die Rücken der Wölfe und jauchzten begeistert, als die Tiere mit gebleckten Zähnen dem Feind entgegen sprangen. Elli veschwand aus ihrem Spiegel und gefolgt vom gnadenlosen Gunther und der Hexe, rannte Giesbert durch das Loch in die Schatzkammer.
Elli verlor kurz die Orientierung, als sie den dunklen und schier endlos wirkenden Tunnel erblickte, der über dem Schatz der Wichte schwebte. Ein unheimlich pulsierendes Licht sickerte daraus hervor und die Spiegelfee spürte, dass sich etwas uraltes und böses hinter dieser Pforte regte. Eine so starke Magie hatte die Fee noch nie erlebt und um sie herum erzitterten die wirren Wege der Welt.
Fassungslos sahen sie sich um. Überall in dem großen Raum türmten sich Waffen, Rüstungen und Truhen der Wichte. In der Mitte, auf einem wahren Berg von Goldmünzen und Edelsteinen, thronte der mächtige Drachenschädel. Er war wirklich gewaltig, dieser Drache schien zu Lebzeiten weit größer, als Dagmar gewesen zu sein. Um ihn herum flimmerte die Luft und von seinem mächtigen Gebiss stoben grüne Funken. Über ihm schwebte, wie ein schwarzer Riss in der Wirklichkeit, ein stetig wachsender Schlund ins Nichts. Baalstett stand mit weit ausgebreiteten Armen davor und erfüllte den Raum mit seinem irren Kichern. Als er bemerkte, das jemand die Kammer betrat fuhr er herum und starrte Giesbert einen Moment lang hasserfüllt an.
Du schon wieder!“, kreischte er und die Schweinsäuglein quollen ihm hinter den dicken Brillengläsern fast aus dem kahlen Schädel.
„Baalstett, ergib dich und beende diesen Irrsinn hier“, forderte Giesbert ihn auf, aber der Zauberer brach nur in ein hysterisches Gelächter aus.
„Warum denn? Ich stehe so kurz vor meinem Durchbruch. Alle haben mich für verrückt gehalten, aber jetzt wird er kommen und dieses Land wird brennen! Brennen wird es! Aber, keine Sorge, für dich habe ich eine gute Nachricht: Du wirst es nicht mehr erleben!“
Elli erschrak, als die Magie noch weiter zunahm und sich veränderte. Ein Teil des wabernden Leuchtens wechselte die Richtung und bildete viele kleine Tentakel, die gierig nach Baalstett griffen und sich um seinen feisten Körper wickelten. Einige andere der schlangenartigen Auswüchse verharrten noch einen Augenblick lang bevor sie der Spiegelfee zischend entgegen peitschten.
Der gnadenlose Gunther fasste seine Axt fester und wollte gerade zum Angriff übergehen, als er erschrocken inne hielt. Baalstett krümmte sich mit einem furchtbaren Schrei zusammen und erzitterte, während sein Körper auf unheimliche Weise wuchs. Knochen streckten sich knirschend und Fleisch blähte sich schmatzend auf. Der Zauberer hob den Blick und Giesbert sah seine Brille zerbrechen, als sein Kopf wuchs und die Nase sich verbreiterte. Er riss den Mund auf und zwei handtellergroße Nagezähne schoben sich hervor. Sein Mantel riss mit einem ratschenden Geräusch, um dem Druck des zunehmend wachsenden Körpers nachzugeben. Auf der blassen Haut des Zauberers breitet sich ein brauner Flaum aus, der sich immer mehr zu einem seidigen Pelz verdichtete. Schwarze Krallen schoben sich aus den mittlerweile fellbedeckten Händen. Kräftige Pfoten verlangten nach mehr Raum und sprengten die albernen Pantoffeln, während Baalstetts Ohren sich nach oben schoben und von unsichtbaren Kräften in die Länge gezogen wurden. Brüllend richtete sich die hünenhafte Monstrosität auf und riss sich den zerfetzten Mantel vom muskulösen Körper, bevor sie sich mit einem mächtigem Sprung auf Giesbert stürzte.
Der Ritter reagierte nicht schnell genug und der wuchtige Körper des Kaninchen-Mutanten begrub ihn unter sich. Er schlug verzweifelt zu, aber seine Faust versank wirkungslos im flauschigem Fell des Ungeheuers. Klara griff mit einem Blitzstrahl an, aber ihr Zauber zeigte keinerlei Wirkung und verpuffte wirkungslos. Geifer tropfte von den gewaltigen Zähnen, als die Bestie ihr Maul aufriss um sich in Giesberts Kehle zu verbeißen. Verzweifelt wehrte sich der Ritter gegen den Griff des Monsters.
Elli wehrte einige der Tentakel mit ihrem Schwert ab und musste immer wieder weiteren Fangarmen ausweichen, die versuchten sie zu packen. Sie kämpfte sich zu denen vor, die zu Baalstett führten und säbelte hektisch daran herum. Kurz bevor sie das Bündel endgültig durchtrennt hatte, wickelte sich ein dicker Strang finsterer Magie um ihren Knöchel und riss sie brutal in Richtung des Tores. Elli schrie auf und stemmte sich verzweifelt dagegen, als plötzlich der Anhänger ihrer Halskette hell aufleuchtete. Der Griff des Tentakels lockerte sich und im nächsten Moment verglühte es im blauen Licht der Schutzrune. Elli hob ihr Schwert hoch über den Kopf und schlug mit aller Kraft zu.
Baalstetts Kräfte schienen zu erlahmen und endlich gelang es Giesbert ihm ein Knie in eine sehr empfindliche Stelle zu rammen. Die Bestie heulte auf und ihr Griff lockerte sich. Der Ritter hämmerte seine Stirn auf Baalstetts zuckende Kaninchennase und stieß ihn dann mit beiden Beinen von sich. Der mutierte Zauberer rappelte sich sofort wieder auf, aber bevor er sich erneut auf Giesbert stürzen konnte, griff der gnadenlose Gunther an. Mit einem zornigen Aufschrei versuchte die Bestie den heranstürmenden Wicht zu zertreten, aber der sprang geschickt zur Seite und ließ seine Axt mit voller Wucht niedersausen. Baalstett schrie auf und umklammerte seine Pfote. Auf einem Bein hüpfte er heulend im Kreis herum und Giesbert sprang auf. Er versetzte dem Monster einen kräftigen Stoß, der Baalstett auf das magische Tor zutaumeln ließ, das inzwischen fast bis zum Boden der Schatzkammer reichte . Er strauchelte einen Moment und hatte schon fast sein Gleichgewicht wiedererlangt, als Klara ihm einen weiteren Blitz in die fassförmige Brust jagte. Der Zauberer verlor endgültig den Halt, und verschwand schreiend in der düsteren Unendlichkeit des Höllenschlundes.
Elli sah Baalstett in den unergründlichen Tiefen des höllischen Tores verschwinden und hörte ein tiefes Brüllen, das sehr schnell näher kam. Was auch immer sich dort in diesem Tunnel befand, es war jetzt auf dem direkten Weg zu ihnen.
„Giesbert, wir müssen hier weg, da kommt etwas durch das Tor!“, schrie Elli und jetzt konnte Giesbert ein tiefes Grollen hören und spürte, wie der Boden erbebte. Es war zu spät, es gab kein Entkommen mehr. Mit einem waghalsigen Sprung warf er sich zur Seite und riss Klara mit sich. Im Augenwinkel sah er, wie Gunther sich fest in eine Wandnische presste. Es war wie ein Erdrutsch. Mit lautem Donner schoss etwas unvorstellbar großes aus dem Tor und rollte über sie hinweg. Gewaltige Kräfte bahnten sich ihren Weg in diese Welt und ein Schrei, wie aus zehntausend Kehlen hallte in der Höhle wider, bevor plötzlich absolute Stille einkehrte. Giesbert und Klara hoben vorsichtig die Köpfe. Das unheimliche Tor war verschwunden und die Kammer wirkte, als wäre nie etwas passiert. Der gnadenlose Gunther stemmte sich fluchend aus seiner Deckung.
„Was war das denn, verdammt nochmal?“, fragte er.
„Das war der Dämon, glaube ich“, antwortete Klara zitternd.
„Wo ist er hin?“ Giesbert sah sich erschrocken um.
„Es wird eine ganze Weile dauern, bis er sich von der Reise in unsere Welt erholt hat, aber dann werden wir bestimmt von ihm hören, da bin ich ganz sicher“, prophezeite die Hexe düster.
7.
Die Wichte veranstalteten eine ausgiebige Siegesfeier. Sie lachten, lärmten und tanzten, als gäbe es kein morgen und das Bier floss in Strömen. Klara und Elli hatten sich scheinbar viel zu erzählen und Giesbert hatte sich mit Gunther in die Schatzkammer zurückgezogen um dem wilden Treiben für eine Weile zu entkommen und etwas Ruhe zu finden. Sie blickten schweigend und in Gedanken versunken auf den prächtigen Drachenschädel, aber eine bestimmte Frage brannte dem Ritter schon eine ganze Weile auf den Nägeln.
„Und dein Vorfahre hat wirklich diesen Drachen getötet? Ich meine... also... das ist ein wahrhaftig großer Drache gewesen.“ Giesbert befürchtete einen lauten Wutausbruch des Wichtes, aber zu seiner Überraschung hob der gnadenlose Gunther nur gleichmütig die Schultern und lächelte ihn freundlich an.
„Wer weiß das schon? Ich kann mir jedenfalls beim besten Willen nicht vorstellen, wie er das bewerkstelligt haben sollte. Es ist doch auch völlig unwichtig.“
„Unwichtig? Aber du sagst doch ständig, dass...“, setzt der verwirrte Ritter an.
„Giesbert, ob mein Urahn diesen Drachen nun wirklich erschlagen hat, oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle.“ Gunther legte den Kopf schief und strich sich durch den langen Bart.
„Tut es nicht?“
„Nein. Horst und seine Leute wurden verraten, verspottet, angespuckt und aus ihrem Königreich verbannt. Sie verloren ihre Ehre, ihre Heimat und vor allem den Glauben an sich selbst. Kannst du die vorstellen, wie sich das angefühlt hat? Wenn du mich fragst, ist dieser Drache schon hundert Jahre zuvor friedlich an Altersschwäche gestorben und Horst hat seine Überreste lediglich zufällig gefunden.“
„Aber dann ist die ganze Geschichte nur eine... Legende?“, fragte Giesbert.
„Eine Legende, ganz genau. Sie hat dem Stamm neuen Mut gebracht, ihn mit Stolz erfüllt und den Leuten etwas gegeben woran sie sich in diesen schweren Zeiten festhalten konnten, verstehst du Giesbert?“
„Ja, ich denke schon.“ Giesbert nickte und dachte daran, wie todesverachtend und tapfer diese Wichte kämpften.
Klara betrat die Höhle und stieg dabei behutsam über einige der kleinen Krieger, die eine ausgelassene Polonäse durch die Höhle veranstalteten. Sie ließ sich neben Giesbert nieder. Gunther blickte mit schlecht gespielter Verdrossenheit in seinen leeren Bierkrug und erhob sich,
„Ich werde mich mal wieder unter meine Leute mischen. Ach, und ehe ich es vergesse: Gut gekämpft!“ Der Wicht boxte Giesbert freundschaftlich an den Stiefel und verbeugte sich tief vor Klara. Der Ritter und die Hexe sahen dem Wicht lächelnd nach und tatsächlich machte sie sein Lob ein wenig stolz. Sie saßen still nebeneinander, aber schließlich ergriff Klara etwas schüchtern das Wort.
„Elli unterhält Gunthers Leute mit Zauberkunststücken und hat eine Menge Spaß dabei, glaube ich.“
„Das kann ich mir gut vorstellen“, lachte er.
„Ich möchte dir gern etwas schenken, Giesbert“, sagte Klara und hielt ihm eine Spielkarte entgegen.
„Was ist das?“, fragte der Ritter überrascht.
„Eine Karte vom glückbringenden Stapel. Es ist ein alter Hexenglaube. Man zieht eine Karte und verschenkt sie dann an jemanden zu dem sie passt und sie bringt ihm Glück. Diese hier habe ich gezogen, kurz bevor wir uns begegneten.“
Giesbert betrachtete die Karte und sah einen lächelnden Krieger in einer abgewetzten Rüstung.
„Das ist Brahn, der lachende Krieger. Er symbolisiert den Mut und die Aufrichtigkeit eines wahren Ritters.“
„Aber ich bin doch gar kein... wahrscheinlich steht mir diese Karte gar nicht zu.“
„Doch, das tut sie. Steck sie einfach ein. Möchtest du es auch mal versuchen?“ aufmunternd hielt ihm Klara die Karten entgegen. Er schob seine eigene behutsam in die Hosentasche und zog eine weitere aus dem Stapel.
„Wer ist das?“, fragte Giesbert verdutzt und zeigte Klara die Karte. Auf ihr war eine sehr seltsame Gestalt abgebildet. Sie trug zerrissene Kleidung, hatte buntes Haar, das wild in alle Richtungen stand und grinste den Betrachter mit weit aufgerissenen Augen an. In der einen Hand hielt sie eine Laute, in der anderen einen Pflasterstein.
„Diese Karte ist sehr selten. Sie zeigt einen Schutzpatron der Gaukler und Spielleute. Er steht für Lebensfreude und Freiheit, aber auch für Rebellion und Aufruhr. Sein Name ist Pank, soweit ich mich erinnere. Kennst du jemanden, zu dem diese Karte passt?“ Giesbert überlegte und Johann fiel ihm ein.
„Ja, ich kenne einen Stallburschen, der bald mit seiner Kapelle beim Burgfest auftreten wird. Ein bisschen Glück kann er sicherlich gut gebrauchen“, antwortete Giesbert erfreut.
„Ein Burgfest?“, fragte Klara interssiert.
„Das wird bestimmt toll, vielleicht möchtest du ja gemeinsam mit mir dort hingehen?“ Giesbert zuckte zusammen, als seine eigenen Worte seine Ohren erreichten und wurde etwas rot.
„Das würde ich wirklich sehr gern, Giesbert.“ Klara stand auf hielt ihm ihre Hand entgegen. Der Ritter ergriff sie und glücklich lächelnd schlenderten die beiden wieder zu den feiernden Wichten.
Als sie die Höhle betraten, stand der gnadenlose Gunther mit einer Gruppe von Kriegern etwas abseits des Getümmels und winkte sie zu sich.
„Was denkst du, Hexe, hat es dieser Dämon es wirklich in diese Welt geschafft?“, fragte er.
„Ich gehe davon aus, aber wer weiß schon, wann er sich zeigen wird?“, antwortete Klara besorgt.
„Dann ist es wohl das Beste, wir bleiben noch eine Weile zusammen, oder?“ Gunther ballte entschlossen die kleinen Fäuste.
„Heißt das, ihr möchtet mich auf die Burg meines Onkels begleiten?“, wollte Giesbert verwundert und erfreut zugleich wissen.
„Weißt du, ich wollte mir ohnehin schon immer mal die große Menschenstadt ansehen. Und, davon abgesehen, sollte dieser Dämon tatsächlich auftauchen und es auf einen ordentlichen Kampf anlegen, wollen wir ihn doch wohl nicht enttäuschen, was Männer?“
Natürlich war ein lautes und siegesgewisses Gebrüll die Antwort.