Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
hab ich gern gelesen
geschrieben 2019 von Yetzirah.
Veröffentlicht: 02.10.2019. Rubrik: Fantastisches


Der Stein

Der Stein

Ich spielte, wie so oft, allein in den Rapsfeldern nahe unserer Wohnung. Meine Mutter mochte das nicht. Sie sagte, dass es für ein dreizehnjähriges Mädchen nicht sicher sei. Der Raps stand in voller Blüte, ich fand es aufregend durch das hohe Gewächs zulaufen und nicht zu wissen, wohin genau man läuft - wie in einem Labyrinth. Nach einigen Metern fand ich eine Feuerstelle, deren Flammen schon erloschen waren. Ich schaute sie mir genauer an. Etwas lag in der Asche. Mit einem Stock schob ich die Asche weg und griff hinein. Der Stein war handtellergroß. Etwas war in ihn eingeritzt. Es schien so etwas wie ein Siegel zu sein, aber ich erkannte nichts Genaueres. Mir kam aber eine Idee, wie ich es besser sichtbar machen konnte. Ich lief gleich nach Hause. Als ich ankam, ging ich schnell in mein Zimmer und nahm mir ein Blatt Papier und einen Bleistift. Ich legte das Papier auf den Stein und rieb mit dem Bleistift über das Papier. Es funktionierte, es zeichnete sich etwas ab - ein Stern in der Mitte. Von dem Zentrum des Sterns führte eine Linie senkrecht nach unten und kreuzte sich mit einer kurzen waagerechten Linie, was ein kopfstehendes Kreuz ergab. Darum ein Kreis mit Buchstaben, angefangen in der Mitte oben; A, S, T, A, R, O, T, H. Und darum noch ein Kreis, der das Ganze umrahmte. Ich wurde aus diesen Zeichen nicht schlau und ging in das Zimmer meiner älteren Brüder. Die beiden zockten irgendein Computerspiel. Ich hielt meinem drei Jahre älteren Bruder, den ich für den insgeheim

Schlaueren der beiden hielt, das Papier unter die Nase. “Weißt du was das Für ein Symbol ist? Sieht interessant aus, oder?!”
“Hm … , sieht aus wie ein Pentagramm, aber sicher bin nicht. Diese ganzen verzierungen sagen mir nichts. Aber ich bin mir fast sicher das es was mit Dämonen, Flüchen und Satanismus zu tun hat. Wehe, du hast uns einen Dämon mit nach Hause gebracht”, scherzte er frech grinsend. Ich beruhigte ihn: “Ist doch nur ein Stein”, sagte ich und ging wieder in mein Zimmer. Dort legte ich den Stein auf meinen Nachttisch und überlegte meine nächsten Schritte. Zu dieser Zeit hatten wir noch kein Internet, was meine Suche sehr erschwerte. Da es schon recht spät war, beschloss ich, erst am nächsten Tag in die Stadtbibliothek zu gehen.
In der Nacht wurde ich durch ein lautes Poltern geweckt, gefolgt von einem Geräusch, als würde etwas über den Boden rutschen. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ich setzte mich auf und blickte in das Dunkel meines Zimmers, konnte aber nichts erkennen. Ich wollte gerade die Nachttischlampe anmachen, als ich ein tiefes Knurren direkt neben mir vernahm. Ein Schrei entfuhr mir und ich knipste die Lampe schnell an. Panisch schaute ich mich um, aber es war nichts zu sehen, alles war an seinem Ort. Dann blickte ich auf meinen Nachttisch. Der Stein lag nicht mehr darauf. Ich stand auf und suchte nach ihm. Neben dem Nachtisch war lag er nicht, wo ich ihm am ehesten vermutete. Am anderen Ende des Zimmers, rechts in der Ecke neben der Tür, sah ich etwas kleines Schwarzes liegen. Ich ging hin und da war er. Er musste dieses rutschende Geräusch verursacht haben. Ich hob ihn auf und kehrte zum Bett zurück. Immer noch zitterte mein ganzer Körper. Ich zog die Schublade meines Nachttisches auf und legte den Stein hinein.
Am nächsten Morgen zog ich mich schnell an, um zur Bibliothek zu gehen. Ich konnte mir nicht erklären, was in der Nacht geschehen war und was ich jetzt machen sollte. Das konnte kein Zufall sein, die Geräusche, das Knurren. Ich dachte an die Worte meines Bruders. Mich schauderte es. Hatte der Stein vielleicht wirklich etwas mit Dämonen oder Flüchen zu tun? Um Zeit zu sparen, fragte ich die Bibliothekarin nach passenden Titeln. Sie musterte mich genau, zog eine Augenbraue hoch und fragte, was ich mit den Büchern wollte. Ich sagte, dass es ein Schulprojekt wäre. Eine blödere Antwort hätte mir nicht einfallen können und ich ohrfeigte mich innerlich. Sie erklärte mir, wo ich die Bücher finden könnte und ich machte mich gleich auf den Weg. Ich nahm alle Bücher mit zu einer Leseecke, um sie zu überfliegen, ob ich die richtige Wahl getroffen hatte. Mit meiner Auswahl zufrieden, machte ich mich schnellstmöglich auf den Weg nach Hause.
Als erstes las ich das Buch über satanische Rituale, weil ich beim Durchblättern einige Pentagramme entdeckte, leider glich keines davon dem auf meinem Stein. Ich fand heraus, dass das umgedrehte Pentagramm den Umrissen eines Ziegenbocks entsprach, der ein Symbol für Satan ist.



Es war sehr interessant, half mir aber nicht weiter.
Am Ende des Buches wurden die Dämonennamen aufgezählt und da war er - Astaroth. Ich war ganz aufgeregt - meine erste Spur. Ich legte dieses Buch zur Seite und nahm mir das Buch über Dämonen. Ich suchte im Inhaltsverzeichnis nach seinem Namen und fand ihn. Ich zitterte vor Aufregung, als ich die Seite aufschlug. Gleich stach mir das Pentagramm ins Auge, es war genau das gleiche wie auf dem Stein, das Siegel des Astaroth. Er war laut der Beschreibung der Schutzherr der freien Künste und lehrte die Menschen die allgemeinen Wissenschaften. Nach einer alten Legende sollte seine Seele mit der Göttin Astarte verschmolzen sein. Durch Luzifers Hilfe bekam er einen neuen Körper, mit einer Schlange in der Hand. Je nachdem, wer die Kontrolle über den Körper hatte, Astaroth oder Astarte, wurde dieser männlich oder weiblich. Die Schlange färbte sich weiß, wenn Astaroth die Kontrolle hatte, und schwarz, wenn Astarte sie hat. Ich fand das alles interessant, half mir aber kein Stück weiter. Ich las weiter. Da stand noch geschrieben, dass der beste Zeitpunkt zum Beschwören ein Mittwoch war. Gestern, als ich den Stein fand, war ein Mittwoch gewesen. Zählte das bloße Finden des Steines als Beschwörung? Und warum war sein Siegel auf diesem Stein? Ich schlug das Buch zu, mir qualmte der Kopf. Zwar wusste ich, was für ein Siegel das war, mehr aber auch nicht. Mir machte es Angst, vielleicht versehentlich einen Dämon mit nach Hause gebracht zu haben. Ich wollte ihn nur noch loswerden, aber es war zu spät, um den Stein wieder dahin zu bringen, wo ich ihn gefunden hatte. “Gleich morgen früh bringe ich ihn zum Feld zurück und vergrabe ihn da.” Ich hoffte, dass in der kommenden Nacht nicht noch mehr komische Dinge passieren würden, was mich sehr unruhig schlafen ließ. Aber immerhin schlief ich und wachte erst am nächsten Morgen auf.
Mich weckte ein Brennen am rechten Arm. Noch im Halbschlaf schaute ich ihn mir an. Über den ganzen Arm zogen sich drei parallele Kratzspuren. Aus den Büchern wusste ich, dass es ein Zeichen für einen Dämon war. Panisch sprang ich auf und suchte meine Klamotten zusammen. Ich wollte keine Minute länger diesen Stein in meiner Nähe haben. Fertig angezogen, wollte ich den Stein aus dem Nachttisch holen. Die Schublade war weit geöffnet. Einen kurzen Moment befürchtete ich, der Stein würde nicht mehr drin sein. Ich durchsuchte meinen Nachttisch, konnte ihn erst nicht finden. Mich beschlich das Gefühl, dass der Dämon wusste, dass ich ihn loswerden wollte. Er versteckte sich, aber nicht mit mir. Ich schmiss alles, was sich in der Schublade befand, auf den Boden. Jetzt konnte ich ihn sehen, ganz hinten in der Ecke lag er. Ich packte ihn und machte mich auf den Weg zu dem Feld, wo ich ihn gefunden hatte. Die Stelle, an der er gelegen hatte, entdeckte ich recht schnell. Ich vergrub ihn dort und starrte noch eine Weile den kleinen Hügel an. Mich schauderte es, ich wollte nichts mehr mit diesem Ding zu tun haben. Ich machte mich auf den Weg nach Hause. Als ich in meinem Zimmer stand, fluchte ich über die Unordnung darin. Ich hockte mich hin, um alles wieder in meinen Nachttisch einzuräumen. Da sah ich ihn - der Stein, er lag auf den Tisch. Ich erschrak so sehr, dass ich nach hinten fiel und unsanft auf dem Hintern landete. Seitdem habe ihn ich noch einige andere Male versucht, ihn loszuwerden, immer mit dem gleichen Ergebnis. Er lag immer wieder auf dem Tisch. Irgendwann gab ich es auf; er wollte bei mir bleiben. Wir arrangierten uns; ich unterließ es, ihn loswerden zu wollen und der Dämon stellte die nächtlichen Übergriffe ein. Er wurde ein Teil meines Lebens und ich kann mir auch kein Leben mehr ohne ihn vorstellen.

counterhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

Weitere Kurzgeschichten von diesem Autor:

Ein kleiner Abstecher