Veröffentlicht: 11.09.2019. Rubrik: Unsortiert
Die Träume (Prolog)
Der Prolog
Es ist 21.30 Uhr, Conor OReilly steht vor seinem Bürofenster, der Regen prasselt in kleinen tropfen gegen das Fensterglas. Die Stadt scheint trotz ihrer Neonlichter und Straßenlaternen grau und abweisend, die Schreibtischlampe wirft einen kleinen Lichtkegel welcher das Zimmer unwirklich erscheinen lässt, er schaut sich langsam in seinem Büro um. Der alte schwere Holzschreibtisch steht mitten im Zimmer, davor zwei Stühle für Besucher, neben der Eingangstür steht eine alte Ledercouch, an der gegenüberliegenden Wand befinden sich Aktenschränke und Regale welche relativ unordentlich sind, an sämtlichen Wänden hängen verstreut Bilder aus alten und besseren Tagen. Er geht zu seinem alten abgewetzten Lederbürostuhl, er quietscht leise als Conor sich setzt. Neben der kleinen Lampe liegen ein paar Fallakten von verschiedenen Klienten, seine Hand wandert zur obersten Schublade und öffnet sie knarzend, als erstes nimmt er die Whiskeyflasche heraus und als zweites die drei Bilder. Die Stille wird nur durch das prasseln des Regens und das heulen des Windes am Fenster unterbrochen, ein paar Büros weiter spielt ein Radio leise Jazzmusik. Er lockert seine Krawatte, nimmt ein Glas und trinkt den ersten tiefen Schluck, währenddessen schaut Conor langsam und schweigend ein Bild nach dem anderen an. Das erste Bild zeigt zwei junge Männer in Uniform, welche bis über beide Ohren grinsen, das Gewehr lässig über die Schulter gehängt und den Stahlhelm am Gürtel befestigt, beide eine Zigarette im Mundwinkel. ,,Das waren noch gute Zeiten, das war kurz nach der Grundausbildung, Sean Hayes und ich fühlten uns wie die geilsten Kerle der Welt. Was haben wir uns nur dabei gedacht? Es kam ja dann doch alles anders als Gedacht.“ Conor legte das Bild auf seinen Schreibtisch und betrachtete das zweite, ein kleines rothaariges Mädchen mit grünen Augen wird von einer attraktiven, rothaarigen, lachender Frau umarmt. „Kate! Wie konntest du mir das an tun, wir waren doch so glücklich!“ Wut steigt in ihm auf und er wirft das Bild auf den Schreibtisch und kommt zum letzten Bild. Das selbe Mädchen, jetzt alleine auf einer Schaukel, das Kleid weht im Wind, sie lacht herzlich und in ihren Augen sieht man wahre Freude. ,,Sarah, mein kleines Mädchen, ich habe dich schon seid zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, du bist heute bestimmt eine hübsche und intelligente junge Frau. Was wohl alles aus dir geworden ist? Ich würde dich gerne sehen, ich weiß aber nicht wo ich dich finden soll.“ Er starrt noch lange auf das Bild und hängt längst vergangener Tage hinterher. Als die Wanduhr plötzlich 23.30 Uhr schlägt wird er aus seinen Gedanken gerissen. Conor schaut sich verwundert um, erkennt das er mal wieder eine halbe Flasche Whiskey getrunken hat und bemerkt leicht angetrunken. ,,Ich glaube ich sollte nach Hause gehen.“ Er steht leicht schwankend auf, geht durch das nur schemenhaft erkennbare Büro, er zieht sich seine abgewetzten braunen Trenchcoat und seinen Hut an. Er geht aus der Bürotür und schließt sie ab. Als er im Erdgeschoss aus dem Aufzug tritt schaut ihn ein älterer Mann mit grauer Halbglatze und halbrunder Brille an. „Nabend Conor, so spät noch am arbeiten?“ fragt der Alte. „Nabend Roy. Ja man muss halt auch essen. Aber wem sage ich das, du bist jeden Abend hier obwohl du deine Rente genießen könntest und mit deiner Frau zusammen auf dem Sofa sitzen könntest.“ Antwortet Conor ein wenig mitleidig, während er an ihm vorbei auf die Ausgangstür zu schreitet. „Da hast du vollkommen Recht Conor, aber wie du schon so schön sagtest , wir müssen alle essen. Soll ich dir ein Taxi rufen, es regnet schon sehr stark.“ „Danke Roy, aber ich laufe, ich brauche die frische Luft um einen klaren Kopf zu bekommen. Eine ruhige Nacht wünsche ich dir.“ „Danke Conor, komm gut nach Hause.“
Er tritt aus der Tür und der Wind pfeift ihm kalt durchs Gesicht, es Regnet immer noch. Conor klappt den Kragen seines Trenchcoats hoch, klopft eine filterlose Zigarette aus seiner Schachtel und macht sie sich mit einem Streichholz an. Er nimmt den ersten Zug, die Zigarette glüht hell auf in der grauen Nacht, atmet seufzend aus und geht langsam die Straße runter.
Die Pfützen schillern in Regenbogenfarben, durch Öl und das nächtliche Neonlicht, die Straßenlaternen spenden nur gedimmtes Licht. Nur wenige Menschen sind jetzt noch unterwegs, es fahren auch nur ein paar Autos durch die Straßen, irgendwo in der Ferne hört man eine Polizeisirene. Er kommt an einem kleinen chinesischen Restaurant vorbei, hinter dem Schaufenster sitzt ein junges Paar, kichert und hält Händchen. Das Pärchen sieht ihn und der junge Mann flüstert seiner Freundin was ins Ohr worauf hin sie sofort wieder anfing zu kichern. Conor beachtete sie gar nicht und geht rauchend seiner Wege. Nach drei weiteren Querstraßen schreitet Conor in einen kleinen Laden, im Inneren steht Bernard hinterm Tresen ließt eine Zeitung und raucht dabei eine Zigarette. Außer Conor sind keine weiteren Kunden im Laden. „Nabend Bernard.“ „Nabend Conor, na so spät noch unterwegs?“ Er nimmt eine Flasche Bushmills Whiskey aus dem Regal und geht damit zum Tresen. „Bernard, gibst du mir noch zwei Packungen Marlboro und eine Tageszeitung.“ Bernard, dreht sich um nimmt zwei Packungen Marlboro, legt sie auf den Tresen und daneben noch die Tageszeitung. „Das macht dann 17,50.“ „Dank dir Bernard, hier sind 18, behalt den Rest. Schönen Abend wünsche ich dir noch.“ Beim heraus gehen hört Conor noch Bernards Antwort, nimmt sie aber nicht mehr war.
Der Regen ist etwas weniger geworden, die kühle Luft tut Conor gut, und er kann wieder langsam seine Gedanken ordnen. Als er weiter durch die Straßen geht raucht er eine Zigarette nach der anderen, an einzelnen Ecken stehen leichte Mädchen und bieten sich an und in kleinen Hintergassen brennen alte Tonnen an denen sich Obdachlose wärmen. Conors Hosenbeine sind am Saum schon nass und von seinem Hut tropft der Regen.
Nach einer Viertelstunde kommt Hayes Bar in Sicht. Er tritt durch die Tür ein, an einem Tisch im hinteren Teil des Lokals sitzen drei Arbeiter. „Na, Conor das selbe wie jeden Abend?“ fragt ihn sein alter Kumpel Sean. „Klar, heute ist aber nicht viel los.“ Sean stellt Conor einen Aschenbecher und zwei Gläser Whiskey hin. „Lass mich erst meine Sachen nach oben bringen.“ Conor geht durch die Hintertür ins Treppenhaus und im ersten Stock in seine kleine Wohnung, seinen Hut und Trenchcoat hängt er auf den Kleiderständer neben der Tür.
„Weißt du noch damals, die guten alten Zeiten, als wir noch unsere Truppe hatten? Erinnerst du dich noch an Newkirk, wie er damals jeden versucht hat zu verarschen? Oder John, wie er sich die Seele aus dem Leib geschissen hat?“ „Ja, ich erinnere mich, ich hatte vorhin noch das Bild von uns beiden kurz nach der Grundausbildung in der Hand.“ Das Gespräch verläuft noch eine ganze Weile so weiter, es wird getrunken, geredet und geraucht. Die Arbeiter bezahlen ihre Rechnung und verlassen das Lokal, plötzlich kommen ein großer und ein kleiner Typ herein, lange Trenchcoats, die Hüte halb ins Gesicht gezogen und stellen sich an die Theke. „Was darf es sein die Herren?“ fragt Sean sie mit einer Zigarette im Mundwinkel. Plötzlich ziehen beide ein Messer. „Wir wollen deine Einnahmen und zwar schnell, denkt gar nicht erst dran irgendwas unüberlegtes zu machen.“ sagt der größere der beiden. Der kleinere dreht sich zu Conor um, jetzt sieht er erst das er eine Narbe quer über die rechte Wange hat. „Los, deine Geldbörse wollen wir auch“ sagt der kleine hektisch und fuchtelt mit seinem Messer vor Conors Gesicht herum. Sean nickt Conor unmerklich zu und sagt zu dem größeren Gangster „Macht langsam, wir wollen alle nicht das irgendwas passiert, überlegt euch das nochmal.“ „Vergiss es alter, her mit dem Geld“. Erst jetzt wird Conor bewusst das die beiden erst Mitte zwanzig sind und noch nicht viel Erfahrung mit Raub haben. Sean geht langsam auf die Kasse zu, greift unauffällig unter den Tresen, das ist der Moment in dem Conor aufsteht. „Hinsetzten und Geld raus!“schreit der kleine hektisch. Urplötzlich zieht Sean eine Schrotflinte unter dem Tresen hervor und richtet sie abwechselnd auf beide Gangster. „So, jetzt werden wir nochmal über eure Forderung reden, ihr könnt jetzt einfach raus gehen und kommt nie wieder hier hin oder ihr lernt die harte Tour kennen.“ sagt Sean mit Nachdruck und Wut in der Stimme. Der kleine blickt hektisch zwischen Sean und seinem Kumpel hin und her. „Komm John, lass uns abhauen, das gefällt mir nicht.“ „Francis, der jagt mir keine Angst ein, gib uns jetzt das Geld!“ sagt der größere der beiden. „Lass es lieber, geht einfach nach Hause und vergesst es einfach“ mischt sich Conor ins Gespräch ein. Der kleine bekommt Angst und rennt raus. „Siehst du, du bist jetzt alleine. Du solltest dir überlegen ob du nicht doch lieber auch gehst“ bemerkt Sean. Der große guckt sich um und verschwindet wortlos in die Nacht. Nach einer ganzen Weile und weiteren Drinks geht Conor in seine Wohnung Sean schließt das Lokal. Conor zieht sich fast komplett aus und legt sich in sein Bett, es dauert nicht lange bis er einschläft und er anfängt zu Träumen.
„Daddy! Schau mal Daddy!“ „Wo bin ich? Wer ruft mich da?“
Er blickt auf, er sitzt auf seiner alten Veranda , die Sonne scheint, der Wind streicht langsam durch die umliegenden Weizenfelder. Seine Tochter sitzt auf der Schaukel die an dem dicksten Ast der alten Eiche in seinem Vorgarten befestigt ist und schaukelt.Er steht auf und geht langsam auf seine Tochter zu „Das machst du gut“ sagt er als er bei ihr ankommt.
„Das kann nicht real sein, ich bin nicht hier, was geht hier vor? Sarah ist nicht mehr hier, was gaukelt mir mein Gehirn mir vor? Werde ich langsam verrückt?“
Plötzlich schwärze. Er reißt die Augen erschrocken auf und blickt sich verwirrt in seinem Schlafzimmer um, die Bettdecke liegt zusammengeknüllt auf dem Fußboden und er ist nass geschwitzt. Conor setzt sich auf den Rand seines Bettes und legt den Kopf in seine Hände. „Was ist gerade passiert? Wieso habe ich diese Träume? Vielleicht werde ich ja doch verrückt!“ er blickt auf die Uhr. „Es ist schon 11.00 Uhr mittags, wie gut das heute Samstag ist, meine Detektei hat heute zum Glück nicht offen.“ Er steht auf, geht in die Küche schenkt sich ein Glas Wasser ein und trinkt es mit einem Schluck leer. Im Kühlschrank ist nicht viel drin und vor allem nichts was noch nicht vergammelt ist, stellt er fest. Nachdem duschen und umziehen geht er runter in Seans Bar. „Hast du einen Kaffee für mich“ fragt Conor seinen alten Kumpel Sean. „Klar, musst du nur einen Moment warten.“ Kurze Zeit später steht eine dampfende Tasse Kaffee vor Conor, er nippt vorsichtig dran, nimmt danach eine Zigarette aus der Packung und steckt sie sich an. Der Rauch des ersten Zuges brennt immer leicht in der Kehle, Conor räuspert sich und trinkt während des Rauchens weiter seinen Kaffee. „Na wie geht es dir alter Junge?“ richtet Sean das Wort überraschend an Conor. „Ich weiß es nicht, ich habe wieder so komische Träume“ kommt die leicht verzögerte Antwort. Die beiden unterhalten sich eine ganze Weile lang über die Träume von Conor und die Bedeutung von solchen Träumen.