Veröffentlicht: 17.09.2018. Rubrik: Nachdenkliches
Von der Wintersonnenwende - Teil I
Von der Wintersonnenwende – Teil I
„Entschuldigen Sie, Mister.“
Eine kleine Hand zubbelte an der Rückseite meines Hemdes. Und ehe ich mich umdrehen konnte, um zu sehen, wer da zog, wiederholte die sanfte Stimme ihre Worte.
„Entschuldigen Sie, Mister. Ich muss an Ihnen vorbei. Ich will auf diesen Baum raufklettern.“
Es war meine Nichte, die mich da im Folgenden ganz selbstverständlich aus dem Weg schob. Überrascht sah ich ihr nach.
„Moni?“, sagte ich.
„Ich heiße jetzt Monika. Papa hat mir gesagt, dass mein voller Name Monika ist. Und Moni ist blöd, Tante. Ich will Monika heißen.“
„Ja, sag mal, Moni… -“
„Monika.“
„Monika, wieso sagst du ‚Sie‘ zu mir? Und ich bin doch kein Mister, ich bin eine Frau.“
Diese Worte schien sie bewusst zu überhören. Sie zog sich an einem niedrig gelegenen Ast des Baumes hoch und beobachtete dann darauf sitzend eine ruhende Biene, die ihr Interesse zu erwecken schien. Daraufhin jedoch stellte sie sich auf. Es war Winter und die Rinde des Baumes bedeckt von einer dünnen Eisschicht. Monika grinste mich an.
„Guck mal, Tante.“
Ihr Blick wendete sich von mir ab und einem Ast zu, der über ihrem Kopf hing. Sie hielt kurz inne und sprang nach oben. Allerdings bekam sie den Ast nicht zu fassen, fiel wieder runter, prallte gegen den Ast unter ihr und dann auf den Boden. Ihr Gesicht landete im Dreck. Es war kein tiefer Sturz und sie weinte auch nicht. Als sie mich ein wenig grimmig ansah, unzufrieden mit ihrer Leistung, da grinste ich schlussendlich zurück.
„Menno.“
Monika lehnte sich gegen den Baum und sah hinauf in dessen verschneite Krone. Ich setzte mich neben sie und blickte auf die schneebedeckte Wiese und den Wald, der dahinter lag. Ich war mit meinem Bruder und seinen zwei Töchtern und seinem Sohn an diesem Tag in einen Park in der Nähe unseres Ortes gefahren. Erst jetzt konnte ich wieder an sie denken.
„Wo ist denn dein Papa jetzt hingegangen? Ich kann ihn nicht mehr sehen.“
„Vielleicht schon in den Wald.“
„Ja…“
Wir waren an diesem Tag die ersten im Park und im Schnee führten schon Fußspuren zum Wald.
„Lass uns losgehen, Monika. Mal schauen, wo deine Geschwister sind. Ich habe mit René viel zu reden.“
„Papa mag es nie, wenn wir ihn René nennen.“, sagte sie und grinste wieder.