Veröffentlicht: 25.11.2024. Rubrik: Satirisches
Die Anonymen Veganer
Titel: Die Anonymen Veganer
Es war ein gewöhnlicher Tag im Wald, als drei Tiere zusammenkamen, um sich in einem großen, lichtdurchfluteten Raum zu versammeln. Der Bär, der Löwe und der Tiger standen vor einem Tisch, auf dem ein saftiges Steak lag, das förmlich vor Saft und Geschmack nur so tropfte. Der Duft war betörend, ein wahres Meisterwerk der Fleischzubereitung – perfekt gegrillt, knusprig und noch von Rauch durchzogen.
Doch alle drei Tiere, so unterschiedlicher sie auch waren, fühlten sich aus irgendeinem Grund äußerst unwohl. Der Bär, der sich in letzter Zeit oft von Beeren und Wurzeln ernährte, blickte nervös auf das Steak. „Ähm... Leute, ich glaube, das ist... äh... nicht mehr mein Ding. Der letzte Fisch, den ich gegessen habe, war schon zu viel für mich... Ich habe das Gefühl, dass mein Körper jetzt einfach auf Pflanzen umstellt. Ich sollte wohl noch mehr Nüsse sammeln. Der Omega-3-Wert ist so wichtig!“
Der Löwe, der normalerweise der König der Jagd war, hob den Kopf und knurrte. Doch anstatt den kräftigen Appetit zu zeigen, den man von ihm erwartete, seufzte er tief. „Ich... ich weiß nicht, Leute. Das Steak sieht fantastisch aus, aber... es fühlt sich irgendwie falsch an. Ich habe diese Veganen-Safaris gemacht, wisst ihr, wo sie einem beibringen, wie man pflanzliche Proteine richtig kombiniert. Aber dieses Steak... es repräsentiert einfach nicht meine Werte. Das war einmal. Wir sollten uns als Raubtiere die Frage stellen: Brauchen wir das wirklich?“
Der Tiger, der bisher ruhig geblieben war und das Steak mit seinen messerscharfen Augen fixierte, nickte weise. „Ich verstehe, was du meinst, Löwe. Ich habe angefangen, von Blumen zu leben. Und Gras... das Gras hat so viele Nährstoffe, die wir nie richtig zu schätzen wussten. Wir sind die wahren Pflanzenfresser, habe ich in einem Dokumentarfilm gesehen. Aber ehrlich gesagt... dieses Steak... es ruft nach mir. Doch die ethischen Dilemmata... ich weiß nicht, ob ich der Verantwortung gewachsen bin.“
Plötzlich öffnete sich die Tür, und ein kleiner Fuchs schlich in den Raum. Er hatte ein selbstbewusstes Grinsen auf dem Gesicht, das sich nur schwer ablegen ließ. „Ihr seht aus wie eine Gruppe von Anonymen Veganern“, sagte er mit einem frechen Lächeln. „Habt ihr etwa Angst vor eurem Fleischbedarf?“
Der Bär, der sich nun etwas sicherer fühlte, nickte ernst. „Ja, wir haben ein Problem. Früher haben wir das Fleisch geschätzt, aber... es ist nicht mehr dasselbe. Wir sind die Anonymen Veganer. Wir treffen uns regelmäßig, um zu diskutieren, wie wir uns auf pflanzliche Ernährung umstellen können, ohne uns von unseren alten Instinkten überwältigen zu lassen.“
„Ich verstehe“, sagte der Fuchs, der sich das Steak ansah. „Aber was, wenn euch das Fleisch so viel Freude bringt, dass es fast ein Akt des Widerstands ist, es nicht zu essen? Wäre das dann nicht auch irgendwie vegan, wenn man es ablehnt, aber nicht aus Mangel an Appetit, sondern aus Prinzip?“
Der Löwe, der sich nun von seinem inneren Konflikt befreit fühlte, grinste und sagte: „Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es die wahre Meisterschaft, den Instinkt zu überwinden, um etwas zu tun, das nicht nur uns selbst, sondern auch der Welt dient. Vielleicht sollten wir es auf uns nehmen, unsere Taten zu hinterfragen. Das ist der wahre Weg.“
Der Tiger nickte zustimmend. „Der wahre Weg ist, die Verantwortung zu übernehmen. Und diesen Tisch zu meiden. Für das Wohl der Umwelt. Für die Tiere. Für unsere Gesundheit. Vielleicht... vielleicht sollten wir den Samen pflanzen und in einer besseren Zukunft leben.“
Der Bär griff schließlich nach dem Teller, nahm das Steak und stellte es behutsam auf den Boden. „Wisst ihr was? Heute ist der erste Tag meines neuen Lebens als echter Pflanzenfresser. Das Steak? Ein Symbol für den Wandel.“
Der Fuchs, der alles beobachtet hatte, schmunzelte. „Ihr seid wirklich die schlechtesten Veganer, die ich je gesehen habe.“
„Das ist der Punkt“, sagte der Löwe mit einem wissenden Blick. „Es ist ein Weg, keine Religion. Und wer weiß, vielleicht eines Tages... werden wir das Steak doch noch probieren. Aber nur, wenn es wirklich nachhaltig ist.“
Und so standen sie da, die Tiere des Waldes, voller Gedanken über die richtige Ernährung, die richtige Ethik und das, was es wirklich bedeutet, „bewusst“ zu leben – während das Steak langsam in die Ferne rückte, als Symbol ihrer neuen Reise.
Und der Bär? Der entschied sich, in den nächsten Tagen einfach nur mehr Beeren zu essen. Vielleicht war der Weg wirklich pflanzlich. Aber ein bisschen Honig hier und da würde nicht schaden.
Ende.