Veröffentlicht: 10.06.2019. Rubrik: Menschliches
Personenschaden / Stellenbeschreibung
Stellenbeschreibung
„Also mal ganz ehrlich, was ist das denn für eine Stellenausschreibung, Priscilla-Jane?“ Ingelore hält ihr das Blatt mit spitzen Fingern hin. „Ja, ich weiß! Ich finde es auch sehr einfältig formuliert.“, meint Priscilla-Jane, die im Türrahmen steht. Sie sieht sich um, schließt dann die Tür und tritt näher an den Schreibtisch.
Ingelore atmet tief ein, langsam mit einem leisen „PFFT“ lässt sie die Luft wieder heraus. „Mir ist schleierhaft meine Liebe wie ich so eine Ausschreibung durch den Betriebsrat bringen soll. Schon dieser Satz: Schicken Sie Ihre Bewerbungsunterlagen an ….! Was suchen wir denn? Doch einen Hausmeister!“ Sie wedelt mit dem Blatt. Ein Sonnenstrahl bahnt sich den Weg durchs Fenster, winzige Staubpartikel tanzen darin.
„Nein! Ist wahr?“, schaltet sich Tilly ein. Sie packt ihren Ordner beiseite, stützt den Kopf auf einer Hand ab, in der anderen hält sie einen Stift. Sinnend sieht sie den Staubteilchen zu.
„Ja!“, antworten die anderen Beiden im Chor.
„Das ist ja mal wieder typisch Perso! Wer soll sich denn auf so was bewerben?“ Es hätte doch heißen müssen: Das Casting ist am soundsovielten, bitte bringen Sie eine Badehose oder Boxershorts mit. Stringtanga wird bevorzugt.“ Tilly klopft energisch mit ihrem Stift auf den Tisch.
Mit einer ausladenden Geste fügt Ingelore hinzu:„Da hörst Du es! Getränke werden gestellt, hätte man noch vermerken können. Vielleicht.“
Priscilla-Jane fährt mit den Fingerspitzen über ihre wohlgeformten Augenbrauen, zieht dann über die Kontur ihrer Lippen. „Ihr habt so recht! Aber der Meier!“ Sie verdreht die Augen. „ Ihr wisst doch wie der ist! Dann kommt der wieder mit seinen Gesetzen und Paragraphen und, und, und.“ Sie greift sich eine ihrer dunklen Haarsträhnen, die sie um den Zeigefinger wickelt.
„Priscilla-Jane, dann hättest Du eben schreiben sollen, das Probearbeiten ist am …, was weiß ich!“ belehrt Ingelore, sie wedelt mit der Linken durch die Luft. Der Staub wirbelt durcheinander.
Tilly reckt eine Hand in die Höhe. „Genau das ist es! Probearbeiten! Das könnte in Deinem Büro erfolgen.
Wir drehen die Heizung auf. Der Rest klärt sich von selbst.“
„Ja!“, ergreift Ingelore das Wort, indem sie ihre blonden Haare zurechtzupft, „der könnte doch dann am Thermostat der Heizung …, was stellen. Ich persönlich stelle mir einen blonden Hausmeister vor. Blond, blauäugig!“
„Ach, ich weiß nicht. Dunkel wäre doch auch schön. Da gibt’s `ne Menge Beispiele. George Clooney , Gerard Butler, um nur mal zwei Namen zu nennen!“, meint Priscilla-Jane und wirft die Haarsträhne über ihre Schulter.
„Also mir ist das egal, nur bitte keine Brustbehaarung“, wirft Tilly ein, „der könnte auch Deine Tür abhobeln. Die schleift doch immer so.“
Ingelore greift in die Tastatur ihres Computers. „Da seht, bei der Worker AG gibt es tolle Werkzeuggürtel. Da kann man Hammer und was Mann so braucht reinhängen.“
„Lass sehen! Oh!“ Priscilla-Jane beugt sich über den Tisch, ihr T-Shirt rutscht aus dem Minirock. Tilly betätigt eifrig ihren PC.
„Ja, ich sehe es auch. Guckt Euch doch die kleine Tasche an, die an dem Gürtel ist. Was man da wohl reinstecken kann …?“ Versonnen sieht Tilly auf ihren Bildschirm. Ingelore öffnet einen Knopf an ihrer Bluse.
Tilly zieht die Haarnadel aus ihrem Dutt, bewegt lässig den Kopf hin und her, ihre kastanienbraune Mähne löst sich langsam, um sich glänzend über ihre Schulter zu ergießen.
„Ach mir fällt da gerade ein, was ich schon immer fragen wollte. Ihr kennt Euch doch aus, in den Gesetzen.“ Tilly reckt sich, um über ihren Bildschirm blicken zu können. Der Bürostuhl quietscht.
„Natürlich, kennen wir uns aus!“ Priscilla-Jane verweist mit der Hand auf Ingelore, die allwissend nickt.
„Worum geht’s denn, Tilly?“, fragt Ingelore.
„Dürfen Handwerker auf dem Arbeitsgerüst frühstücken, oder essen, oder so?“, Tilly sieht von der Einen zur Anderen.
Priscilla-Jane und Ingelore sehen sich an, klimpern mit den stark getuschten Wimpern, wedeln mit den gut lackierten Händen.
„Handwerkerschutzgesetz!“, stößt Ingelore gelangweilt hervor.
„Paragraph 317 ff!“, fügt Priscilla-Jane hinzu. Wieder sieht Tilly von links nach rechts.
„Tilly, Du kennst doch dieses Foto!“, beginnt Ingelore, „das von diesen New Yorker Bauarbeitern. Auf dem sie alle auf dem Gerüst , in luftiger Höhe sitzen und essen.“
„Ja, das kenne ich.“
„Siehst Du, das sagt doch schon alles. Seit dem, ist das geradezu in Stein gemeißelt. Das ist verpflichtend. So steht es geschrieben“, tut Priscilla-Jane ihr Wissen kund. Sie hebt ihre Arme in die Höhe.
„Also“, beginnt Ingelore während sie scheinbar alles auf ihrer Schreibtischunterlage mitschreibt, „dieses Gesetz ist natürlich noch unterteilt. Eben in die verschiedenen Handwerkergruppen. Handwerker ist halt nicht Handwerker. Zum Beispiel gibt es mehrere Paragraphen nur für Glasreiniger.“
„Ja genau. Die an Hochhäusern werken und die an Niedrighäusern arbeiten. Nicht zu vergessen, die in Häusern beschäftigt werden.“ Priscilla-Jane greift sich theatralisch an die Stirn.
„Aber die müssen doch auch während des Essens auf dem Gerüst gesichert sein, oder?“, fragt Tilly.
Ingelore und Priscilla-Jane sehen sich an, sie verdrehen die Augen.
„Tilly, jetzt mal ernst. Wie sieht das denn aus?!“, meint Priscilla-Jane Kopfschüttelnd.
„Außerdem Tilly, Frühstück, denk doch mal nach! Frühstück, dass sind Pausenzeiten! Lässt Du Dir vorschreiben wie Du Deine Pause verbringst? Jetzt mal ehrlich?“, fügt Ingelore hinzu, indes sie den Stift auf den Schreibtisch knallt.
„Ihr habt so recht! Gesetze sind so einfach, so einleuchtend!“ Tilly sieht nach oben ihre Arme weit öffnend. Priscilla-Jane zieht ihr weitausgeschnittenes T-Shirt zurecht. Das Telefon klingelt.
„Wer stört denn jetzt schon wieder?“ Ingelore schüttelt den Kopf.
„So eine Frechheit, uns während des Gesprächs zu unterbrechen. Manche haben überhaupt keinen Anstand“, pflichtet ihr Priscilla-Jane bei.
Tilly hebt den Hörer missbilligend ab. „Hallo Herr Dr. Strittig, was kann ich für Sie tun?“, flötete sie, „ Ach ja Chef, die Police. Ich bring sie gleich.“ Sie rollt mit den Augen. „Bitte? Sie warten schon seit drei Tagen auf die Police? Ja, tut mir leid aber wir hatten hier so viel zu tun …“