Veröffentlicht: 29.12.2019. Rubrik: Unsortiert
Leseprobe Driura
Da ist sie wieder, eine ferne Erinnerung. Sie scheint zum Greifen nahe zu sein. Es ist als wäre sie aus einem anderen Leben. Doch bevor ich sie zu fassen bekomme, verblasst sie vor meinen Augen.
Die Vögel wecken mich an diesem Tag. Wieder ist da dieses unerklärliche Gefühl irgendetwas Wichtiges verloren zu haben. Als würde etwas fehlen. Doch genauso schnell wie dieses Gefühl aufkommt, verschwindet es auch wieder. Nur der Gedanke an die verschwommene Erinnerung will mich nicht los lassen. Es ist jede Nacht dasselbe…
Ich träume von einer Stadt. Die Menschen dort kommen mir bekannt vor und doch sind sie mir fremd. Da ist diese Frau, sie ruft meinen Namen. Es scheint als wäre sie besorgt, als hätte sie Angst um mich. Doch ihr Gesicht ist nicht zu erkennen. Und dann wache ich auf.
Ich öffne die Augen und blinzle gegen das hereinströmende Morgenlicht an. Langsam setze ich mich auf und sehe mich in meinem kleinen Zimmer um. Außer einem Schreibtisch einem Bett & einer kleinen Kommode aus Holz -die ich selbst gebaut habe, befindet sich nichts weiter darin.
Alles ist wie immer…
In den letzten fünf Jahren seitdem ich hier wohne hat sich nicht viel verändert. Weder in diesem Haus noch in meinem Leben. Jeder Tag ist zwar ein wenig unterschiedlich, trotzdem sind doch alle Tage von Grund auf gleich. Im Klartext: Ich langweile mich zu Tode.
Vielleicht sollte ich fort. Irgendwohin wo ich noch nicht war, einfach weg. Auf der anderen Seite; mein Zuhause zu verlassen fällt dann doch schwer. Es liegt so viel Arbeit in dieser kleinen Hütte. Und ich habe hier meine Ruhe. Genervt von mir selbst, quäle ich mich aus dem Bett. Ich ziehe eine kurze Leinenhose über, binde meine schulterlangen Haare zu einem Zopf und gehe nach draußen frisches Wasser aus dem Brunnen holen.
Der Wind fühlt sich warm an, obwohl es noch früh am Morgen ist. Im Gras glänzt der Morgentau und auch ansonsten liegt der Wald ruhig da. Doch oft kann der Schein auch trügen.
Ich schließe kurz die Augen um besser hören zu können. Es ist schon länger her das sich Wilderer, Räuber und die ganze andere Sippschaft in diesem Teil des Waldes herumtrieben haben, trotzdem ist es immer gut auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Nach kurzem Lauschen öffne ich sie wieder.
Nichts zu hören, nur das Rauschen des Windes und das Plätschern des Flusses hier in der Nähe.
Mein Blick geht gen Himmel. Er ist klar, nur vereinzelt sind ein paar Wolken zu sehen. Die Sonne scheint in Strahlen durch die Wipfel der Bäume.
Vielleicht werde ich heute dem Dorf einen Besuch abstatten. Meine Vorräte gehen langsam zur Neige und ich wollte eh mal wieder einen alten Freund besuchen.
Ich ziehe den vollen Wassereimer aus dem Brunnen raus und nehme ihn mit ins Haus.
Die Hütte ist nicht groß, aber für mich reicht sie. Es gibt einen Herd zum Kochen, ein Schlafzimmer und einen kleinen Raum zum Essen.
Ich habe sie damals vor einem kaputten Aquädukt gebaut. Als ich diesen Ort vor fünf Jahren aus Zufall gefunden habe, fand ich ihn auf Anhieb perfekt. Die zwei hohen Steinbögen bieten genügend Schutz und die Bäume des Waldes nochmal zusätzlich. Noch dazu ist es weitgenug vom Dorf entfernt und man hat hier seine Ruhe. Doch diese Ruhe hat seinen ganz eigenen Grund.
Die Dorfbewohner gehen sehr ungern hier her. Denn es rankt sich ein Mythos um diesen Wald. Es soll hier einen kleinen See geben. Was an sich ja nichts Außergewöhnliches ist. Doch es wird gesagt, dass dieser See etwas Besonderes ist. Laut einer Legende leben darin Nymphen. Er soll umgeben sein von blauen Blumen und das Wasser soll so glassklar sein das man den Grund sehen kann. Jedoch sobald ein Mensch es wagt eine dieser blauen Blumen zu pflücken, wird er von den Nymphen in den See gelockt und verschwindet spurlos. Doch nicht nur die Menschen verschwinden auch der See verschwindet auf mysteriöse Art und taucht zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort wieder auf.
Was mich angeht, ich glaube weder an solchen Humbug, noch habe ich diesen See jemals zu Gesicht bekommen seit ich hier lebe.
Wenn es ihn tatsächlich geben würde, hätte ich ihn schon längst mal sehen müssen. Denn ich kenne diesen Wald wie meine Westentasche.
Naja, mir soll es recht sein wenn alle denken der Wald sei verflucht.
Ich stelle den Eimer voll Wasser neben den Tisch und gehe in mein Zimmer. Dort hole ich mir ein altes ausgeblichenes braunes Leinenhemd aus meiner Kommode, was ich mir über ziehe. Die Ärmel sind etwas weiter und sind am Handgelenk wieder eng. Ich schnappe mir einen meiner Ledergürtel und binde ihn mir um. Mein Schwert stecke ich in die Schwertscheide an meinem Gürtel. Dann schnappe ich mir meinen Rucksack und mache mich auf den Weg ins Dorf.