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geschrieben 2019 von Q.A. Juyub (Q.A. Juyub).
Veröffentlicht: 26.11.2020. Rubrik: Historisches


Story XI: Das Ende

Es war das Jahr 682 nach Gründung der Stadt als der Feldherr mit dem Beinamen ‚der Fette‘ vor dem geheimen Verlies eines seiner Anwesen mit einem seiner vielen Handlanger – einem recht jungen Menschen von 29 Jahren, der ihm aber gute Dienste erwies – weilte.
„Wie Ihr befohlen habt, Imperator. Sie ist unversehrt und noch in der Verfassung mit Euch zu reden. Mit Hilfe unseres Mannes konnten wir sie noch vor Beginn der Schlacht aus dem Lager der Sklaven entführen.“
„Ausgezeichnet Gaius! Du bist listig wie eine Schlange. Wirklich ein Meisterstück, die Hexe ihren stinkenden Barbaren wegzunehmen!“
„Nicht zu schwierig! Wir ergriffen sie, als sie ihren lächerlichen Gott um Rat fragen wollte. Das machte sie wohl immer abseits des Lagers und ohne Bedeckung. Unser Mann brauchte uns nur die Zeit und den Ort zu nennen.“
„Was ist eigentlich mit dem Spion?“
„Der hat nach der Schlacht den gerechten Lohn eines Verräters bekommen!“
„Hervorragend Gaius! So wissen nur wir beide, in welcher Weise die aufsässigen Sklavenhorden bezwungen werden konnten.“
Der Gehilfe betrachtete seinen Herrn mit einem wissenden Lächeln. Er kannte den ‚Fetten‘ zur Genüge, würde sich aber bis nach dem Gespräch mit der Magierin gedulden.
Wir sollten vielleicht hier anmerken, dass der siegreiche Imperator keineswegs so korpulent war, wie es sein Cognomen andeutete. In der römischen Namensgebung dienten solche ‚Beinamen‘ dazu, einzelne Familienzweige eines mächtigen Geschlechts auseinanderzuhalten. Das konnten auch durchaus Spottnamen sein, mit denen die verehrten Vorfahren bei Zeiten ausgezeichnet worden waren. Marcus, der (Anti)Held unserer Geschichte, war eher hager gebaut, besaß aber einen Stammvater, der offensichtlich einige Kilos zu viel auf den Rippen gehabt hatte. Ansonsten war er ein harter und gnadenloser Mann, der bedingungslos seine Interessen durchzusetzen verstand. Unheimlich reich mangelte es ihm doch an der Fähigkeit, andere Menschen für sich einzunehmen. Sein riesiges Vermögen ermöglichte ihm, alle zu kaufen, die für Geld zu haben waren; aus freien Stücken folgte ihm aber niemand, und die Gekauften pflegten mit lächelndem Gesicht ihre Fäuste hinter dem Rücken zu ballen.
„Gut, ich werde jetzt mit ihr reden und Du wartest hier! Weitere Anweisungen erhältst Du, wenn ich mit ihr fertig bin.“
„Herr, soll ich nicht mitkommen? Die Frau ist gefährlich!“
Verächtlich betrachtete der bewaffnete und in voller Rüstung gekleidete Imperator seinen jungen Handlanger. Gaius war ein derartiges Weichei, wie weit herunter-gekommen die Julier doch waren.
„Keine Sorge, mein Junge. Schließlich ist das Weib doch angekettet und ihre Zaubersprüche fürchte ich nicht!“
Der ‚Fette‘ lachte bekräftigend rau auf.
„Sei vorsichtig Imperator, Sie hat irgendetwas Merkwürdiges an sich!“
Hochmütig grinsend und kopfschüttelnd betrat Marcus das fackelerleuchtete Verlies. Nachdem er die Kerkertür verschloss, betrachtete er mit stechendem Blick die kleine, braunhäutige Frau, die an der gegenüberliegenden Wand angekettet war. Forsch ausschreitend bewegte sich der mächtige Imperator auf seine unscheinbare Gefangene zu und hob ihren herunterhängenden Kopf mit der rechten Hand an, um ihr intensiv in die Augen zu sehen. Das, was er dort sah, verwirrte ihn. Dort gab es weder Furcht noch Hass, sondern nur unendliche Traurigkeit.
„Ich weiß nicht Hexe, ob Du mich verstehst! Aber Deine Sklavenhunde sind nicht mehr und ICH habe sie von der Erde getilgt. Du wirst nun auf die Art sterben, die ich für Deine abscheulichen Verbrechen für angemessen halte!“
„Ich verstehe Dich sehr gut römischer Mann. Unsere Leiber kannst Du töten, aber nicht das, wofür wir starben.“
Überrascht ließ der stolze Imperator das Kinn der Gefangenen fahren und trat einen Schritt zurück.
„Hervorragend Hexe! Ohne Dich auch mit Worten demütigen zu können, hätte es mir nur halb so viel Spaß gemacht. Ich muss auch gestehen, dass ich an Deinem Äußeren interessiert war. Ich vermochte kaum jenen Berichten zu glauben, die Dich so beschrieben wie Du bist. Wie kommt es, dass so ein reizloses Wesen wie Du diese Kreaturen beherrschen konntest? Vielleicht hast Du die einfältigen Barbaren mit ja allerlei Zauberkunststückchen beeindruckt?“
„Durch mich sprach Gott und ich zeigte den Menschen den Weg!“
Der ‚Fette‘ lachte gehässig.
„Die Götter sprechen zu einer Nymphe wie Dir? Wer denn, Hephaistos, so hässlich wie Du bist? Oder war es gar der einzige Gott der Juden, der selbst mit wertlosen Weibern wie Dir redet? Wie sieht Dein Gott denn so aus? Elend genug, will ich meinen!“
„Es ist der Gott aller Menschen und er besitzt weder Geschlecht noch Gestalt!“
Ehrlich überrascht und dennoch spöttisch betrachtete Marcus die Prophetin.
„Du bist ja eine richtige Philosophin! Was hat denn Dein schwanzloser Gott so gesagt?“
„Er redet nicht in Worten, sondern sendet mir Bilder von dem, was sein wird! Manchmal vermag ich die Bedeutung nicht zu erkennen, aber oft sehe ich den Weg und zeige ihn den Menschen.“
„Dann weißt Du ja, was Dir bevorsteht! Aber ich führe mit einer dreckigen Sklavin, die sich für die Pythia oder Kassandra hält, keine theologischen Diskussionen. Wie heißt Du und woher kommst Du? Wie kommt es neben dem Aberglauben dieser Meute, dass Du diese Bande aus Gladiatoren, Sklavenvieh und verräterischen Proletariern anführen konntest?“
„Mein Name ist Zenobia und ich stamme aus dem Gebiet, das ihr Syria nennt. Ich war einst Seherin bei den freien Stämmen der Wüste. Sklavenjäger raubten meinen Bruder Abgar und mich. Abgar entkam, ich wurde verkauft. Das ist alles! Um die letzte Antwort zu beantworten: Mit Menschlichkeit, Römer! Das ist etwas, das deinesgleichen nicht kennt!“
Der ‚Fette‘ lachte schauerlich.
„Menschlichkeit ist das Argument der Schwächlinge und Weiber! Schon immer beherrscht der Starke den Schwachen, der Mann das Weib, der Herr den Sklaven. Deshalb herrscht der Westen über die schwächlichen Völker des Ostens. Es wird wohl ewig ein Rätsel bleiben, warum jene Dir folgten!“
„Du wirst es nicht verstehen römischer Mann, aber ich werde es Dir trotzdem sagen. Weil es bei uns keine Schwachen und Starken, keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gab. Ich herrschte auch nicht über meine Brüder und Schwestern, sondern wir waren eins. So starben wir gemeinsam für unseren Weg.“
„Große Worte Sklavin! Nun höre und verzweifle! Einer Deiner ‚Brüder‘ hat Dich und seine Mitgenossen verraten! Es war jemand ganz in deiner Nähe, den wir den ‚Spartaner‘ nannten. Seinen Namen werde ich Dir nicht verraten, so grüble und verzweifle. Warum meinst Du wohl, hat Deine einige Bande Dich gezwungen, wieder zurück in den Süden zu marschieren, obwohl ihr hättet über die Alpen entkommen können? Wer meinst Du hat Crixus und Gannicus auf die Idee gebracht, sich mit dem besten Teil Deiner Horde von Dir zu trennen, auf dass wir ihre Bande vernichten konnten. Die Exzesse Deiner edlen Bande! Das hat alles unser Mann bewirkt! Schade nur, dass Dein allwissender Gott Dir die Natter nicht offenbart hat! Aber falls es Dich tröstet: Er ist Dir auf Deinem Weg vorangeschritten.“
„Dein Mann hat getan, was er tun musste. Was Du nicht begreifst römischer Mann: Wir sind alle nur Menschen mit Schwächen und Stärken. Wir haben Böses und Gutes getan, aber wir strebten nach einer besseren und gerechteren Welt. Das wird immer unser Vermächtnis bleiben Römer und das wirst Du nicht töten können!“
„Verzweifle nun wirklich! Es lebt niemand mehr, der sich eurer Ideale erinnert. Die letzten 6000 Deiner elenden Armee hat 'der kleine Emporkömmling', den sie den ‚Großen‘ nennen, längs der Via Appia kreuzigen lassen. In weniger Jahren wird Deine anarchistische Bande aus dem Gedächtnis der Menschheit verschwunden sein.“
„Das mag sein römischer Mann! Aber wir haben unser Leben selbst bestimmt gelebt und sind als freie Menschen gegangen! Ist der Ruhm denn so wichtig? Ist es nicht wichtiger, wie man gelebt hat und gestorben ist? Ich werde zufrieden gehen!“
Widerwillig betrachtete der Imperator die Gefangene. Konnte sie denn nicht einsehen, dass sie besiegt war. Das führte zu nichts, aber eines interessierte ihn schon.
„Ich diskutiere nicht mit einer schmutzigen Sklavin. Aber eines darfst Du mir noch verraten: Hat Dein elender Sklavengott auch mein Schicksal in seiner unendlichen Einfalt offenbart?“
„Ich sah Dich!“
„Ach wirklich, so sprich!“
Marcus versuchte seinen Worten einen sarkastischen Tonfall zu geben, was aber gründlich misslang.
„Mächtig wirst Du als einer der Drei, aber der vor dieser Tür wird mächtiger als Du!“
Erleichtert lachte der ‚Fette‘ auf. Dies war nun so absurd, dass seine aufkeimende, abergläubische Furcht wie weggeblasen war.
„Was Gaius? Weißt Du Hexe, was sie über ihn sagen: Aller Frauen Mann und aller Männer Frau. Aber eigentlich bist Du in guter Gesellschaft. Auch der alte Diktator war der Meinung, in unserem Gaius ‚stecke mehr als ein Marius‘. Aber das ist ja kein Kunststück, der alte Feind des Diktators war zwar ein hervorragender Schlächter, aber ansonsten ein elender Bauerntölpel. Zum Schluss wird unser Gaius noch Gallien erobern. Weiter Hexe.“
„Nie wirst Du Dein Ziel erreichen. Dein Leben und Dein Ruhm werden dort enden, wo ich herkam.“
Die Aura des Raumes hatte sich unmerklich während der letzten Worte der Prophetin geändert. Der Imperator spürte die Gegenwart von etwas, das unendlich mächtiger war als er und fürchtete sich.
„Du stirbst, Hexe!“
Mit einem Stich seines Gladius durchbohrte der ‚Fette‘ die Brust der Prophetin und blickte erwartungsvoll in die Augen der Sterbenden. Die Zufriedenheit, die er wider Erwarten dort sah, ließ ihn den Blick abwenden.
Unzufrieden verließ Marcus den Kerker.
„Gaius, mein Freund, sieh zu, dass die Leiche verschwindet. Die Belohnung, die Dir zusteht, werde ich Dir dann persönlich geben.“
„Selbstverständlich Imperator! Aber wegen meiner Belohnung sollten wir hier ein paar Worte wechseln!“
„Was?“
„Für den Fall, dass ich ähnlich wie unser 'Spartaner' bezahlt werden sollte, könnte es sein, dass unser kleines Geheimnis öffentlich wird. Ich befürchte sehr, dass könnte dann das Ende einer hoffnungsvollen Karriere werden.“
Überrascht blickte Marcus den unterschätzten Handlanger an, der anfing, seinen Status eindeutig zu verbessern. Aber Unsinn, Gaius würde immer ein zwar cleverer, aber unbedeutender Mitläufer bleiben.
„Was willst Du? Zwei Millionen Sesterzen Schweigegeld, Du Habenichts?“
„Liebster Marcus, kein Geld! Aber nächstes Jahr eine Quästur in Hispania. Du wirst sehen, das Geheimnis Deines Erfolges ist bei mir gut aufgehoben.“
„Gaius, Du erstaunst mich. Ich helfe gerne meinen Freunden, vor allen Dingen, wenn sie ihren Platz kennen und diskret sind.“
„Ich werde immer zu euch aufsehen, liebster Marcus. Wir sollten diesen unangenehmen Ort verlassen und meine Männer ihre Pflicht tun lassen; die werden übrigens nach vollendeter Mission weiterbefördert.“
Der Imperator nickte zufrieden. Die letzten Zeugen aus dem Weg geräumt, Gaius war wirklich zu kostbar, um ihn, wie ursprünglich geplant, zu beseitigen.
„Marcus, ich hätte da eine Idee, wie wir dieser hässlichen Sache eine andere Richtung geben könnten!“
„Gaius, ich verstehe nicht ganz, auf was Du hinauswillst?“
„Mein guter Marcus, es ist doch eine ziemlich peinliche Angelegenheit, dass das mächtige Rom von einer Frau besiegt wurde; wenn es auch eine Hexe war. Falls wir dafür eine führerlose Sklavenhorde verantwortlich machen, ist das ebenfalls wenig ruhmreich. Ich denke, wir sollten den ‚Spartaner‘ posthum als genialen Bösewicht aufbauen. Am besten, ich weiß, das ist lächerlich, als cleveren und kampfkräftigen Gladiator, der die Bande geführt haben soll. Für Dich und Rom wäre es dann äußerst ruhmreich, ein solches Ungeheuer besiegt zu haben.“
Nachdenklich nickte der mächtige Feldherr.
„Klingt logisch, das könnte funktionieren. So machen wir es!“ (…)
Hier endet diese Geschichte. Zu den Geschehnissen der folgenden Jahre seien hier einige Anmerkungen gemacht. Marcus, Gaius und der 'kleine Emporkömmling' verbündeten sich und beherrschten als erstes Triumvirat gemeinsam Rom. Gaius eroberte tatsächlich ganz Gallien und mauserte sich vom Juniorpartner zur Ebenbürtigkeit mit dem Emporkömmling. Da der ‚Fette‘ nun gegenüber seinen beiden Kollegen ins Hintertreffen zu geraten drohte, beschloss er, das Partherreich im Osten zu überfallen und dort, auf dem Boden Syriens und des Iraks, eine römische Provinz zu errichten. Ein Führer der freien Stämme namens Abgaros überzeugte den 'neuen Alexander', der zu seinem außerordentlichen Nachteil kein so gutes Namensgedächtnis besaß, mit seinem mächtigen Heer den Weg ins Verderben zu nehmen. So führte der ‚Fette‘ sieben römische Legionen in den Tod und verursachte eine der katastrophalsten Niederlage in der römischen Geschichte. Bevor er starb, durfte er den Kopf seines ältesten Sohnes auf einer parthischen Lanze bewundern; sein eigenes wurde später spontan von einer griechischen Schauspieltruppe zur Belustigung des parthischen Königs verwendet. Manche sagen, er wäre von den Göttern verflucht worden, aber ich denke, es war nur ein Gott.
Die Historiker unter uns, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass dies nur eine simple Fantasy Story ist!

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