Veröffentlicht: 02.11.2016. Rubrik: Persönliches
Routine
„Du musst zugeben, dass dein Timing nicht gerade perfekt ist.“
Sie sah mich an, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie trug einen weiten grauen Morgenmantel und diese völlig merkwürdigen Pantoffeln mit Häschenohren. In ihrer Wohnung läuft das Radio. Ein trauriger Song, der mich noch mehr runter zieht.
Ich sah zu Boden, zu diesen Pantoffeln und fühlte mich unwohler als jemals zuvor.
„Deswegen bist du hergekommen?“
Ich nickte und schob die Brille mit dem Mittelfinger der rechten Hand den Nasenrücken hinauf. „Ja, deswegen bin ich hier hergekommen. Hör zu. Ich habe in den vergangenen Tagen reiflich darüber nachgedacht und mich dieser Möglichkeit geöffnet.“
„Es ist zu spät, Sven.“
„Wie kann es zu spät sein? Ich habe es vorher nicht gewusst.“
„So hätte es auch bleiben sollen.“
Ich seufzte. „Sarah, hör zu. Gib mir bitte einen Moment. Ich habe den Gedanken zugelassen und darüber nachgedacht. Warum sollten wir es nicht miteinander probieren?“
Ihr Blick war voller Zweifel. „Nun, weil du offensichtlich auf Männer stehst.“
„Ja. Genau davon war ich ja auch überzeugt, bis du in mein Leben getreten bist und alles auf den Kopf gestellt hast.“
„Sven, geh nach Hause. Mirko wartet sicherlich schon auf dich.“
„Ich scheiß auf ihn, Sarah. Ich bin bereit, es mit dir zu versuchen.“
„Versuchen? Das kommt nicht in Frage. Ich habe einen Freund.“
„Warum hast du diese Tür dann geöffnet?“
„Keine Ahnung. Vielleicht war ich einfach viel zu betrunken und du warst es schließlich auch. Belassen wir es doch einfach dabei.“
„Wie soll das gehen? Jetzt, wo die Tür geöffnet ist, kann sie nicht einfach wieder geschlossen werden. Das ist verdammt noch mal kein verdammter Film.“
„Sven... Es tut mir leid.“ Sie ging zurück in ihre Wohnung und schlug mir die Tür vor der Nase zu.
Ich starrte die Tür an und hoffte, sie würde sich wieder öffnen und sie würde ihre Entscheidung überdenken. Doch das tat sie nicht.
Enttäuscht wandte ich mich ab und stieg die unzähligen Stufen langsam hinunter. Ich verließ das Haus und trat in die kühle Herbstnacht hinaus. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, fing es zu regnen an.
Ich schloss meine Jacke, setzte die Kapuze auf und machte mich auf dem Heimweg. Dieser war mir noch nie so lang vorgekommen.
Ein Pärchen kreuzte meinen Weg. Sie bei ihm eingehakt, unter dem Regenschirm, welchen er hielt. Ihr Kopf auf seine Schulter. Ich spuckte ihnen angewidert vor die Tür und ging weiter, während er sich aufregte und mir hinterher fluchte.
Eine viertel Stunde später war ich zu Hause.
Ich hing die Jacke an der Flurgarderobe auf, wo sie vor sich hin tropfte.
Mirko saß auf dem Sofa und schaute irgendeinen schlechten romantischen Film.
Ich setzte mich neben ihn auf das Sofa.
„Wo warst du“, fragte er.
„Bei einer Freundin.“
„Du hättest anrufen können.“
„Es tut mir leid.“
„Ich habe mit dem Essen auf dich gewartet. Ich fürchte aber, es ist nur noch lauwarm.“
Er hatte Spaghetti gekocht und ein eigenes Pesto gemacht.
Ich setzte mich an den Esstisch, während er den Rotwein entkorkte, den ich so gerne trank.
Mirko setzte sich mir gegenüber. „Guten Appetit.“
„Guten Appetit.“
Wir aßen schweigend.
"Schmeckt es", fragte er.
Ich nickte und dachte nur, dass es mir leid tun sollte.