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geschrieben von DieRotenHäuser.
Veröffentlicht: 23.08.2016. Rubrik: Unsortiert


Die roten Häuser - Episode 1 Rote Kindheit

»Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, dann eigentlich nur an die Zeit, in der ich schon älter als zehn Jahre alt war. Erst dann waren wir fortgezogen von den roten Häusern.
Alles davor ist sehr vage - eher wie etwas das man geträumt hat oder so. Ich kann mich schon daran erinnern, aber irgendwie ist sehr ... unwirklich. Ich erinnere mich zwar an das alte Parkett und die rot-lackierten Treppen. Den Geruch von Holz. Alles war sehr großzügig gebaut worden. Doch in meiner Erinnerung ist das ein unechter Ort.
Mein Vater hatte, schon wie mein Großvater, dort gearbeitet und als nachdem Krieg die Russen uns besetzt hatten, sollten die Fabriken und Bergwerke erweitert werden. Aber irgendwie lief das Ganze nicht so. Um uns herum sind viele Menschen fortgezogen. Nach und nach.
Die Arbeit war ja der einzige Grund dort zu bleiben und ohne diese gingen die Menschen. Alle wollten von dort weg. Wir waren einige der Letzten, nur einige alten Menschen sind dort geblieben. Irgendwann in den 60er Jahren waren die Häuser dann ganz und gar verlassen.«

»Was fühlen Sie, wenn Sie an diese Zeit denken? Das alle um Sie herum wegziehen? Einsamkeit? Verlust?«

»Angst. Aber nicht vor dem Verlassen werden - je weniger Menschen uns umgaben, desto unsicherer wurde es. Meine Mutter wollte nicht das ich alleine bin. Einmal verschwand ein Mädchen, vielleicht deswegen. Ich glaube sie hieß Lisa oder Lisbeth. Sie war ungefähr in meinem Alter, denke ich.

Wobei - ich hab das Mädchen noch öfters gesehen, auch als sie schon verschwunden war - oben unterm Dach, in den ehemaligen Tagelöhner Quartieren. Dort oben war damals ein prima Spielort; unübersichtlich und verwinkelt gebaut. Viele leere Räume in denen man machen konnte was man wollte. Die Zimmer wurden schon lange nicht mehr gebraucht. Man konnte dort immer was entdecken. Und ich hab das Mädchen entdeckt.
Ich wusste natürlich das alle sie suchten - aber irgendwie hatte ich Angst es den Erwachsenen zu erzählen. Genauso habe ich mich vor ihr gefürchtet. Sie war ... Sie war ... anders geworden. Das war nicht mehr das Mädchen das ich gekannt hatte.
Jetzt spielt mir meine Erinnerung einen Streich.«

»Nein, erzählen sie an was Sie sich zu erinnern glauben - nicht viel nachdenken - einfach frei heraus.«

»Na gut - aber es ist schon sehr merkwürdig. Das erste mal dachte ich das Mädchen wäre tot, so wie sie in dem Schrank lag. Nackt zwischen den alten Klamotten im Staub. Doch plötzlich griff sie nach mir und schlug die Augen auf; und doch waren da keine Augen. Sie sagte etwas, an das ich mich nicht mehr erinnern kann. Ich konnte nur ihren zahnlosen Mund anschauen. Sie hatte keine Zähne mehr. Ich riss mich los und sie schrie mir wütend hinterher. Von da an besuchte Sie mich Nachts. Oft wenn ich Nachts aufwachte, sah ich sie an der Wand stehen und mich anstarren - ich habe mir dann immer die Decke über den Kopf gezogen und gebetet. Als ich ihr zum letzten Mal begegnet bin, stand sie in einem Zimmer unter dem Dach. Hat mich aber ignoriert. Da sah sie sehr jung aus, jünger als sie hätte sein dürfen, ich war ja inzwischen auch schon viel älter geworden. Vielleicht habe ich mir das alles auch nur eingebildet. Aber der Verbleib des Kindes wurde nie geklärt. Jedenfalls wollte unsere Mutter, dass ich und meine Geschwister nie allein sind.
Noch heute habe ich oft Probleme, wenn ich das Gefühl habe, dass niemand im Nebenzimmer oder so ist.
Es ist als ob etwas in einem Käfig lauert und wenn man alleine ist sind die Gitterstäbe verschwunden...«

»Und dieses Gefühl haben Sie seit dieser Zeit? Die Bedrohung der Einsamkeit?«

»Es ist gar nicht die Einsamkeit - allein ist man... ausgeliefert trifft es am ehesten. Damals bei den roten Häusern durfte man nie allein sein.«

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