Veröffentlicht: 09.10.2024. Rubrik: Menschliches
Besuch im Herbst
Der Herbst in diesem Jahr ist grau und dunkel. Zu dieser Zeit gehe ich nicht oft vor die Tür und bleibe lieber mit einem Buch auf meinem Sessel. Dann höre ich die Regentropfen gegen mein Fenster schlagen und das Feuer im Kamin knistern.
Es ist ein regnerischer Tag Anfang Oktober. Ich bleibe den gesamten Morgen in meinem Haus. Es ist viel zu stürmisch draußen, um ein Fuß vor die Tür zu setzten.
Also sitze ich da mit einer heißen Tasse Pfefferminztee und einer Zeitung und genieße den Tag zu Hause. Irgendwann kann ich meine Augen nicht mehr offen lassen, denn der Regen macht mich müde und so falle ich in einen tiefen Schlaf.
Als ich meine Augen wieder öffne ist es schon dunkel draußen, nun es wurde nie hell, doch es hat sich noch einmal zugezogen. Der Wind tobt durch die Gegend und zieht über das gesamte Land.
Ich stehe von dem alten Sessel auf, wobei ein Schmerz mir durch den Rücken fährt, und gehe hinauf. Ich habe schon ein Fuß auf die Stufe gesetzt, als ich plötzlich ein Geräusch höre.
Es ist ein Knarren von draußen, als würde jemand vor meiner Tür stehen.
Es ist viel zu stürmisch draußen, sodass ich es nicht für wahr halte, nur ein Streich meiner Fantasie und ich nehme eine zweite Stufe, als das Knarren wieder zuhören ist, darauf folgt ein Klopfen.Ich spüre ein merkwürdiges Gefühl durch meinen Körper ziehen. Es muss jemand vor der Tür stehen, da bin ich mir nun sicher.
Doch wer mag es sein? Ein Freund kann es nicht sein, ich bekomme keinen Besuch.
Von allen Zweifeln geprägt gehe ich zur Tür und lausche. Es ist nichts mehr zu hören.
Ich bin beruhigt und gehe wieder zur Treppe, als ich eine Stimme höre.
„Bitte machen sie auf. Ich weiß, dass sie da sind. Es brennt ja noch Licht.“
Ich kenne die Stimme nicht, doch sie hörte sich so lieb und zärtlich an, dass ich nicht dem Versuch widerstehen kann, das Gesicht hinter der Tür zu betrachten.
Also eile ich zur Tür. „Ich komme ja schon.“ meine ich und öffne sie.
Dahinter erkenne ich das schönste Geschöpf, dass ich je gesehen habe. Ihr Gesicht ist von makellosen Schönheit und ihre Harre sind engelsgleiche blond.
Ich schaue unsicher in das Gesicht und wundere mich, wer sie ist.
„Guten Abend.“ meine ich nach einer kurzen Pause.
„Guten Abend. Sind sie Mr. Lawrence?“ meint sie vorsichtig.
Ich schaue sie verwundert an. Woher kennt sie meinen Namen?
„Ja.“ meine ich nur.
Sie schaut unsicher in mein Gesicht und dann ist ein vorsichtiges Lächeln auf ihren Lippen zu erkennen.
„Ich bin heute morgen im Regen aus London losgefahren, jedoch ist am Bus ein Reifen geplatzt, deshalb bin ich erst jetzt angekommen. Ich bin gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass meine Mutter verstorben ist.“
Ich bin von ihren Worten verwirrt.
„Du musst dich im Haus geirrt haben. Ich kenne dich nicht und auch nicht deine Mutter. Entschuldigung, aber einen guten Abend.“ meine ich und möchte schon die Tür schließen, doch das Kind stellt im letzten Augenblick ihren Fuß vor die Tür.
„Natürlich kennen sie mich nicht. Als sie meine Mutter kannten war ich noch nicht geboren.“ meint sie, als wäre es das selbstverständlichste.
„Wie ist denn dein Name?“ frage ich genervt, sicher dass sie sich geirrt hat, aber meine Neugierde lässt mich nicht los.
„Mary.“ meint sie.
Ich schaue sie nur genervt an.
„Ich meine deinen vollen Namen.“
„Sagen sie das doch gleich. Ich heiße Cornwall. Mary Cornwall.“
Bei diesem Namen schrecke ich zurück und schmeiße die Tür zu.
Nach kurzem überlegen gehe ich wieder zur Tür. Es war unhöflich sie einfach im Regen alleine draußen stehen zu lassen. Und öffne die Tür wieder. Das Mädchen steht immer noch am selben Fleck und schaut mich mit ihren großen Augen an.
Keiner sagt ein Wort.
„Komm doch herein.“ meine ich irgendwann.
Das Mädchen folgt mir in das Wohnzimmer und lässt sich auf einem Stuhl neben dem Kamin nieder. Ich schaue sie unsicher an.
„Du bist also das Kind von Eliza?“
„Ja. So hieß sie.“
Als ich realisiere, dass das Mädchen meinte, dass sie gestorben ist fängt mein Herz an zu rasen und meine Beine werden weich und ich sinke zu Boden.