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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Kargut (Kargut).
Veröffentlicht: 27.09.2024. Rubrik: Satirisches


Es begab sich aber zu der Zeit

dass eine junge Frau vom Land nicht länger ledig sein wollte.
Wir schreiben das Jahr 1980 nach Christus. Die biedere Josefa aus Kleinkleckerskirchen ist bereits seit mehreren Jahren die einzige Frau ihrer Altersgruppe, die noch nicht den passenden Deckel für sich gefunden hat. Und das, obwohl sie seit ihrer Pubertät, jedes – wirklich jedes – Dorffest im Umkreis von 30km besucht. Jedes Mal hofft sie: heute finde ich meinen Prinzen - oder wenigstens einen Frosch. Leider immer vergebens. Ok, die Proportionen ihres Körperbaus entsprechen nicht denen eines Topmodels und ihr IQ liegt nur knapp im dreistelligen Bereich, aber dafür ist Josefa die treuste Seele auf Gottes Erden, mit inneren Werten und mehreren Hektar Ackerland.
„Jetzt oder nie“, denkt die Dorfschönheit und beschließt, das Oktoberfest in München zu besuchen. Mit ihrem Festtagsdirndl, weißen Kniestrümpfen und einer aufwendigen Flechtfrisur putzt sich Feffi – wie sie ihre Familie liebevoll nennt - heraus und fährt mit dem Zug in die Landeshauptstadt. Ihr ist wichtig, noch zur Mittagswiesn vor Ort zu sein. Dann sind die Männer noch nüchtern und man kann sich mit ihnen unterhalten – denkt sie. Vor dem Betreten des ersten Bierzelts stellt Josefa sicher, dass ihr „Holz vor der Hüttn“ bis knapp unter das Kinn hochgedrückt, und optimal in Szene gesetzt ist. Selbstbewusst schlendert sie durch die Gänge und erblickt einen reinen Herrentisch. „Darf i mi hinsetzen ?“ lautet ihr missglückter Versuch, nicht durchblicken zu lassen, dass sie vom Land ist. „Hock di hi“, sagt einer der Burschen. „Bist alloa do ?“, setzt er noch nach. „Jo“, antwortet Josefa und bekommt dabei feuerrote Bäckchen. „Aha, a Oaschichtige“, erwidert der Frager, mit einem vernichtenden Unterton und wendet seinen Blick sofort wieder von ihr ab. Wie Josefa dieses Wort hasste. Da hätte er sie auch gleich eine „Alte Jungfer“ nennen können. Mit der Ausrede, das Stille Örtchen zu suchen, steht sie auf und geht zum nächsten Zelt.
Im Hofbräu stößt Feffi allerdings bereits bei der Frage, ob sie sich setzen darf, an ihre Grenzen. „Say what ?“, „Cosa vuoi ?“ lautet die Gegenfrage der Herrn der Schöpfung. Also nichts wie raus und weiter ins Augustiner. Dort traut Josefa ihren Augen nicht. So weit das Auge reicht: Männer – wirklich nur Männer ! Und was für fesche ! Da geht bestimmt was. Sie nimmt Platz, bestellt sich eine Maß und sucht Blickkontakt zu allen und jedem. Bei „die Krüge hoch“, prostet sie, mit einem breiten Strahlen, in die Runde. Aber weder ihr Blickkontakt, noch das Strahlen werden erwidert. Aus Frust nimmt sie noch ein paar große Schluck des süffigen Wiesnbiers, was schon bald einen Gang zum WC unvermeidbar macht. An ihrem Ziel angekommen schreckt Josefa zurück. Sodom und Gomorra – was ist das denn ? Männer die sich küssen – sogar mit Zunge – und an den Po fassen. Jetzt dämmert ihr, warum niemand von ihr Notiz nimmt. Schnell weg hier.
Fürs Erste ist sie bedient von Bierzelten. “Jetzt schau ich mir die Fahrgeschäfte an“, nimmt sich Josefa vor. Für den Fünferlooping hätte sie mindestens noch eine zweite Maß trinken müssen, genau wie für den Skyfall. Aber die Krake, die sieht gemütlich aus – denkt Josefa - und kauft einen Chip. Sie steigt ein und genießt – noch. Die Gondel und die Plattform drehen sich schneller und schneller und zwar in entgegengesetzte Richtungen. Der Arm, an dem die Gondel hängt, schnellt in die Höhe und senkt sich und Josefa klammert sich, kreideweiß im Gesicht, an den Sicherheitsbügel.
„Heilige Maria, Mutter Gottes“, betet sie, „lass diese Fahrt schnell enden.“ Die Krake wird endlich langsamer und Feffi weiß nun, dass sie lediglich die letzten und harmlosesten Sekunden der Fahrt gesehen hatte, bevor sie eingestiegen war. Dumm gelaufen. Mit weichen Knien geht sie weiter und erblickt den „Fliegenden Teppich“. „Basst“, sagt sich Josefa. Das dreht sich nicht, die Höhe ist auch ok – also nix wie hin. Sie nimmt Platz und genießt es – noch. Die Sitzbank beginnt nach vorne zu kippen, schaukelt zurück und kippt wieder nach vorne. Immer weiter, immer weiter. Fast stehen die Fahrgäste auf dem Kopf – die Erdanziehung ist nicht mehr aufzuhalten und Josefa hat die Qual der Wahl: halte ich meine Handtasche oder mein gut bestücktes Dekoltee ? Oh je, die Überlegung kommt zu spät, denn zu tief ist der Ausschnitt des Dirndls und zu üppig die Füllung, um sich der Schwerkraft widersetzen zu können. Mit einem gellenden Schrei fixiert Feffi ihre Handtasche und befördert hektisch ihre freiliegenden Brüste unter den Stoff des Gewandes. „Grund Gütiger, hoffentlich hat das niemand gesehen und hoffentlich kennt mich niemand“, sind nur zwei der tausend Dinge, die Josefa durch ihren hochroten Kopf gehen, als sie das Fahrgeschäft verlässt.
„Jetzt reichts – jetzt mog i nimmer !“ sagt die Dorfschönheit zu sich selbst und begibt sich zur U-Bahnhaltestellte. Fast senkrecht führt die Rolltreppe 34 Meter in die Tiefe. Auf ihren Stufen stehen, teils mehr, teils weniger standhafte Besucher. Der 2 Metermann hinter ihr schwankt wie eine Weide im Sturm. Grund genug für Josefa ein „Vater Unser“ zu beten, denn wenn dieser Koloss fällt, dann fällt nicht nur sie sondern auch alle, die sich vor ihr auf der Treppe befinden – und das sind Viele, sehr Viele. Zum Glück sind ihre Bedenken unbegründet. Sie hechtet in die U-Bahn und nimmt mit einem lauten Seufzer Platz. „Nie wieder. Nie, nie wieder – lieber bleib ich ledig !“ sagt Josefa zu sich selbst und wenn sie nicht gestorben ist …

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Bad Letters am 28.09.2024:
Kommentar gern gelesen.
Vielleicht hätte Feffi lieber fahren sollen Kargut, wo die Mannsbilder nicht mehr ganz nüchtern, aber auch noch nicht randvoll sind. In diesem entspannten Zwischenstadium, verirrt sich der Mann ganz gern einmal, um sich am nächsten Morgen dann umso mehr zu wundern.😉

MfG
Bad Letters


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