Veröffentlicht: 18.08.2024. Rubrik: Historisches
Die Konfirmation
Ich weiß nicht, wie es in Städten ist bzw. war, aber in meinem Geburtsort – einem 900 Seelendorf in Hessen – war die Konfirmation ein ganz besonderes Ereignis. Alleine schon wegen der Tatsache, dass es sich um kein Einzelfest handelt, sondern alle 14-Jährigen mit evangelischer Konfession, am selben Tag konfirmiert werden. Das konnten bei den Jahrgängen der Babyboomer leicht 20 Jugendliche und mehr sein. Die eigentliche Bedeutung der Konfirmation war den meisten von uns fremd, oder besser gesagt egal. „Ein voll verantwortliches Mitglied der Kirchengemeinde sein“ – oder „den Kirchenvorstand wählen dürfen“ – Na und ! Ganz anders sah es da schon mit der Tatsache aus, dass es an diesem Tag eine große Feier und jede Menge Geschenke gab. Bereits Monate im voraus waren alle Dorfgemeinschaftshäuser und Lokale in der Umgebung ausgebucht. Die Familien waren groß und der Wohnraum knapp, da musste notgedrungen eine Alternative gesucht werden.
Genau wie bei Hochzeiten brachten die Dorfbewohner Eier, Mehl, Zucker und andere Backzutaten in die Häuser der Konfirmanden und jeder erwartete, dass er oder sie für diesen Obolus auch eine Einladung zum Kaffeetrinken bekommen würde. Die Frauen aus der direkten Nachbarschaft wurden, ganz selbstverständlich, für die Ausrichtung des Fests mit eingeplant: Kuchen backen, Kaffee kochen, Tische decken, Geschirr spülen u.s.w. Ein Brauch, den man heute als reine Zumutung betrachten würde.
Damals war es ein festes Ritual, dem niemand entkommen konnte – genau wie der Kleiderordnung, die für die Konfirmation galt. Mädchen trugen schwarze Kleider und schwarze Schuhe und die Jungs schwarze Anzüge mit weißem Hemd, Krawatte und schwarze Schuhe. Grauenhaft. Ich, die fast ausschließlich Hosen trug, sollte nur wegen einer Konfirmation ein Kleid anziehen – und dann auch noch in schwarz, wie bei einer Beerdigung. Nicht mit mir. Und so teilte ich meiner Mutter mit, dass ich an diesem großen Tag einen Hosenanzug anziehen wolle. Sie verstand meinen Entschluss , warnte mich aber eindringlich: „und wehe Du machst einen Rückzieher und ziehst den Hosenanzug nicht an“.
Da ein schwarzer Hosenanzug damals zu keinem „Dresscode“ für junge Mädchen gehörte, kam es zu einer Maßanfertigung bei einer Dorfschneiderin. Nur die weiße Bluse und die Krawatte, die ich provokanterweise dazu anzog, bekamen wir von der Stange in der Kreisstadt Wetzlar.
Ich scheute den Dorftratsch und die Blicke der Dorfbewohner nicht und freute mich auf meinen „Auftritt“. Ich war über Wochen hinweg Gesprächsthema Nummer 1 und das 1. Mädchen, dass in dem Dörfchen Kraftsolms mit Hosen zur Konfirmation erschienen ist. Ich habe es nie bereut.