Veröffentlicht: 17.06.2024. Rubrik: Nachdenkliches
Es gibt noch alte Schachteln
Es gibt noch alte Schachteln
Du fragst nach Schachteln alten noch dazu? Neue Schachteln, gibt’s die überhaupt noch? Was nicht aus Plastik ist, ist längst Karton und bestenfalls recycelt.
Die gute alte Zigarettenschachtel, aufzuklappen wie eine Schatulle zur Darreichung von zwanzig schlanken weißen Stäbchen, sie ist längst abgelöst durch die sachlich praktische Hartbox.
Die Pralinenschachtel, scharfeckiges Kunstwerk mit sanften Anemonen, Rosen und Putten gestaltet, darin Pergament geschützt die schokoladigen Kostbarkeiten, einzeln für sich in kleinen runden Booten aus plissiertem braunen Papier, sie ist längst ersetzt durch ein Stück tiefgezogenes Plastik für maschinell geformte Zuckrigkeit in Einheitsgröße.
Die grüngoldene Seifenschachtel, darin drei einzeln in Papier gepackte Stücke, ist – sofern die Seife noch im Stück daher kommt - jetzt ökologisch eingespart wie alle anderen Schachteln der Körperpflegebranche, die längst in Tuben und Flaschen aus Polyethylen abfüllt.
Und die Königin der Schachteln, die runde gedeckelte Hutschachtel, rosa und weiß gestreift, mit dem Niedergang der Hutmode verschwand auch sie.
Die noch verbliebenen Exemplare der alten Schule überdauern in Schränken und Schubladen, um Stickgarn, Fotos oder Liebesbriefe zu verwahren, abgegriffen, platt gedrückt, mit durch Überfüllung aufgesprungenen Ecken und Erinnerungen an ihren ersten großen Auftritt. Sie überdauern mit ihrem ewig nicht mehr nachgefragten Inhalt wie die fadenscheinige quadratisch vergilbte Schachtel, in der ich bei der Auflösung der elterlichen Wohnung den Zylinder meines Vaters vorfand, einen Chapeau Claque. Kennst du das noch?
Alte Schachteln, mit halb vergessenen Schätzen gefüllt, mit abgestoßenen Ecken, Bildern vergangener Epochen, aus der Zeit gefallener Träume - sind das vielleicht auch du und ich?
Alte Schachteln sind kostbar und doch haltbar genug um etwas Neues hinein zu tun!