Veröffentlicht: 04.02.2024. Rubrik: Nachdenkliches
Jede Nacht fehlst du mir
Jede Nacht wache ich zur gleichen Zeit auf, ganz ohne Wecker, besser geht’s eigentlich nicht.
Ich wage kaum ein Auge zu öffnen.
Fast auf die Minute weiß ich wie spät es ist, der Wecker zeigt 3:10, meine innere Uhr funktioniert offensichtlich perfekt.
Ich wälze mich herum, mein Körper ist todmüde, der Kopf hingegen hellwach. Meine Gedanken rasen in irrem Tempo herum, zwischen den wachsenden Arbeitsbergen, Tierarztterminen, Weihnachtsgeschenken und dem endlos langen Arbeitsweg. Entspannung wäre dringend nötig, doch dieser Luxus wird schnell auf später verschoben.
Das Gedankenkarussell dreht sich immer schneller, ein Höllentempo ist das.
Mir wird schwindelig und schlecht.
Dabei bin ich als Kind so gern Karussell gefahren. Aber jetzt ist alles anderes, keine Zeit für Spaß, nur mehr Verpflichtungen.
Ich versuche mich zu beruhigen. Wie war das mit Schäfchen zählen und meditieren?
Nichts hilft. Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Mir ist das schon länger klar. Meine größte Sorge ist, dass das bald auch andere bemerken. Das muss ich um jeden Preis verhindern. Ich werde meine Augenringe besser abdecken und lächeln obwohl ich bei jeder neuen E-Mail den Tränen nahe bin. Ich starre auf die Worte. Was, in aller Welt, möchte der Absender von mir? Eine einfache Nachricht sorgt für komplette Überforderung. Wem soll ich das erzählen, wer versteht das, wo mir nicht mal selbst klar ist, was mit mir los ist. Nicht nachdenken, lieber verdrängen und weitermachen wie bisher.
Langsam schwanke ich in die Küche, jeder Schritt mühsamer als der vorige, als würde ich eine tonnenschwere Last schleppen.
Die Minuten kriechen dahin, noch immer stockdunkle Nacht, Stille, nur die Kaffeemaschine läuft.
Ich sinke zu Boden. Verzweiflung und Erschöpfung überrollen mich wie eine gigantische Lawine. Wäre ich doch nur unter einer echten Lawine begraben, dann wäre es bald vorbei. Ein Gedanke wie eine Erlösung, ich kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten.
Ich weiß doch genau, ich will leben, nichts mehr als das, meine Arbeit gut erledigen, aber mein verdammter Körper spielt nicht mit. Ich fühle mich hilflos ausgeliefert, habe eine solche Wut auf meinen schwachen, schmerzenden Körper, der mich jeden Tag mehr im Stich lässt.
Keinesfalls lasse ich zu, dass ich zusammenbreche und mit mir mein ganzes Leben.
Mein Entschluss steht fest.
Ich hole mir Schlaftabletten.
Wenn ich nur wieder schlafen kann, wird bestimmt alles gut.
Langsam spüre ich die Hoffnung zurückkehren, der Kaffee duftet.
Ich setze mich zum Laptop, die Arbeit wartet.