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geschrieben 2018 von Sally (Sally).
Veröffentlicht: 31.10.2018. Rubrik: Spannung


Der Fall Winter

Es war mitten in der Nacht als sie wach wurde. Ihre Hand taste wie immer neben sich. Olafs Seite war leer, ein ungutes Gefühl beschlich sie.
Langsam quälte sie sich aus dem Bett, irgendwie fühlte sich ihr Kopf wie mit Watte gefüllt an und es lag eine seltsamen, ihr fremde, Schwere auf ihren Knochen.

Sie ging im dunklen ins Wohnzimmer, es war ungewöhnlich still. Die Tür zum Wohnzimmer war angelehnt und sie stupste sie auf. Olaf saß im Sessel, ruhig, regungslos. „Olaf? Olaf ist alles klar mit dir?“ Das ungute Gefühl verstärkte sich schlagartig, ihre Hand tastete nach dem Lichtschalter.

Was sie sah war das reine Grauen. Olaf in seinem Sessel, in seiner Brust steckte ein Messer, ein ziemlich großes Messer. Ihr Küchenmesser das sie am liebsten benutzte um Fleisch zu schneiden.
Sein Gesicht war vor lauter Schnittverletzungen kaum noch zu erkennen.
Ihr wurde übel, sie wollte sich die Hand vor den Mund pressen um nicht zu schreien. Mitten in der Bewegung hielt sie inne und erstarrte. Ihre Hand war voller Blut! Panik erfasste sie! Was war hier nur los? Sie hatte keine Ahnung, konnte sich an den letzten Abend nicht wirklich erinnern. Hatten sie gestritten wie so häufig in letzter Zeit?

Taumelnd ging sie ins Bad, wusch sich die Hände, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.
Was war hier los? Was war passiert und warum hatte sie nichts mitbekommen. Ihr Herz drohte den Dienst zu versagen.
Rasend vor Angst rief sie die Polizei an. Das Blut an ihren Händen war ja weg. Sie konnte das nicht gewesen sein! Niemals! Gut in letzter Zeit lief es nicht besonders zwischen ihnen, nach fast 10 Jahren war der Alltag ziemlich eingeschliffen. Olaf sprach in letzter Zeit häufig von Trennung, aber richtig ernst hat sie das nie genommen. Das wird eine Phase sein, so dachte sie. Olaf würde doch nie alles was sie sich aufgebaut hatten aus Spiel setzten. Das Haus, die Ferienwohnung in Spanien, einfach alles. Zwar gehörte auf dem Papier alles ihm, aber im Falle einer Scheidung stand ihr die Hälfte zu.

Sie versuchte ruhig zu bleiben. Schloss sich im Bad ein, was wenn der Täter noch hier war? Erneut erfasste sie eine Welle der Panik und Übelkeit.

Es kam ihr vor wie Stunden bis die Polizei eintraf. Dabei waren es laut späterem Bericht ganze 6 Minuten.

Die Polizisten informierten die Kripo, die Spurensicherung und einen Krankenwagen, da sie unter Schock stand. Ein Alptraum. Innerhalb von Minuten wimmelte es in ihrem Haus vor Menschen. Ihr wurden Fragen gestellt. Sie hatte keine Ahnung, war durcheinander. Das Chaos tobte in ihr.
Was war hier bloß los? Diese Frage hämmerte in ihrem Kopf.

Die Sanitäter versorgten sie mit einem Beruhigungsmittel, ins Krankenhaus konnte man sie nicht bringen. Die Beamten hatten noch viele Fragen. Man muss die Spur aufnehmen solange sie noch warm ist, hieß es. Man würde sich kurz fassen.

Ständig stand jemand anderes vor ihr. „Frau Winter, ist das ihr Mann?“ Irritiert blickte sie auf. Warum hatte sie plötzlich einen Becher Kaffee in der Hand? Ach ja, der nette Sanitäter hatte ihn ihr gereicht. Sie nippte an der Tasse, der Kaffee war schon fast kalt.
„Frau Winter, bitte nehmen sie sich etwas zusammen! Ist das ihr Mann? Olaf Winter?“ Vor ihr stand ein älterer Herr. Den Namen hat sie schon wieder vergessen.
„Ja, ja das ist Olaf“, stammelte sie.
„Frau Winter haben sie irgendetwas verdächtiges gehört?“, kam schon die nächste Frage.
„Nein, nein nichts“, kam es leise und kläglich von ihr.
Er ließ sie in Ruhe. Ein bisschen erinnerte sie der Mann an diesen Fernsehinspektor. Wie hieß der noch gleich, sie sah die Serie gerne. Sie kam nicht drauf. Ihr Gehirn war leer, das Wattegefühl verstärkte sich irgendwie noch mehr.
Man fragte weiter, wer hat einen Schlüssel von Haus, wer hat Zugang zur Garagentor etc.
Außer ihrer Putzfrau niemand.
Alles sei unbeschädigt teilte man ihr mit, ob am Abend Besuch da gewesen wäre?
Sie versuchte sich zu konzentrieren. „Ich bin früh ins Bett gegangen, mir war nicht so gut gestern. Ich weiß nicht, ich glaube es hat geklingelt, aber ich weiß nicht so genau“, stammelte sie.
Dann ging alles auf einmal ganz schnell.
Ein Beamter kam und teilte ihr mit das Fingerabdrücke auf dem Messer gefunden worden seien und ob man ihre nehmen dürfte, natürlich nur um sie zu entlasten.

Auf einmal stand der schmuddelige, ältere Beamte vor ihr. „Frau Winter, haben sie jemanden bei dem sie heute bleiben können?“ Sie überlegte, wo konnte und wollte sie jetzt hin? Ihr Gehirn war leer. Sie überlegte noch als ein anderer Mann kam und dem Älteren etwas ins Ohr flüsterte.
„Frau Winter, die Sachlage hat sich geändert. Sie stehen unter dringendem Tatverdacht und sind hiermit vorläufig festgenommen. Bitte suchen sie ein paar Sachen zusammen. Meine Kollegin wird sie begleiten.“ Eine junge Frau nahm sie am Arm, wo kam die den plötzlich her?

„Das ist doch alles ein böser Traum!“; dachte sie. Ohne Widerstand zu leisten lies sich alles über sich ergehen. „Das klärt sich alles auf!“, aber das Blut an ihren Händen sprach eine andere Sprache.
Sie war hin und her gerissen zwischen Panik und Hoffnung. Sie eine Mörderin? Nein! Das kann nicht sein! Aber das Blut an den Händen...., was war gestern Abend bloß passiert.

Schnell war der Sachverhalt für die Polizei klar. Die Beweislast erdrückend, der Prozess eine reine Formsache.

Sie bekam Lebenslänglich, mit anschließender Überprüfung auf Sicherheitsbewahrung. Ein Alptraum, ihr Leben in Scherben. Niemand der ihr glaubte, sie glaubte sich ja selber nicht mehr. Der Zweifel saß tief in ihrem Herzen. Niemand hat zu ihrer Entlastung beigetragen. Nicht ihre Putzfrau, auch nicht Olafs Bruder. Er hatte es noch nicht einmal nötig zu kommen. Dringende berufliche Termine hieß es. Die Beerdigung hat er von der Ferne organisiert. Ob jemand da war, weiß sie nicht. Die Ehe war zerrüttet hieß es von allen Seiten.
Ihre Ehe zerrüttet? Sie waren doch glücklich in all den Jahren! Stolz auf alles was sie hatten!

Dann eines Tages kam die Postkarte. Sie saß in ihrer Zelle, nahm sie entgegen und drehte sie um.
Eine Karte aus der Karibik. Wer hatte ihr geschrieben?

„Hallo Liebes! Es tut mir wirklich leid das ich nicht kommen konnte. Ich hoffe du siehst es mir nach und begreifst das es anders nicht ging! Das hier war schon immer mein Traum!
Liebe Güße Tobi“

Langsam drehte sie die Karte um und dann war ihr auf einmal alles klar!

Nicht Olaf hatte in dem Sessel gesessen, sondern Tobi! Olaf hat Tobi umgebracht, seinen eigenen Zwillingsbruder! Sie hat Olaf identifiziert und das ist nie angezweifelt worden, nie überprüft worden. Kalter Schweiß brach ihr aus. Die Leiche ist eingeäschert worden. Alle Beweise somit vernichtet.

Olaf muss ihr Abends etwas in das Essen gemischt haben, ihr wurde kurze Zeit später ganz schlecht. Sehr fürsorglich hat er sie ins Bett begleitet. Ungewöhnlich hatte sie damals noch gedacht. So lieb war er schon lange nicht mehr! Er hat sie reingelegt! Er wollte die Scheidung, aber dann wäre alles durch zwei gegangen. Da sie keine Kinder haben, war Tobi alleiniger Erbe. Um das Testament hat Olaf sich gekümmert. Sie hatten es erst vor einem Jahr bei dem Notar in Auftrag gegeben. Gelesen hatte sie es nie. Warum auch? Sie hatte Olaf vertraut!
So war ihr entgangen das Tobi nach Olafs Tod alles bekam und ist ist nichts geblieben.
Das alles hatte ihr ihr Anwalt gesagt, aber sie war mit allem überfordert, hat es nur zu Kenntnis genommen und vergessen.

Sie rief ihren Anwalt an, das stand ihr ja zu. Der hörte aufmerksam zu und sagte abschließend zu ihr: „Frau Winter, ich weiß das sie in einer schwierigen Lage sind. Ihr psychisches Profil hat ja auch ergeben das sie sehr labil sind und zu Wahnvorstellungen neigen. Es tut mir leid, ich kann nichts für sie tun.“
Ihr wurde kalt, ihr Herz wurde zu Eis. Sie dreht noch einmal die Karte in ihrer Hand. Karibik, ein Boot, eine junge Frau am Steuer die glücklich lacht. Er hat sie reingelegt und ausgetauscht! Olafs Traum: In der Karibik eine Jacht kaufen und die Welt erobern!

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