Veröffentlicht: 05.11.2022. Rubrik: Spannung
Der Schrank
Der Regen prasselte mal wieder ünermüdlich gegen die Fensterscheiben. Das Geräusch verbannt einen schon zum Nichtstun, ohne seine klaustrophobische Taktlosigkeit einen zum Aktivismus zu klopfen. Drinnen waren wir und saßen. Immer saßen wir. Es gab Essen und ich schlang es hinunter um dieser Troslosigkeit wenigstens etwas Würze zu verleihen, das dem Essen schon fehlte, Ich blickte in mir gegenüberliegende leere Augen. Neben mir saß das Kind in einem Stuhl . Aufgebockt wie ein Auto, als wäre es etwas ganz Besonderes. Schmatzdende Kaubewegungungen wie in Zeitlupe machten mich fertig. Ich hasse es wenn das Kind schmatzt. Vor mir die Eltern. Gerade sitzend. Ich wette sie würden auch gerne im stehen essen, wenn es gesellschaftlich konform wäre. Wie gerne wäre ich jetzt woanders. Unter dem Tisch kriecht der Hund rum, es hat vor 2 jahren schon aufgehört witzig zu sein. Ich wollte den Köter und bekam ihn auch. Zum Geburtstag. Wie kann man ein Geschenk bereuen? Er furzt die ganze Zeit und ich habe immer ein witzigen Sorry-Gesichtsausdruck wenn wir Gäste bekommen, als hätte ich gefurzt. Als würde ich unter dem Tisch rumkriechen und nach verdauten Essensresten riechen.
In meinem Zimmer lassse ich gerne die Tür zu knallen. Als Statement und , weil ich das Klingeln in meinen Ohren so mag, wenn plötzlich die Stille wie ein Hammer auf alles herunterfährt. Wie eine Axt zerberstet sie jede hölzerne Eintönigkeit. Mein Blick fliegt über das Wirrwarr eines Jugendzimmers vorbei an diesem Schrank. Immer steht die blöde Tür etwas auf. Immer. Ich bin nicht müde, aber ich schmeiß mich auf's Bett. Die Decke dreht sich kurz für einen Augenblick, bis mein Blick an dieser scheiß Neonleuchte verharrt. Sie summt und ist viel zu hell. Ein Knarzen nehme ich unterbewusst wahr. Etwas hat sich bewegt. Der Schrank ist plötzlich zu. Endlich ist dieser verdammte Schrank zu. Das Surren der Neonleuchte lässt mich ruhig werden und ich gleite in einen Halbschlaf. Als ich wieder die Augen öffne, starre ich ins Dunkle. Ein Knallen hat mich geweckt. Hilflos versuche ich nach etwas zu tasten, das mir Licht geben könnte. ...Und dann wieder ein Knall. Jemand ist mit mir in diesem Raum. Jemand ist an meinem Schrank. Eine lähmende Gänsehaut zerrt an meinem Körper und scheint mich zu fesseln. Peng...wieder dieser Knall und ich kann nicht aufstehen. Schritte tönen leise pochend schleichend um mein Bett. Ich will weg, einfach nur weg, bin aber paralysiert. Eine Stimme haucht mir plötzlich ins Ohr. Ich verstehe was sie sagt, höre jedes einzelne Wort und ich schrecke auf. Mitten in das blöde gleißende Licht des Zimmers. Zögernd gehe ich nach unten. Es hat aufgehört zu regnen und nehme mir die Leine von dem Hund. Ich denke er hat es verdient heute nochmal aus diesem Haus zu kommen.