Veröffentlicht: 16.08.2022. Rubrik: Lyrisches
Du, im Regen
Da stand ich nun mit meinem dunkelgrünen Mantel und der Regen viel langsam auf meine zerzausten Locken. Es war ein suriales Gefühl, denn etwas in mir spürte etwas vertrautes, aber doch zu gleich war da dieses fremde, dieses Unbehagen, dass ich nur zu gut kannte. Ich lief weiter durch den Regen und unterbrach dieses Gefühl, indem ich meinen viel zu großen, schwarzen Regenschirm aufspannte. Die Straßen waren leer, nur ich und der viel zu große Regenschirm waren zu sehen. Melancholie prägte die verregneten Straßen und nur meine Stiefel und das Prasseln des Regens waren zu hören. Eine Weile lauschte ich dem Regen und lief weiter, bis ich wieder dieses suriale Gefühl verspürte, dass ich versuchte nicht wahrzunehmen. Um mich davon abzulenken, blieb ich stehen und zückte mein kleines Spiegeletui hervor, um zu begutachten, ob meine Lippen noch immer das Dunkelrot meines Lippenstifts trugen. Die Farbe war deutlich verblasst und ich trug den Lippenstift noch einmal auf. Ich tat dies langsam und präzise, um mein Lippenherz exakt zu umranden. Nachdem ich dies tat, wollte ich mein Etui wieder in meiner Tasche verstauen, aber auf einmal sah ich deine Silhouette, die sich in meinem Etui spiegelte. Ungläubig drehte ich mich um, konnte meinen Augen kaum trauen, aber du warst es, daran war nicht zu zweifeln. Du sahst so verändert aus und doch so unverkennbar. Früher hättest du nie einen langen Mantel und solch galante Schuhe getragen. Vermutlich hättest du gesagt, dass dies etwas für schnöselige Anwälte wäre oder etwas für Beerdigungen und heute da bestand die Realität daraus, dass du diese Art von Kleidung trugst und wie ein Geschäftsmann durch die Straßen flaniertest. Selbst deine Haare waren so eitel gegelt und ich konnte nicht anders als zu lächeln, da du für mich nie in solch ein Bild gepasst hast. Lange musterte ich dich, wie du einfach nur mit einem ebenfalls viel zu großen, schwarzen Regenschirm im Regen standest. Dein Telefon hielst du fest in deiner Hand und sprachst hinein. So unverwechselbar, deine Stimme und deine Art die Worte zu betonen. Sollte ich zu dir gehen oder weiter durch den Regen laufen und dich so in Erinnerung behalten? Eine Weile schaute ich dich an und wollte gerade im Regen verschwinden, doch dann viel dein Blick auch auf mich und du sahst genau wie ich sprachlos aus. Wir gingen aufeinander zu und sahen uns einfach nur an. Fünf Jahre war es her, als wir uns das letzte Mal sahen, fünf Jahre die zwischen uns lagen, doch in diesem Moment, als wir beide da allein unter unseren Regenschirmem standen war es, als ob diese fünf Jahre nie stattfanden. Er lächelte mich an, aber sagte nichts. Beide fanden wir keine Worte, aber ich wusste und ich sah es auch in seinem Gesicht, dass keine weiteren fünf Jahre ohne ihn und mich vergehen würden.