Veröffentlicht: 15.08.2018. Rubrik: Unsortiert
Jamiro, ein unfreiwilliges Bad
Jamiro, ein unfreiwilliges Bad
Hallo, ich bin Jamiro Neufundländer. Ihr könnt mich gern einfach Jamiro nennen. Ich bin ein gestandener, nicht gerade kleiner Hund. Mein Rudel hört auf mein Kommando. Aber ich habe auch ein Problem: Ich mag nicht schwimmen.
Jetzt sagen viele wahrscheinlich: “Ja und, wo ist das Problem?” Nun alle meine Kumpels lieben Wasser und schwimmen für ihr Leben gern. Außerdem fragen sie mich oft, warum ich nicht mitschwimme, sondern immer nur bis zur Brust ins Wasser gehe. Dann erzähle ich ihnen, warum das so ist, und das will ich hier auch tun.
Es ist alles schon eine Weile her. Ich war noch ein kleiner Welpe. Bei meinen Menschen war ich gerade erst angekommen. Allerdings hatte ich schon einiges erlebt, was mich dem Leben gegenüber sehr vorsichtig machte. Dazu aber vielleicht ein andermal.
Eines morgens sagte Herrchen zu Frauchen: “Komm lass uns mit Jamiro mal zum See fahren. Bestimmt liebt er es. Er ist schließlich ein Neufundländer und Neufundländer sind Wasserratten.”
“Meinst du wirklich? Er ist doch noch so klein. Und so ängstlich" fragte sie unsicher.
Er überlegte gar nicht erst lange: “Ja er ist schrecklich ängstlich, aber gerade daher sollte er alles kennenlernen. Besonders alles was ihm Spass machen kann.”
“Dann lass uns fahren. Aber wir müssen vorsichtig sein und dürfen nichts erzwingen.”
Zehn Minuten später saßen wir im Auto. Opa Robin Dalmatiner war auch mit. Robin war damals schon neun Jahr und lebte schon seit seiner Geburt bei meinen Menschen.
Wir fuhren nicht lange.
Auf einem Parkplatz stellte Herrchen dann das Auto ab, leinte uns an und lies uns dann aussteigen. Robin hielt sich wie immer an Frauchen. Er war total auf sie fixiert. Ich war da nicht ganz so wählerisch. Auch wenn ich Frauchen über alles liebte, durfte Herrchen mich führen.
Leider konnten wir nicht gleich frei laufen. Es gab da zu viele andere Menschen. Und der Weg war auch recht eng.
Aber nach einem kleinen Stück Weg öffnete sich an der Seite eine Wiese. Im Sommer wahrscheinlich eine Liegewiese für den See. Jetzt im Herbst war sie schön leer und überall lag buntes Laub rum. Daher durften Robin und ich hier von der Leine. Wir tobten miteinander und stöberten im Laub. Frauchen warf auch Stöckchen, dem wir dann nach rannten.
So überquerten wir fröhliche die Wiese.
Schließlich kamen wir ans Ufer. Die Fläche des Sees sah damals für mich sehr komisch aus. Ich hatte ja noch nie so viel Wasser auf einmal gesehen. Es lag vor mir wie ein Spiegel.
Zuerst war ich verunsichert. Vorsichtig sah ich zu Robin hinüber. Der zeigt zwar keine Angst, aber auch kein größeres Interesse. Er ging bis ans Ufer, soff kurz und ging dann wieder spielen.
Mich aber faszinierte diese glatte Flächen. Daher blieb ich. Zumal ich bemerkte, das meine Menschen mich neugierig beobachteten. Zuerst schnüffelte ich. Es roch zwar anders als gewohnt, war aber eindeutig nach Wasser. Nun steckte vorsichtig meine Pfote ins Wasser. Es war schön kühl und nass. Nun ja, eben Wasser. Allerdings fiel mir auf, das es etwas tiefer war, als der Wassernapf zu Hause. aber das war ja nichts gefährliches.
Von diesem Ergebnis ermutigt ging ich weiter vorwärts.
“Ja super Jamiro, schön plantschen. Brauchst keine Angst haben. Wasser ist gut.” lobte mich Frauchen.
“Ja, als wenn er noch nie was anderes gemacht hat. Ohne jede Scheu.” freute sich Herrchen.
“Mal schauen, ob er auch Stöcken aus dem Wasser holt.” Sprach's und versuchte es.
Das Stöckchenspiel gefiel mir, daher machte ich mit. So ging es spielerisch immer tiefer ins Wasser. Allerdings wurde ich auch immer vorsichtiger. Ich konnte ja den Grund nicht sehen. Aber es machte einen riesen Spass, im Wasser zu planschen.
Auch Opi kam wieder ans Wasser und sah sich interessiert das Spiel an. Allerdings ging er nicht tiefer als die Fesseln ins Wasser. Er ist als Dalmatiner nun mal eher ein Lauf- als ein Wasserhund. Schade eigentlich. So konnten wir nicht im Wasser spielen.
“So. Für heute reicht es.” kam irgendwann von Frauchen. “Jamiro komm.”
Schade eigentlich. Ich hätte gern noch weiter im Wasser gespielt.
Gemeinsam gingen wir zu einer Bank in der Nähe, auf die die Menschen sich setzten. Ich legte mich davor. Nur Robin war weiterhin unruhig. Er legte sich nicht gern auf die Erde. Daher spielte Frauchen nun mit ihm. Ich nutze die Zeit, mich ein wenig auszuruhen.
Irgendwann stand Herrchen dann auf und ging wieder zum Ufer. Ich folgte ihm in der Hoffnung, dass etwas spannendes passierte.
Das Ufer bestand hier aus einer Betonmauer. Also konnte man hier leider nicht ins Wasser. Links und rechts gingen Betonstege ins Wasser hinaus, die weiter draußen durch einen Quersteg miteinander verbunden waren.
Herrchen nahm den linken Steg, um auf’s Wasser hinaus zu gehen. Ich folgte ihm auch weiterhin.
‘Wenn er dahin geht, kann es nicht sooo gefährlich sein, wie es aussieht’, dachte ich.
Wir gingen einmal ringsum, ohne dass etwas passierte, und kamen dann wieder an Land. Dort streichelte und lobte er mich. Ich wußte zwar nicht, warum er mich lobte, aber das war egal. Ich ließ mich richtig durchknuddeln und lief dann zu Frauchen, damit auch sie mich püselte.
Wir saßen wieder auf der Bank und Frauchen rauchte sich eine Zigarette. Da kam vom Weg her ein Radfahrer mit einem Golden Retriever im Schlepptau. Der Mann stellte sein Fahrrad in der Nähe des Ufers ab und nahm einen Dummy aus der Tasche. Diesen warf er in den See, worauf sich der Retriever sich hinterher stürzte und das Ding zurückholte.
Das sah lustig aus und schien Spaß zu machen. Neugierig und vorsichtig ging ich näher. Wer weiß, wie der andere reagierte, wenn ich einfach kam.
“Du gehe mal mit und pass auf, was passiert. Vielleicht schaut sich Jamiro ja was ab.” empfahl Frauchen Herrchen.
So gingen wir wieder beide zum linken Steg. Bisher war das andere Paar an der kleinen Bucht daneben, in der wir vorhin spielten, in Aktion. Nun steckte der Mann den Dummy wieder ein und ging mit seinem Hund auch auf den Steg. Am äußersten Punkt angekommen, blieb er stehen. Goldi setzte sich daneben und ließ seinen Menschen nicht aus den Augen.
Auch wir gingen auf den Steg. Doch wir hatten noch nicht den halben Weg zurückgelegt, als es geschah. Und es passierte alles so schnell, dass ich nicht alles mitbekam.
Der Mann riss den Dummy aus der Tasche und schleuderte ihn in einer Bewegung weit auf den See hinaus. Sein Begleiter schnellte hoch und sprang mit einem enormen Satz hinterher.
Erschrocken floh ich rückwärts, ohne mich vorher umzuschauen. Plötzlich hatte ich keinen Untergrund mehr unter den Hinterpfoten und fiel ins Bodenlose. Zwar versuchte ich mich mit den Vorderpfoten noch festzuhalten, aber zwecklos. Mit einem lauten Platsch schlug das Wasser über mich zusammen. Panisch begann ich zu strampeln. Doch in welche Richtung? Eine Stimme in mir sagte “Zum Licht". Das tat ich und durchstach kurz darauf die Oberfläche. Japsend holte ich Luft.
Doch ich war noch nicht gerettet. Ich hatte ja keinen Grund. Ich schwamm zum Steg und versuchte dort hoch zu kommen. Vergeblich. Herrchen ging in die Hocke und versuchte mein Halsband zu erwischen. Doch auch das war vergeblich. Der Steg war zu hoch.
“Jamiro schwimm durch den Steg. Da drüben kommst du leicht raus.” rief er mir zu und versuchte mich in die Richtung zu schieben. Doch ich wollte nicht unter dem dunklen Steg mit seinen vielen Spinnweben und Algenanhängen durch. Also schwamm ich Richtung Ufer, wo auch Frauchen und Robin standen. Aber hier war die hohe Betonmauer. Hier kam ich nicht hoch. Als ich meine Beine nach unten streckte, fühlte ich ganz tief unten weichen Boden.***
Herrchen war auch mit ans Ufer gekommen und rief erneut: “Jamiro schwimm unter dem Steg durch.”
“Hol ihn da raus, er ertrinkt noch.” schrie Frauchen dazwischen. Man hörte ihre Angst in der Stimme. Auch mir war nicht wohl. Irgendwie musste ich hier rauskommen. Ich versuchte hoch zu springen. Mit aller Kraft stieß ich mich von dem weichen Boden ab. Aber der Boden gab unter mir nach und ich kam nicht hoch genug und Herrchens Hand griff ins Leere. Platschend fiel ich wieder ins Wasser.
“So wird das nichts. Ich muss ins Wasser.” Auch Herrchen war verzweifelt. Er drehte sich ab. Wahrscheinlich um ein bisschen was auszuziehen. Aber ich hatte das Gefühl, allein gelassen zu werden. Daher mobilisierte ich noch mal alle meine Kräfte und stieß mich noch mal von diesem unsicheren Boden am. Diesmal erreichte ich die oberste Betonkante und versuchte mich dort fest zu krallen.
“Schatz sieh doch. Er schafft es doch und braucht unsere Hilfe.” schrie Frauchen da auf und stürzte nach vorn.
Aber sie war viel zu weit weg. Auch Herrchen, der sich sofort herum warf und zu mir sprang, kam zu spät. Mein Gewicht zog mich in die Tiefe. Meine Krallen rutschten am Beton hinunter. Das tat ganz schön weh.
Unten angekommen war ich am Boden zerstört. Ich war erschöpft und meine Pfoten taten weh. Auch konnte ich hier nur mit Anstrengung stehen. Was wenn ich hier nicht mehr raus kam?
Herrchen kniete sich an den Rand.
“Komm Jamiro, versuch es nochmal.” versuchte er mich zu motivieren.
Sollte ich es noch mal versuchen? Noch mal Schmerzen einhandeln? Ich wollte nicht mehr. Konnte man mich nicht einfach rausheben?
“Komm Jamiro, versuch es noch mal. Ich bin hier und helfe dir. Komm bitte. Los versuch es noch mal. Ich fang dich auf.”
Herrchen gab keine Ruhe. Auch Frauchen bat. Da setzte ich alles auf eine Karte und duckte mich so tief es irgend ging ins Wasser. Dann schnellte ich ein weiteres Mal hoch. Diesmal rutschte ich nicht am Boden aus und kam dadurch ein Stück höher. Doch immer noch nicht hoch genug. Als ich schon wieder runter rutschte, packte mich Herrchen im Fell und zog mit. Es tat höllisch weh, aber es ging wieder aufwärts. Mit meinen Hinterpfoten versuchte ich mitzuhelfen, kratzte aber nur über die Betonwand.
“Verdammt, das Fell ist zu nass. Er rutscht!”
Falle ich etwa wieder zurück. Nein bloß nicht. Verzweifelt versuchte ich, Halt zu finden und mich weiter hochzustemmen. Aber ich rutschte immer nur runter.
Plötzlich packten mich zwei weiter kräftige Hände unter den Achseln. Diese hielten den Abwärtstrend auf. Herrchen nutzte diesen Moment um günstiger zu fassen. Mit vereinten Kräften brachten wir mich endlich an Land.
Dort musste ich mich erstmal hinlegen. Ich war total kaputt und alles tat mir weh. Herrchen war auch am Pumpen. Neben ihm stand der fremde Mann. Er war vom Steg gekommen und hatte mich mit gerettet. Frauchen bedankte sich bei ihm herzlich. Er nahm einfach nur sein Rad, pfiff nach seinem Hund und verschwand aus meinem Leben.
Tja, nun wisst ihr, warum ich es nicht mag, keinen festen Grund unter den Füßen zu haben. Nach diesem Ereignis hatte ich sogar null Interesse am Wasser und machte einen großen Bogen drum. Erst meine Freunde Yami und Puschel und vor allem meine geliebte Mila, die Wasser über alles liebte, ja sogar sehr gern schwamm, brachten mich dazu, wieder ins Wasser zu gehen. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich vielleicht später mal erzähle.