Veröffentlicht: 07.08.2018. Rubrik: Total Verrücktes
Abgelaufen (Teil 7)
Die Fahrt zum Gefängnis dauerte höchstens 5 Minuten. Flüchtig dachte Jackie daran, dass ihre Schultasche zurückgeblieben war und wollte danach fragen, aber sie hatte noch nicht einmal Zeit, sich das Gefängnis aus dem Auto heraus anzusehen, da stoppte das Auto schon.
"Aussteigen!"
Dann wurde sie ins Innere geführt und vor eine Zelle mit mehreren anderen Menschen gebracht. Es herrschte ziemlicher Krach, als sie hinein kamen, doch sobald Jackie vor der Zelle angekommen war, erstarben sämtliche Gespräche. Ein Roboter nahm ihr die Handschellen ab, drückte Jackie dann unsanft durch die Tür, schloss selbige ab und ging fort, ohne auf Jackies wütenden Protest zu achten.
"Heeh! Ich bin unschuldig!" brüllte sie ihm hinterher. Einige der anderen Insassen fingen an zu lachen.
"Da kannst du lange schreien", sagte eine Frau in ihrer Nähe. Jackie drehte sich zu ihr um. Die Stimme kam ihr bekannt vor. Sie schaute sie an und versuchte, sich 20 Jahre weg zu denken. Ja tatsächlich - das war Miriam, die schöne Miriam Kilenna, die mit diesem Verräter Jens zusammen gewesen war.
Jackie starrte sie an. "Miriam?"
Miriam starrte zurück. "Jackie?"
"Das gibt's doch nicht", sagten dann beide gleichzeitig und Jackie musste lachen, doch Miriam lachte nicht mit.
"Ich kann nicht sagen, dass ich mich freue, dich zu sehen", sagte sie grimmig. "Du weißt schon, dass du uns diesen ganzen Mist eingebrockt hast mit deinem blöden Aufsatz?"
"Das wollte ich nicht", murmelte Jackie und senkte den Kopf. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Aber wer hätte ahnen können, dass ein alberner Aufsatz eine solche Wirkung hätte?
"Wieso bist du im Gefängnis?" fragte sie.
"Wieso wohl? Jens hat mich angezeigt, er hat den Robotern erzählt, ich würde eine Revolution anzetteln wollen oder einen ähnlichen Quatsch. Pah, Revolution!" Miriam schnaubte verächtlich. "Wenn ich hier raus käme und wieder in unsere Zeit, wäre ich völlig zufrieden. Was brauch ich eine Revolution gegen Roboter?"
Jackie glaubte, nicht richtig gehört zu haben. "Jens hat dich angezeigt? Aber du bist doch seine große Liebe!"
"Wenn überhaupt, war ich das höchstens mal", knurrte Miriam unfreundlich. "Er hat es nicht verkraftet, als ich Schluss gemacht habe. Das wollte er mir irgendwann heimzahlen. Und hier hatte er die perfekte Gelegenheit."
"Wie bist du überhaupt hierhin gekommen?"
"Ich hatte vor zwei Wochen verschlafen, bin dann schnell aus dem Haus zum Bus gerannt - habe sogar mein Handy vergessen - und dann sagte der Busfahrer, meine Fahrkarte sei..."
"Abgelaufen", ergänzte Jackie. Allmählich ergab sich ein Muster.
"Richtig, und als ich sagte, die gilt doch noch zwei Wochen, schaute er mitleidig, als wäre ich ein wenig deppert, und sagte, die Fahrkarte sei schon seit 20 Jahren abgelaufen. Ich wollte ihm die Meinung sagen, aber er sagte nur, dann solle ich mich eben hinsetzen, er hätte keine Zeit."
"Wie bei mir", murmelte Jackie vor sich hin. "Und bei Jens."
"Jens?" Miriam lachte. "Hast du es immer noch nicht kapiert? Jens macht mit den Robotern gemeinsame Sache. Und mit der Blumling."
Frau Blumling, die Lehrerin?
"Ist Frau Blumling auch hier?" Jackie sah sich um, als habe Frau Blumling sich im Gefängis unter den anderen Menschen versteckt.
"Du bist aber echt ein bisschen schwer von Begriff, nee? Frau Blumling und Jens haben es geschafft, die Leute hier rein zu bringen, also brauchst du die Blumling nicht hier zu suchen. Immer noch nicht gerafft? Die Blumling und Jens sind zusammen. Sie hat ihn vollkommen unter der Fuchtel und weißt du, was die beiden wollen?"
Jackie schüttelte den Kopf.
"Sie wollen - mit Hilfe der Roboter natürlich - einen Arbeiterstaat bilden. Moderne Sklavenwelt, so sieht's aus. Und die beiden wollen dann die Sklavenaufseher und Obermacker spielen. Jens ist nicht dumm. Er hat erkannt, wie er das hinbiegen kann. Die Idee kam aber mit Sicherheit von der Blumling."
"Woher weißt du das alles eigentlich?"
"Als ich hier angekommen bin, bin ich Jens begegnet. Er tat so, als wolle er mich schützen, nahm mich mit in ein Haus, das aussah wie eine Jugendherberge. Dann ließ er mich beim Frühstück, sagte, er müsse mal kurz verschwinden."
"Und dann kam die Roboterpolizei dich abholen? Das hat er mit mir auch gemacht. Was für ein Verräter!"
"Ganz so war es nicht. Ich wollte wissen, warum er angeblich kurz verschwinden musste und bin ihm heimlich nachgeschlichen. Er hat mit der Blumling telefoniert, ich habe gehört, wie er sie" "Rosemarie" nannte und doch tatsächlich "ich liebe dich" zu ihr sagte."
"Du bist ja eifersüchtig", stellte Jackie erstaunt fest. "Das alte Lied", dachte sie. Wenn jemand ein Spielzeug nicht mehr will und es beiseite legt, dann wird es wieder interessant, sobald ein anderer es haben will. Oder, aus Miriams Sicht: Ich will Jens nicht mehr, aber eine andere muss ihn auch nicht haben. So ganz von ferne tat ihr Jens ein kleines bisschen leid. Bestimmt hatte er es mit Miriams Launen nicht leicht gehabt.
Doch Miriam kam nun richtig in Fahrt. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus.
"Eifersüchtig, ich? Quatsch, erinner dich mal, ich habe ihn abserviert, nicht umgekehrt. Jedenfalls, ich hab nicht nur dieses alberne Liebesgeflüster gehört, sondern auch, wie er sagte, dass es mit ihrem Plan vorwärts gehe. Bald könnten sie den neuen Arbeiterstaat bilden."
"Ausgerechnet die Blumling! Ich dachte, die könne nicht bis drei zählen. Und dann ist das so eine Hexe?" Jackie kam das beschriebene Szenario sehr unwirklich vor.
"Haha, Hexe, ja. Und du hast mit deinem blöden Aufsatz dazu beigetragen, dass sie so geworden ist."
Miriam sah sie feindselig an.
Bis jetzt hatten ein paar umstehende Menschen schweigend zugehört. Einige, die das alles nicht so sehr zu interessieren schien, standen weiter weg. Sitzgelegenheiten oder gar Betten waren nirgends zu sehen.
Nun mischte sich ein Mann ein, dem Augenschein nach in den 50ern, aber Jackie wusste, dass das nicht viel heißen musste. Wahrscheinlich war er höchstens 30 Jahre alt.
"In der Jugendherberge war ich auch", sagte er. "Ich glaube, das ist ihre Zentrale." Er wandte sich an Jackie.
"Ich finde es prima, dass dass Sie - als Verursacherin von all dem Übel - endlich hier sind", sagte er. "Jetzt können Sie uns auch wieder hier rausholen."
"Ich???? Wie denn?"
"Überleg's dir mal", knurrte Miriam. "Hast uns ja auch hier reingebracht."
Ende des 7. Teils