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geschrieben 2021 von A. M. Berger (A. M. Berger).
Veröffentlicht: 18.04.2022. Rubrik: Satirisches


Wie Herbert sich sein Paradies auf Erden schuf

„Deine Filme sind einfach Scheisse Herbert!", schrie ihn Kowalski an, "Niemand will deinen Gangsterfilm-Verschnitt, verstehst du? Du machst den Tatort, nur schlechter!“
„Aber wir hatten doch anständige Zuschauerzahlen“, antwortete Herbert Hofmeister zögernd.
„Wen interessieren die scheiss Zuschauerzahlen? Kommt von denen etwa die Kohle?“
„...nein.“
„Sondern?“
„...von den staatlichen Fördermitteln“, antwortete Herbert mit der Monotonie eines Schülers der etwas auswendiggelerntes wiedergab. Beschämt richtete sich sein Blick auf den Boden. Er hatte gedacht dass es diesmal wirklich ein guter Film geworden war, ein unterhaltsamer Kriminalthriller, 'wie die vom Hitchcock', hatte er ihn damals angepriesen. Aber die Kritik war nicht begeistert und seinem Produzenten, Samuel Kowalski, war die Geduld ausgegangen.
„Du denkst weil du damals den einen guten Kurzfilm gemacht hast kannst du jetzt so etwas bieten. Deine Rom-Com mag ich dir noch verziehen haben, aber das hier geht einfach zu weit. Hast du irgendwas davon gelesen was die über diesen Film geschrieben haben?“
„Also... ein bisschen...“
„Geh. Geh einfach weg, ich habe zu tun. Ich kann das nicht mehr machen.“ Er zeigte auf die Tür des Büros. Herbert ging gesenkten Hauptes hinaus. Dämliche Kunstbanausen, dachte er, was wissen diese verfluchten Kritiker schon von Filmen. Dem Publikum hatte es doch gefallen. Aber diese Trottel konnten natürlich niemals etwas anerkennen das bei der Masse beliebt war, wie sollten sie sich denn sonst für etwas besseres halten?

SatirepatzerSatirepatzerAuf dem Heimweg dachte er über seine Laufbahn als Filmemacher nach, die er hiermit wahrscheinlich komplett begraben konnte. 'Der Fall Fähnrich', sein zweiter Spielfilm nach 'Die Liebenden vom Greifensee', war ein kritischer Misserfolg, und er nun das Gespött der Filmbranche. Dabei hatte er versucht einen unterhaltsamen Film zu machen, ohne gleich auf das Niveau der Blödelkomödie herabsenken zu müssen. So wie die tollen Filme von früher, wie es sie heute kaum noch gibt. Viel interessanter als diese Arthouse-Schinken, die vor leeren Kinosälen gezeigt wurden, aber von der Kritik allen Lob der Welt bekamen, weil sie ja so künstlerisch wertvoll und tiefsinnig sind. Was macht denn diese Streifen besser als meine? Weil sie irgend ein heuchlerisches Sozialdrama zeigen? Oder diese dämlichen langen Einstellungen haben wo nichts passiert? Oder weil sie vielleicht sogar oh-la-la in schwarzweiss sind? Als ob das den Film besser machen würde. Das waren Filme für Kritiker, und nicht fürs Publikum.

Bis er nach Hause kam hatte Herbert sich nur noch tiefer in seinen Groll hineingefressen. Er trat in seine Ikea-möblierte Zweizimmerwohnung, aus der er sich erhofft hatte nach diesem Film endlich ausziehen zu können. Er machte sich eine M-Budget Fertigpizza heiss und setzte sich auf sein quietschiges altes Sofa vor den Fernseher. Er zappte eine weile herum, mit allem was lief unzufrieden, bis er auf SRF1 inne hielt: Eine Talkshow über Kultur. Gast war eine Regisseurin, die einen Film präsentierte über eine schwarze Migrantin in der Schweiz, welche Opfer der häuslichen Gewalt wird. Ein Ausschnitt wurde gezeigt, in dem der Mann, betrunken, die Frau schlägt, und dann das Haus verlässt. Sie weint, und geht dann ins Badezimmer um sich den blauen Fleck mit Schminke zu verdecken.
„Wirklich eindrucksvoll, so voller Gefühl und Dramatik“, sagte der Moderator während er ein betroffenes Gesicht vortäuschte.
„Und man muss bedenken, dass so was tagtäglich passiert“, antwortete die Regisseurin mit ebenso betroffenem Gesicht, „es ist einfach eine Realität die ich in meinem Film festhalten wollte, die Realität vor der wir alle die Augen schliessen wollen, aber ich kann da einfach nicht den Blick abwenden. Diese lange, statische Einstellung soll das auch widerspiegeln. Ich zwinge förmlich den Zuschauer dazu, diese Realität zu betrachten.“
Wenn wir alle den Blick davon abwenden wollen wird doch wohl keiner deinen Film sehen wollen, oder?, dachte Herbert für sich, ist ja auch egal, den Lob der Fernseh-Deppen hast du ja schon, was juckt's dich ob da noch jemand deinen Film sehen wird. Herbert machte den Fernseher aus und legte sich schlafen.

Am nächsten Morgen weckten Herbert die Bauarbeiten vor seinem Fenster. Er machte sich einen Kaffee und ging auf dem wenigen Raum seines Wohnzimmers auf und ab. Die Fernsehsendung vom Vorabend ging ihm nicht aus dem Kopf, obwohl er es rückblickend eher lächerlich als ärgerlich fand. Er nahm einen Schluck Kaffee während er aus dem Fenster schaute. Erst auf die Baustelle, dann auf den Hinterhof unten. Dort sah er eine Mutter mit drei Kindern vorbeigehen, alle sehr erkennbar von mittelöstlicher Herkunft, was in diesem kunterbunten Vorort keine Seltenheit war. Wie gebannt schaute er auf diese Familie, bis ihm plötzlich ein Geistesblitz kam. Er nahm schnurstracks seinen alten Laptop, setzte sich an den Tisch und begann zu tippen. Einen Film wollen die Kritiker, den können sie haben, und wie sie den haben können, dachte Herbert wie er in die Tasten haute.

„Ist Kowalski da?“, fragte Herbert die Dame am Empfang.
„Ja schon, aber–“
„Schon gut“, unterbrach er sie, und lief direkt Hinein. In seinem Büro war Kowalski am Telefon. Als er Herbert hineinkommen sah setzte er sofort einen genervten Gesichtsausdruck auf. „Ich ruf dich gleich zurück“, sagte er nur und legte auf, „verdammte Scheisse, Herbert, was soll das hier werden?“
„Du musst mir zuhören, Samuel.“
„Es reicht mir langsam mit dir, ich lasse dich gleich rausschmeissen wenn du dich nicht verdrückst“, sagte Kowalski und zeigte drohend mit dem Finger auf Herbert.
„Lass mich nur eine Sache sagen, ich verspreche dir wenn du dann noch willst das ich verschwinde siehst du mich nie mehr.“
„Herrgott, was denn?“
Herbert nahm eine etwas dramatische Position ein und gestikulierte mit den Händen während er seine Idee erklärte: „Es geht um einen Jungen, ein Kriegsflüchtling aus Mittelost.“
Kowalski fasste sich schon an den Kopf. Herbert fuhr fort: „Und dieser junge ist Transsexuell. Aber seine Familie darf das nicht erfahren, denn das würden sie nicht akzeptieren. Und er ist schwul. Und drogensüchtig.“ Kowalski hob das Gesicht und starrte Herbert nun mit einem Ausdruck von Unverständnis an.
„Und der Konflikt beginnt damit, dass er im Flüchtlingslager kein veganes Essen bekommt. Also flüchtet er aus dem Flüchtlingslager. Ironisch, nicht wahr?“ Kowalski wusste nicht was er aus dieser Sache machen sollte, ob Herbert ihn auf den Arm nehmen wollte, oder einfach durchgedreht war.
Herbert machte unvermindert weiter: „Draussen lernt er einen einheimischen Jungen kennen und verliebt sich in ihn. Aber dann werden sie von einer Gruppe Neonazis verprügelt. Er kommt ins Krankenhaus und seine Familie erfährt dass er schwul ist. Seine Familie verstösst ihn, und er geht in eine sozialistische Kommune leben. Dort kann er dann endlich sein transsexuell-schwules-veganisch-muslimisches Leben in Ruhe führen. Eine Geschichte voller Drama, Konflikt und Erlösung, die jeden Zuschauer zutiefst berühren wird. Was denkst du? Der Knaller, oder?“

Kowalski sah sich Herbert eine Zeit lang an.
„Ich denke du bist entweder übergeschnappt, besoffen, oder beides.“ Herbert fiel das Herz in die Hose.
„Komm, Herbert, ich habe zu tun. Ich bin dir auch nicht mehr böse, ich lade dich am Freitag auf ein Bier ein. Aber du musst einfach das Filmemachen lassen. Manche haben Talent, du halt nicht.“ Kowalski stand auf, und öffnete Herbert die Tür damit er gehe. Enttäuscht ging Herbert langsamen Schrittes hinaus.
Vom Eingang her war ein leises Schluchzen zu hören. Herbert und Kowalski schauten beide Neugierig zum Empfang. Es war die Empfangsdame, die schluchzte. Sie wischte sich mit einem Taschentuch die Tränen ab. Beide gingen zu ihr hin.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Kowalski besorgt, „sie weinen ja.“
„Es ist nur... die Geschichte die der Herr ihnen da erzählt hat. Es ist alles so mitreissend. Der arme Junge.“ Sie heulte auf und schnäuzte sich dann lautstark.
„Sie meinen, die Geschichte die der hier gerade erzählt hat?“
„Ja doch, die vom schwulen, transsexuellen Flüchtling. So emotional, so mitreissend. Ich wollte gar nicht lauschen aber ich konnte nicht anders.“
Herbert und Kowalski sahen sich einen Moment lang an, Herbert lächelte verschmitzt. Dann sagte Kowalski: „Weisst du Herbert... vielleicht könnten wir ja diese Idee von dir doch besprechen.“

Herbert hatte noch nie erlebt dass ein Film so reibungslos die Vorproduktionsphase durchlief. Die Zusage der Staatlichen und auch der Regionalen Fördermittel kam sofort, und ohne jegliche Widerrede. Im Gegensatz zu seinen vorherigen Produktionen wurde nicht überall herum gemeckert und genörgelt. Nur Herbert war von seinem Projekt immer weniger begeistert, so hatte er die ganze Sache ja fast schon als Parodie erdacht. Nie hätte er sich träumen lassen, dass jemand das ernst nehmen würde. Er bekam nach und nach das Gefühl, dass anstatt das er den Film vorantreiben musste, dieser nun er von einem externen Impuls angetrieben wurde, als ob nicht einmal seine vollkommene Gleichgültigkeit die Produktion entgleisen könnte.

Entsprechend war auch sein Engagement bei der Regie. Meistens liess er einfach eine stationäre Einstellung vom Handlungsablauf machen. Je schneller sie durch waren und Feierabend machen konnten, desto besser. An einem Tag hatte er sein Drehbuch verlegt, und als die Schauspieler ihn nach einem Teil des Dialogs fragten improvisierte er stattdessen die Szene ohne Dialoge. Der Kameramann sollte einfach ihre Blicke filmen. Die Schauspieler gaben ihr alles. Das einzige was sie mehr begeisterte als der erzählerische Stoff war Herberts scheinbar unkonventionelle Art zu dirigieren.
„Also, wie ich das verstehe ist meine unterdrückte Homosexualität hier ein wichtiger Teil meiner Motivation, denn ich will aus dieser Lüge ausbrechen, aber trotzdem nicht meine Familie verlassen, und das schafft mir einen enormen internen Konflikt“, analysierte der Hauptdarsteller seine Rolle.
„Mhm. Ja, sowas. Passt schon“, sagte Herbert gelangweilt. Spiel einfach die Szene du Depp, dachte er.
Den Schnitt überliess Herbert ganz und gar jemand anderem. Es gab sowieso wenig zu schneiden, bei all den langen Einstellungen. Noch ein bisschen traurige Musik drauf, fertig.

Zur Premiere von „Ali – Das Erwachen“ hatte Kowalski alle möglichen Vertreter der Presse und der Kulturwelt eingeladen. Trotzdem erschienen bei weitem nicht alle, und die die doch kamen belächelten diesen vor den Eliten der Kultur in Ungnade gefallenen Regisseur. Herbert war es egal. Zum ersten mal meinte er wirklich das Metier des Filmschaffens hinter sich lassen zu wollen. Die Erfahrung hatte ihm die ganze Seele aus dem Leib gesaugt.
Die Vorstellung begann ohne grosse Verlautbarungen. Kowalski hatte diesmal nicht einmal den Film gross ankündigen wollen, es war ihm noch immer nicht ganz geheuer, erneut einen Film von Herbert produziert zu haben. Dieser schaute gelangweilt zu, er fand seinen eigenen Film abscheulich. Wann ist dieser Dreck endlich fertig, fragte er sich selber. Irgendwann endete der Streifen mit einem einfachen schnitt auf schwarz, und der Abspann begann. Das Licht im Saal ging an.

Zuerst herrschte vollkommene stille. Dann begann nach und nach ein tobender Applaus, stehende Ovationen. Die Kritiker die gleich hinter Herbert sassen beglückwünschten ihn.
„Diese Emotionen, dieses Drama!“, sagte einer.
„Diese langen, starren Einstellungen, es ist als ob wir uns nicht von dieser bedrückenden Realität abwenden können, nein, dürfen“, rief ein anderer.
„Und dieses Spiel mit den Blicken, man braucht gar keine Dialoge um alles zu verstehen!“
„Sie haben sich als Filmemacher vollkommen redimiert“, sagte ein weiterer Kritiker.
Sogar Kowalski schüttelte ihm erfreut die Hand. Die Emotion die der Film nicht in ihm auslösen konnte, überkam ihn nun durch diesen Beifall. Er hatte es geschafft.

In den nächsten Wochen begann ein riesiger Medienzirkus um Herbert Hofmeister. Er wurde in alle Kultursendungen eingeladen, Zeitungen und Zeitschriften verlangten Interviews, man bat ihn sogar im Filmfestival von Zürich in der Jury zu sein. Herbert steigerte sich nach und nach in seine Rolle. Jeden Blödsinn den er aus Langeweile und Desinteresse in diesem Film gemacht hatte war nun eine tiefsinnig durchdachte kreative Entscheidung. Die mittelmässigen Schauspieler folgten der Tradition des Neorealismus. Dass die Kinosäle dabei praktisch leer blieben interessierte Herbert wenig, Kowalski weniger, die Medien am wenigsten. Er hatte nur Herberts Namen vor dem Komitee für Filmförderung erwähnen müssen und man hatte ihm schon den nächsten Film genehmigt.

Bei einem Auftritt in einer Kultursendung im SRF1 sprach Herbert von seinem nächsten Film, in dem es um eine drogensüchtige Mutter gehen sollte die in bitterer Armut lebt und ein Fahrrad stehlen muss um weiterhin zur Arbeit zu kommen. Nach seinem Auftritt blieb Herbert hinter den Kameras eine weile stehen um sich den Rest der Aufzeichnung anzusehen. Ein weiterer Gast war geladen, Mehmed Göztepe, ein erst kürzlich eingewanderter Filmschaffender der seinen ersten Film soeben fertig gedreht hatte.
„Herr Göztepe, wie sind sie eigentlich zum Film gekommen?“, fragte die Moderatorin.
„Ich hatte schon in meiner Jugend eine grosse Faszination fürs Kino, als ein armer Junge der in Ostanatolien aufwuchs war der seltene Ausflug nach Diyarbakır wo wir ein Kino besuchen konnten natürlich etwas sehr besonderes. Es war keine einfache Kindheit, als Homosexueller in dieser armen, rückständigen Region der Türkei. Mein Film ist natürlich eine Art dieses Trauma zu verarbeiten. Andere machen Filme als ein Blick von aussen nach innen, aber ich suche den Blick von innen nach aussen.“
Herbert hätte schwören können dass Mehmed ihn während dieses letzten Satzes direkt angesehen hatte. Sogar eine Andeutung eines Lächelns wollte er momentan erkannt haben. Die Moderatorin hingegen war sehr betroffen, sie schien den Tränen nahe. Herbert kochte das Blut. Er wusste genau worauf das hinauslaufen würde.

In den folgenden Tagen verdrängte ihn Mehmed Göztepe vollkommen aus den Kulturteilen der Zeitungen, und den Kultursendungen im Radio und Fernsehen. Als schliesslich auch das Komitee für Filmförderung die ursprüngliche Zusage für Herberts Film zurückzog war er fuchsteufelswild. Kowalski zeigte hingegen wenig Verständnis, stattdessen liess er Herbert links liegen und versuchte sich an die Produktionsfirma die hinter Mehmed Göztepe stand anzubiedern. Dieser miese Verräter, dachte Herbert, doch so leicht gebe ich mich nicht geschlagen. Nicht nach allem was ich erreicht habe.

Der Schmale war überrascht von Herberts Besuch so spät am Abend. Er war es eher gewöhnt von reichen Frauen aufgesucht zu werden die ihre Gatten der Untreue verdächtigten, und einen Privatdetektiv auf ihn ansetzen wollten. Doch Herbert ging es um etwas ganz anderes.
„Ich will alles über diesen Mehmed Göztepe wissen. Man weiss nichts über ihn als was er selber erzählt. Er ist aus dem Nichts aufgetaucht. Ich will wissen woher er kommt, was er macht, wo er isst, wo er scheisst, und vor allem: ob er Dreck am Stecken hat.“
Herbert legte dem Schmalen einen Stapel Geldscheine auf den Tisch. Dieser lächelte.
„Sie sind der Boss.“

In den folgenden Wochen, während Herbert auf Neuigkeiten vom Schmalen wartete, wuchs sein Hass auf Mehmed Göztepe weiter. Ohne sein neues Filmprojekt, und von Samuel Kowalski ignoriert, sass Herbert nur den ganzen Tag zu Hause vor dem Fernseher und verfolgte alle Auftritte von Göztepe während er seine M-Budget Fertigpizza ass. Das Geld dass er seit „Ali – Das Erwachen“ verdient hatte war für den Auftrag beim Schmalen drauf gegangen. Er war nicht billig, aber man sagte, er sei der Beste in der Stadt.
Es war spät Abends als Herberts Telefon läutete. Es war der Schmale, er hatte Neuigkeiten die er aber nicht übers Telefon besprechen wollte. Herbert machte sich am selben Abend noch zum Büro des Detektivs auf.

„Ich denke sie werden ganz zufrieden sein, ich habe einiges über diesen Mehmed raus gefunden. Erst einmal, hier“, er gab Herbert einige Fotos die er ausgedruckt hatte, sie zeigten Mehmed mit einer Frau in einem Hotelzimmer, „der Kerl ist gar nicht schwul, es ist alles nur eine Masche. Geht regelmässig zu 'ner Nutte.“
„Ausgezeichnet, damit fällt seine Geschichte vom verfolgten Schwulen auseinander“, sagte Herbert Zähne fletschend.
„Der kommt auch nicht von Armut in Ostanatolien, sondern aus einer bürgerlichen Familie in Istanbul“, fuhr der Schmale fort, „er wurde von der Produktionsfirma hier angeheuert als teil von der ganzen PR Kampagne.“
„Deshalb kann dieser Mistkerl auch so gut Deutsch. Jetzt ergibt alles einen Sinn, er ist nur das Aushängeschild für die.“
„Ganz genau, alles nur eine Erfindung um an die Fördergelder zu kommen. Eigentlich verdammt gerissen was die da abgezogen haben. Aber warte, jetzt kommt das beste, ich habe ein bisschen meine Beziehungen spielen Lassen, sie wissen schon beim Amt. Die Papiere von dem sind gezinkt, ist unter falschem Vorwand eingereist. Hat eigentlich gar keinen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung. Dieser Kerl muss eine hübsche Stange Geld bezahlt haben damit man ihm das hat durchgehen lassen. Hier, alles schwarz auf Weiss. Kopie von seinen Dokumenten, mit Unterschrift.“
Herbert machte riesige Augen.
„Du bist ein Teufelskerl!“

Herberts erneute Einladung zur Kultur-Rundschau auf SRF fühlte sich wie der natürliche Lauf der Dinge an. Auch Kowalski hatte er verziehen, als er flehend zu ihm zurückkehrte nachdem er vom Komitee für Filmförderung eine sofortige Zusage für seinen neuen Film bekommen hatte.
„Und worum geht es in ihrem Film, Herr Hofmeister?“, fragte ihn die Moderatorin.
„Es ist die wahre Geschichte von Mehmed Göztepe, der vor Armut flieht, und vor Verfolgung wegen seiner Homosexualität, und dann von unseren intoleranten, rassistischen Behörden wieder abgeschoben wurde, wegen irgendwelcher bürokratischen Lappalien die von den intoleranten Leuten in dieser Gesellschaft ausgegraben wurden. Es ist eine Geschichte von Ungerechtigkeit und Intoleranz gegenüber dieser armen Leute die auf der Suche nach einem besseren Leben hierher fliehen, und denen die Gesellschaft dann sagt: das Boot ist voll. Und ich sage doch, wir haben Platz. Und das will ich mit diesem Film auch zeigen.“
Die Moderatorin konnte die Tränen nicht zurückhalten während sie Herbert zuhörte.
„Herr Hofmeister, Leute wie sie sind das moralische Rückgrat unserer Gesellschaft, unser kollektives Gewissen.“
„Ich tue nur das, was jeder halbwegs anständige Mensch tun sollte“, antwortete Herbert, „und wenn es die Leute mir gleich tun würden, dann hätten wir hier ein Paradies auf Erden.“

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