Veröffentlicht: 30.05.2021. Rubrik: Märchenhaftes
DIE RIESEN VON PUSILLUS: Die Hochzeit
Liebe Freunde der Geschichten: DIE RIESEN VON PUSILLUS.
Auf den nun folgenden Seiten werdet ihr wahrscheinlich mit der wohl verrücktesten Geschichte konfrontiert werden von der ihr je gehört, beziehungsweise die ihr je gelesen habt. Niedergeschrieben von dem berühmten pusillianischen Schriftsteller Poeticus, der laut eigenen Angaben selbst nicht so richtig nachvollziehen kann, was er da eigentlich zu Papier gebracht hat, im gleichen Augenblick aber darauf besteht, dass sich das Ganze um eine wahre Begebenheit handelt, erzählt von den zwei Protagonisten selbst, die auch heute noch unter den Einwohnern Pusillus' weilen. Solltet also auch ihr die folgende Geschichte in keinster Weise nachvollziehen können, macht Euch nichts draus, ihr befindet Euch in guter Gesellschaft.
DIE HOCHZEIT.
Von jahrhundertealten meterdicken Mauern umgeben, warteten sie in dem kleinen stickigen Raum, kalt aber trocken, auf harten Stühlen sitzend, hinter dem Altar der prunkvollen Barockkirche, Zentrum des Klosters, schön gelegen zwischen Apfelplantagen, hoch oben in den Bergen, auf den wohl schönsten Moment ihres Lebens. Amica und Amantis wollten heiraten. Spontan, ohne Verwandte, ohne Freunde, ohne Publikum.
„Hörst du denn nicht auch diese immer lauter werdenden Stimmen?“, fragte sie Amantis.
„Keine Sorge, meine Liebe“, antwortete dieser beruhigend, „ist bestimmt nur eine dieser Führungen für zahlungskräftige Touristen. Bis wir dran sind ist die längst vorbei.“
Amica lächelte, konnte es selbst noch nicht glauben, dass Sie Amantis gleich ihr Jawort geben würde. Ganz im Geheimen, weit weg von ihrem Heimatplaneten Pusillus, nur in Gegenwart der zwei Trauzeugen und des Pastors natürlich. Knarrend öffnete sich die schwere Eichentür und der eigenartig blass aussehende Pastor wies ihnen mit einem kurzen „Prego“ den Weg. Das aber, was Amantis und Amica im nächsten Moment zu Gesicht bekamen, verschlug ihnen im wahrsten Worte die Sprache. Die Kirche war bis auf den letzten Platz mit Gästen gefüllt, die ihnen irgendwie bekannt, gleichzeitig aber auch völlig unbekannt vorkamen. Es schien so, als wenn ganz Pusillus vor ihnen säße.
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Wenige Stunden vor Amicas Reise zum Planeten Erde erzählte ihr Amantis in der ihnen nur kurz verbleibenden Zeit von der seinigen, die er gerade hinter sich hatte.
Schon in jungen Jahren hatten sich die beiden ineinander verliebt und schnell stand fest, dass sie ihr Leben lang zusammenbleiben würden. Immer wieder hatte Amantis Amica von seinen ersten Reisen zur Erde und seinem absoluten Lieblingsziel erzählt, das für seine mediterranen Speisen, köstlichen Weine, temperamentvollen Weiber, und wunderschönen Landschaften bekannt war. Amantis aber zog es zu den im Norden liegenden Bergen. Hier, in der ruhigen Abgeschiedenheit des Alltags, fühlte er sich einfach am wohlsten.
„Ich muss Dir unbedingt von einem eigenartigen Ritual der Erdlinge erzählen, dem ich vor einigen Tagen beiwohnen durfte und das sie Hochzeit nennen.“
Amica hörte interessiert zu, musste sich aber dann auf ihre Reise vorbereiten. Nach der Schrumpfmichmaschine kleidete sie sich an, gab ihre Zielkoordinaten ein und reiste ab.
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„Hey, junger Riese von Pusillus. So ganz allein unterwegs?“
Überrascht drehte sich Amantis um und staunte. „Du?“
Dann erzählte ihm Amica, dass er ihr erst vor wenigen Stunden von dieser herrlichen Landschaft und diesem außergewöhnlichen Ritual namens Hochzeit berichtet hatte.
„Was willst du?“, fragte er sie, immer noch fassungslos.
„Ich will, dass wir hier heiraten du Dummerchen, ist das denn so schwer zu verstehen?“
„Du weißt aber, dass wir die Vergangenheit nicht verändern dürfen? Allein schon die Tatsache, dass wir zusammen die Erde besuchen, ist schon strengstens verboten.“
„Hey, wo kein Kläger, da kein Richter. Wir geben uns in aller Stille das Jawort und sind im selben Moment auch schon wieder weg. Außer uns wird niemals jemand etwas erfahren.“
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Kaum, dass sich Amantis und Amica ihr Jawort gegeben hatten, rannten sie wie der Blitz aus der Kirche über den Friedhof zu dem nahegelegenen Wäldchen, wo sie ihre Raum-Zeitmaschinen versteckt hatten, auch wenn sie natürlich genau wussten, bei ihrer Rückkehr einer gerechten Strafe nicht entgehen zu können. Schließlich war ganz Pusillus bei ihrer ach so geheimen, im Stillen angedachten Hochzeit anwesend gewesen. Warum aber nur?
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Amantis hatte bereits auf dem ehemaligen Gemeindeplatz auf Amica gewartet. Erstaunlicherweise aber niemand sonst an diesem Morgen. Kein weiterer Pusillianer war zu sehen, nicht einmal Maximus, ihr Anführer. Hatten sie vielleicht das alles doch nur geträumt, durch irgendeine Anomalie während des Raum-Zeitsprungs bedingt? Ein Blick auf ihre golden schimmernden Eheringe aber belehrte sie eines Besseren. Vor Amicas Haustür gingen sie den gesamten Ablauf der Hochzeit noch einmal durch, konnten sich aber weiterhin den Besuch hunderter Pusillianer während ihrer Trauung nicht erklären. Sie beschlossen zu schweigen und alles auf sich beruhen zu lassen. Das war ihr Plan.
Staunend hatte Tratsche, die Nachbarin, alles mitangehört. Früh erwacht, hatte sie am offenen Fenster gesessen und die Sterne hinter den vorbeiziehenden Wolken bestaunt. Den Ort und den Zeitpunkt der Hochzeit hatte sie sich besonders gut eingeprägt, und genau diese Tatsache aber sollte noch ungeahnte Folgen haben. Folgen ungeheuren Ausmaßes, nicht nur für Amantis und Amica, nein, für sämtliche Bewohner Pusillus'.
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Wenn Tratsche auch ihrer Natur gemäß solch brisante Neuigkeiten nicht für sich behalten konnte, hatte sie diese jedoch nur unter dem Schwur der absoluten Geheimhaltung weitergegeben. Und niemand auf Pusillus würde einen solchen Schwur je brechen.
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Die Zeit verging und bald darauf hatten Amantis und Amica die peinliche Angelegenheit so gut wie vergessen, wenn ihnen auch so manches Mal der ein oder andere schelmische Blick manch eines Riesen irgendwie eigenartig, beziehungsweise unpassend vorkam.
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Neugierig wie die Riesen von Pusillus aber nun einmal waren, hatte es sich in den folgenden Jahren niemand nehmen lassen mal eben auf seiner Reise zur Erde bei der Trauung von Amantis und Amica vorbeizuschauen. Und so kam es, dass aus dem einst so stillen, im Geheimen angedachten Jawort, die größte Zeremonie wurde, die je in der kleinen aber prunkvollen Barrockkirche hoch oben in den Bergen abgehalten wurde. Denn irgendwann war schließlich auch der letzte Bewohner Pusillus' eingetroffen. Und da das Brautpaar ja nach der Zeremonie schneller als der Wind Reißaus genommen hatte, beratschlagten die zurückgebliebenen Gäste erst einmal, wie denn mit ihnen zu verfahren sei. Der Beschluss war erstaunlich, doch sogar Maximus hatte ihm zugestimmt. Dann reisten sie alle wieder zurück zu ihrem Heimatplaneten Pusillus.
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Jahre später, der letzte Bewohner Pusillus' war gerade von der Hochzeit heimgekehrt, wurde der damalige Beschluss in die Tat umgesetzt. Mit den indirekten Vorbereitungen hatte man allerdings schon lange Zeit vorher begonnen.
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Eines Tages nun bekamen Amica und Amantis den Auftrag, für die ansässige Heilerin ganz besonders seltene Kräuter aus einem sehr entfernten Wald zu holen. Kaum aber, dass sie den Wald erreicht hatten, offenbarte sich ihnen auf einer lichten Anhöhe Unglaubliches. Vor ihnen stand die wunderschöne Barockkirche der Erdlinge, in der sie sich vor vielen Jahren unter für sie bis heute nicht nachzuvollziehenden Umständen das Jawort gegeben hatten. Vorsichtig gingen sie hinein. Und wieder glaubten sie einem bösen Zauber verfallen zu sein. Die wunderschöne Barrockkirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. Und im selben Moment, in dem sie eingetreten waren, brach die Hölle los.
„Das Brautpaar, es lebe hoch!“, skandierten hunderte festlich gekleidete Riesen, fröhlich klatschend, den bass erstaunten Amantis und Amica aufmunternd zulächelnd.
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Und so wurde auch auf dem Zwergplaneten Pusillus der Erdlinge Brauch des Heiratens eingeführt und die vormals Geehelichten Amantis und Amica über den Grund der jetzt schon zum zweiten Mal bis auf den letzten Platz gefüllten Barockkirche aufgeklärt.
BECU
DIE RIESEN VON PUSILLUS beruhen auf einer Fotogeschichtenschreibgruppe. Leider wird das Foto nicht angezeigt:
Ein prunkvolles Innenleben eines italienischen Kirchenschiffes.