Veröffentlicht: 03.04.2021. Rubrik: Menschliches
Der müde Schwan
langsam zieht eine Schwanenfamilie über den Weiher. Zwei ausgewachsene Schäne mit ihren drei Jungen. Die Sonne ist schon weit nach Westen gezogen. Im Wasser zeigen sich die Bäume und das Schilf bald doppelt so lang wie ihre natürliche Größe. Sonnenstrahlen stehlen sich durch das bereits goldene Laub und lassen die zitternden Blätter funkeln. Doch für die Schönheiten im Herbst hat der Schwan keinen Blick. Träge gleitet er über das Wasser und wurde immer langsamer. Der Abstand zu seiner Frau und den Kindern wird größer und größer. Im Wasser sieht er ein Spiegelbild. Das Gesicht seiner Frau. Verhärmt. Die Farbe der Bitterkeit umrahmt ihr Gesicht und machte es häßlich. Er muss sich wegdrehen.
Nur: Irgendetwas stimmt nicht! Wenn er ins Wasser schaut, kann er nur sein Gesicht sehen. Da erschrak er bis tief ins Mark: Was ist, wenn auch sie sieht, was er sieht? Beschämt gleitet er ans andere Ufer.
Sie wundert sich: Wo bleibt er denn nu´ wieder? Dreht sich die Welt mal wieder nicht genug um ihn? Naja, ist ja auch schon 5 Minuten her.
Im selben Moment bereut sie ihren Zynismus. Spricht sie nicht schon seit Wochen nur in diesem Ton mit ihm? Was ist, wenn er Morgen nicht mehr erwacht und mich entnervt mit den Augen rollend in Erinnerung behält? Als erstes bringt die Schwänin die Kinder zum Nest im Schilf. Satt und zufrieden legen sie sich hin. Sie selbst zieht noch mal los zum gegenüberliegenden Ufer. Dabei lässt sie sich Zeit, betrachtet die funkelnden Blätter, wärmt ihr Gesicht in den letzten Sonnenstrahlen. Als sie sich wieder umschaut, gefällt ihr ihr Zuhause. Immer wieder würde sie genau hier her kommen.
Als sie bei ihm ankommt, betrachtet er ihr wahres Gesicht, das ihn freundlich anlächelte. Da platzt es aus ihm heraus: „Weißt du, wofür ich dich bewundere? Seit Jahr und Tag bleibst – beinahe unerbittlich – freundlich. Immer wieder dieses Lächeln!“ Ihr Lächeln wird breiter und sie strahlt ihn glücklich an. „Danke dir, mein Liebster. Mir tut es leid, dass ich es in letzter Zeit verloren hab.“ „Das braucht es nicht. Wie hättest du Lächeln können, wenn du die ganze Zeit meine Unzufriedenheit zu spüren bekommst? Verzeih mir bitte!“