Veröffentlicht: 06.10.2020. Rubrik: Persönliches
Gedanken von Vea
In meinem Zimmer war es dunkel. Ab und zu huschte ein kleiner, geheimnisvoller Schatten über die Wände, wenn mir das Mondlicht guten Tag sagte. Mit einem entschlossenen Ruck zog ich die Vorhänge zu. Komplette Dunkelheit umgab mich jetzt. Sie umhüllte mich wie ein Strick, der sich immer enger um meinen Hals zog und mir langsam, aber bestimmt die Luft zum Atmen wegnahm Die Dunkelheit machte mir Angst und gleichzeitig zog sie mich in den Bann und verzauberte mich. Etwas für die Ewigkeit. Meine Hände zitterten, als sie sich langsam um meinen Hals schlangen, um den Strick zu entreißen, damit ich dieser Qual entkommen konnte. Doch je mehr ich daran zerrte, desto fester wurde der Druck um meinen Hals. Leise, zarte Tränen traten aus meinen Augen und flossen meine Wangen herab. Ich hörte den kleinen Aufprall, wie sie auf dem Papier zerplatzten und dieses nass färbten. In meinem Kopf sah ich die Buchstaben, wie sie unter dem Druck begannen zu tanzen, bis sie schließlich aufgaben und sich dem Wasser hingaben, welches die Buchstaben wegtrug, weit weg von dem Papier. Und alles was zurück blieb war ein kleiner nasser Fleck, der langsam begann zu trocknen, fast so als wäre nichts geschehen. Meine Gedanken begannen sich zu ändern. Was wäre, wenn ich ein Buchstaben wäre und dem Druck nicht mehr standhalten kann, bis der Tod kommt und mich wegtragen wird? Zurück würde ein kleiner schwarzer Fleck am Friedhof bleiben. Mit den Jahren würde mein Grab zuwachsen und trocken. Niemand würde sich an mich erinnern. Immer mehr Tränen kullerten über meine Wangen, während sich meine Hände immer tiefer in mein Fleisch krallten. Einzelne Bluttropfen vermischten sich mit dem Wasser und tropften auf das Papier. Mein Abschiedsbrief. Ein schmerzvolles Wimmern drang über meine rauen Lippen. Die Dunkelheit war böse. Sie ließ mich Sachen sehen, die gar nicht real waren, sie ließ mich allein. Sie zwang mich dazu mich mit mir zu beschäftigen. Das schlimmste von allem. Die Tränen nahmen mir mittlerweile die Sicht und auch mein Atmen wurde immer schwächer. Diesmal wollte ich nicht, dass die Dunkelheit siegte, wie bei so vielen. Ich gehörte nicht dazu, auch wenn ich schwach bin. Mit Gewalt riss ich meine Hand weg, welche sich sofort in das Holz meines Schreibtisches krallte. Ich musste mich zusammenreißen und mir endlich mal selbst helfen. Während meine Hand unkontrolliert und unsicher über den Schreibtisch schlich, um mir Hilfe zu holen, begann ich Stimmen zu hören. Die Dunkelheit redete mit mir und machte mich gleichzeitig verrückt. Verschlang mich immer mehr, obwohl ich dagegen ankämpfte. Endlich wurde meine Hand fündig du mit letzter Kraft drückte ich den Schalter. Licht und Wärme breiteten sich sofort aus. Verjagten die Dunkelheit und beschützten mich. Trösteten mich. Retteten mich. Ich atmete zitternd aus und wischte mir Tränen weg, während mein Blick auf den Zettel fiel. Die Buchstaben waren größtenteils weg, die Tränen waren vertrocknet. Keiner wird sich jemals daran erinnern. Nichts hinterließ eine Spur auf mein Vorhaben, außer die kleinen Blutflecken, die sich nicht in nichts auflösten. Sie trockneten zwar, aber verschwanden nicht. Auf einmal war ich ruhig, es war als würde die Welt stillstehen. Ich hatte es begriffen. Egal wie viele Menschen dich vergessen, es wird immer Menschen geben, die sich an dich erinnern. Die Trauer wird zwar verblassen, aber sie werden immer da sein. Ich atmete kurz aus und dann zerriss ich den Brief entschlossen. Vielleicht war heut kein guter Tag zum Sterben. Vielleicht habe ich jetzt verstanden, dass Suizid nicht die Lösung ist und dass es immer ein Licht in meinem Leben gibt, egal wie dunkel meine Gedanken sind. Ich will nicht sterben.